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Basketball: Bundesliga Männer
Nach 20 Jahren Profi-Basketball: Warum Alex King mit seiner Familie in Würzburg bleibt
In München endete am Sonntag die Basketball-Karriere de 37-jährigen Alex King. Ein Gespräch über Trainer, seine Wechsel und das Verhältnis zu den Fans.
Bei seinem letzten Heimspiel in Würzburg kamen Alex King die Tränen. Der Zuspruch der Würzburger Fans bedeutete ihm viel, erzählt der BBL-Rekordspieler im Interview zum Ende seiner 20-jährigen Karriere.
Foto: Silvia Gralla | Bei seinem letzten Heimspiel in Würzburg kamen Alex King die Tränen. Der Zuspruch der Würzburger Fans bedeutete ihm viel, erzählt der BBL-Rekordspieler im Interview zum Ende seiner 20-jährigen Karriere.
Thomas Brandstetter
 und  Tim Eisenberger
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:22 Uhr

Am Sonntag hat Alex King seine Karriere mit seinem 638. Auftritt in der Basketball-Bundesliga in seiner Heimatstadt München beendet. Damit ist der Power Forward von s.Oliver Würzburg Rekordspieler der BBL. Vor und nach dem letzten Auftritt flossen Tränen, und die deutliche 92:57-Klatsche wurde zur Nebensache. Im Gespräch erzählt King von den Aufgaben als Frischling im Nationalteam, den Abschieden aus Würzburg, Berlin und München, was er über die Jahre lernen musste, und er spricht über seine Rolle nach der Rückkehr nach Würzburg.

Frage: Als am Sonntag die Schlusssirene im Audi-Dome ertönte, war es amtlich: Die Basketball-Karriere von Alex King ist vorbei. War das der emotionalste Moment Ihres Lebens?

Alex King: Nach der Geburt meiner Kinder und meiner Hochzeit schon. Von der Gefühlswelt im sportlichen Bereich war das neben den Meisterschaften natürlich das Emotionalste, aber auch komplett anders. Das sind andere Gefühle, die einen da durchströmen.

Wie war es, ein letztes Mal auf dem Feld zu stehen?

King: Ganz ehrlich: Ich war ziemlich kaputt. Natürlich hab' ich versucht, nochmal alles zu geben. Aber man hat gemerkt, dass es ein anderes Level ist. 30 Minuten in meinem Alter: Das ist zu viel für mich. 
Es hat mich auch riesig gefreut, dass die Fans aus München da jeden meiner Körbe gefeiert haben und es war natürlich schön, dass ich es in meiner Heimatstadt so beenden konnte.

Welche Erinnerungen haben Sie an den Beginn Ihrer Karriere vor 20 Jahren?

King: Ich weiß noch, dass ich damals wegen der Kooperation der Frankfurt Skyliners teilweise für vier Vereine gespielt habe. Kronberg, Langen, Eintracht Frankfurt und auch schon für die BBL-Mannschaft. Einer der Trainer war damals Frenkie Ignjatovic (Anm. d. Red.: Er trainierte in dieser Saison die MLP Academics Heidelberg). Er sagte neulich: "Weißt du, warum ich diesen Junge so liebe? Weil er immer mit einem Lächeln in die Halle kommt, und deshalb spielt er immer noch." Und damit hatte er Recht.

Damals wie heute pflegen und pflegten Basketball-Mannschaften einen besonderen Umgang mit den jüngsten Spielern eines Teams. Wie waren Ihre Erfahrungen, und was hat sich da heute geändert?

King: Als ich damals zum ersten Mal zur Nationalmannschaft kam, musste ich alle Rookie-Jobs machen. Da hieß es von den ganzen alten Hasen wie Patrick Femerling, Sven Schultze oder Mithat Demirel nur "Alex, Bälle", "Alex, Du darfst nicht der Letzte sein", "Alex, bring Wasser", "Alex, hol mal Salat", "Alex, hol die Taschen". Die haben mich herumgejagt wie ein Vieh, aber ich hab' es gemacht, weil das damals normal war. Heute ginge das nicht mehr, so lieb die Jungs auch sind. Sie kennen das halt nicht, weil ihnen stattdessen heutzutage schon früh viel versprochen wird, von Agenten oder ihrem Umfeld.

Und wenn das dann nicht klappt?

King: Ja, dann können sie mentale Probleme bekommen und in ein Loch fallen. Erst wenn sie sich fangen und reifer werden, werden sie zu guten Spielern. Dazu brauchen sie auch die richtigen Leute um sie herum, weil als Jugendspieler ist man einfach grün hinter den Ohren. Joshua Obiesie ist das beste Beispiel. Er ist ein sehr lieber Kerl, aber wenn man versteht, wo der Junge herkommt und die Zusammenhänge versteht, ist es wie ein Puzzle, das man zusammensetzen kann.

Alex King, hier noch im Münchner Trikot, gegen Würzburgs Joshua Obiesie. Während ihrer gemeinsamen Zeit in Würzburg nahm sich King auch dem Jung-Nationalspieler an.
Foto: Heiko Becker | Alex King, hier noch im Münchner Trikot, gegen Würzburgs Joshua Obiesie. Während ihrer gemeinsamen Zeit in Würzburg nahm sich King auch dem Jung-Nationalspieler an.
Es wirkte fast so, als wären Sie nicht nur der Teampapa in Würzburg gewesen, sondern auch eine Art Ziehvater speziell für Obiesie . . .

King: Ja, und nach der Saison kam seine Mutter und hat sich bei mir bedankt, weil er sich so verändert hatte, viel reifer geworden war und sich weiterentwickelt hat. Ich habe versucht, ihn so wahrzunehmen, wie er ist. Das ist alles ein Prozess, und das war bei mir nicht anders. Ihr kennt mich jetzt mit 37, aber Ihr hättet mich mit 16, 17 oder 18 erleben sollen. Meine Eltern hatten Angst, dass ich in Frankfurt zum Junkie werde oder anders auf die schiefe Bahn gerate. Auch ich hatte Phasen mit Mädels, wollte teure Autos, ich musste erstmal lernen, damit umzugehen.

Dabei haben auch immer wieder Trainer geholfen. Welcher Coach hat Sie am meisten geprägt?

King: Mike Koch hat mich damals zu Hause abgeholt und mit zum Training genommen. Das hat bei mir Eindruck hinterlassen. Da habe ich die Liebe zum Basketball wiedergefunden. Dann will man dem Coach als Spieler natürlich auch was zurückgeben. Das ist dieser pädagogische Aspekt, den man im Trainerjob nicht unterschätzen darf. Ich glaube, 70 Prozent des Jobs machen solche Sachen aus, für Basketball und Taktik gibt es Assistenztrainer. Aber für Spieler ist es so wichtig zu wissen, was die Coaches von einem denken. Das muss man richtig steuern.

Nach Ihrer Zeit in Bonn unter Mike Koch kamen Sie nach Würzburg und wollten auch langfristig hier bleiben. Trotz einer Vertragsverlängerung um drei Jahre, ging es im Sommer 2013 nach Berlin. Wie ging das überhaupt und wie schwer fiel der Abschied?

King: Zuerst möchte ich klarstellen, dass es mir unglaublich schwer gefallen ist. Ich bin ein sehr harmoniebedürftiger Mensch. Ich bin damals sogar extra zu den Verantwortlichen ins Büro und habe versucht, mit ihnen über die Situation zu sprechen. Welcher Spieler macht das schon? Und dann war es natürlich eine unglaubliche Chance für mich. Alba Berlin wollte mich. Ich wusste nicht, ob ich noch mal die Chance bekomme, für diesen Verein, den ich immer sehr bewundert habe, zu spielen.

Als Alex King im Oktober 2013 mit Alba Berlin in Würzburg gastierte, zeigten einige Würzburger Fans, was sie von seinem Wechsel nach Berlin hielten.
Foto: Fabian Frühwirth | Als Alex King im Oktober 2013 mit Alba Berlin in Würzburg gastierte, zeigten einige Würzburger Fans, was sie von seinem Wechsel nach Berlin hielten.
Waren Sie deshalb so glücklich, dass bei Ihrem letzten Heimspiel so eine besondere Stimmung herrschte?

King: Ja, als ich 2020 zurückkam, hatte ich ein sehr, sehr mulmiges Gefühl, weil ich Würzburg ja mal verlassen hatte. Dass vergangenen Dienstag alle applaudiert und meinen Namen gerufen haben, hat mich zu Tränen gerührt. Ich hatte Angst, dass sie buhen. Bei jedem Heimspiel habe ich gedacht, die Fans hassen mich. Ich hatte Probleme in die Ränge zu gucken. Ich hab das ganze Jahr gedacht, ich bin hier nicht willkommen. Jetzt weiß ich es besser.

Von Berlin gingen Sie dann damals nach München. Auch dieser Wechsel war brisant, weil die Bayern in den Jahren zuvor schon den ein oder anderen Spieler von Alba geholt hatten. Wie haben Sie das Ganze erlebt?

King: 'Alex King hat sich entschieden zu Bayern zu gehen', hieß es damals in der Pressemitteilung der Berliner. Das klang, als ob ich ein Alba-Angebot abgelehnt hätte. Dabei hatte Alba gerade mit Hima Ojeda einen neuen Sportdirektor verpflichtet und einen Umbruch eingeleitet. Ich habe zuvor eine gute Saison gespielt, aber sie wollten nicht mit mir verlängern. Und ich wollte unbedingt deutscher Meister werden. Da gab es damals nur Bayern oder Bamberg als Option. Aber was ich nicht verstehe: Warum schieben sie die Schuld auf den Spieler? Ich habe Alba geliebt, wie es auf dem Banner steht ,Mit Leib und Seele'. Am Ende wurde ich in Berlin ausgebuht, weil ich nach München ging.

Sie verstehen also nicht, warum Sie nicht von allen Fans geliebt wurden?

King: Doch, aber ich hätte nie gedacht, dass mich Würzburger oder Alba Fans nicht mögen, weil ich wirklich ein sehr gutes Verhältnis mit denen hatte, genauso wie zu den Fans in Frankfurt oder in Bonn. Als ich dann das erste Mal mit Alba nach Würzburg kam, war es schon hart. Genauso mit München in Berlin. Dem Alba-Fanvorsprecher hab ich neulich bei Instagram geschrieben, um mich für den Support zu bedanken. Sie haben mir so viel gegeben und ich wollte was zurückgeben. Er hat heute noch kein Verständnis für meinen Wechsel. Das finde ich schade nach all den Jahren.

Ihre letzte Saison war auch für Sie persönlich ein ganz schönes Auf und Ab. Mal spielten Sie viel, mal gar nicht. Wie haben Sie das empfunden?

King: Naja, das Ende war bei mir ja absehbar, und ich musste niemandem mehr was beweisen. Mir ging es nur noch darum, dass wir die Klasse halten. Aber es war ein Prozess für mich zu akzeptieren, dass es meine Aufgabe ist, den anderen zu helfen, den Coaches, dem Kapitän. Das war ein Lernprozess, bei dem mir meine Frau viel geholfen: "Schatzi, Du bist an einem Punkt, du musst den Jungs helfen und die Verantwortung abgeben." Das ist nicht so einfach, wie ich es grad erkläre, weil man loslassen muss. Das habe ich dann irgendwann akzeptiert. Coach Filipovski hat mich eingebunden, als Spieler, der nicht viel spielt, aber dessen Meinung wichtig ist für ihn. Und dann habe ich beschlossen, dass es niemandem was bringt, wenn ich mit so einer Fresse jeden Tag in die Halle komme. Stattdessen sollte der Coach merken, dass er sich um mich keine Sorgen machen muss.

Kommen wir zu den schönen Dingen Ihrer Karriere. Was bleibt da in Erinnerung außer den drei deutschen Meisterschaften und drei Pokalsiegen?

King: Die schönen Momente mit den viele Teamkollegen. Die Feiern und die gemeinsamen Auswärtsfahrten, das viele Karten spielen. Die ganzen Dinge, die ich mit den Jungs zusammen gemacht habe. Das wird mir fehlen.

Sind da auch Freundschaften entstanden?

King: Ja, ich würde sagen, es sind Freundschaften unterschiedlicher Intensität. Für mich war es immer wichtig, dass jemand ehrlich ist und ich ihm vertrauen kann. Manchmal telefoniert man mit ehemaligen Teamkollegen nur alle paar Monate,  aber auch das sind Freundschaften, die ich nicht missen möchte.

Wie geht es nun für Sie weiter?

King: Ich möchte langsam beginnen, würde gerne in der Jugendarbeit arbeiten und Schritt für Schritt da reinwachsen, gerne hier in Würzburg. Wir haben einen Mietvertrag unterschrieben. Als wir vor zehn Jahren hier waren, haben wir Freundschaften geschlossen, die bis jetzt gehalten haben. Das kann ich von Berlin nicht sagen. Von München schon. Dort sind unsere Kinder geboren, meine Eltern leben da, aber wir haben uns für Würzburg entschieden. Wir haben es ausprobiert, ob es uns hier gefällt. Es ist natürlich was anderes als vor zehn Jahren, aber es ist total schön. Unsere Kinder fühlen sich hier wohl, wir mögen die Stadt, sie ist nicht groß, aber auch nicht zu klein. Wir hätten auch woanders hingekonnt, aber wir haben uns für hier entschieden.

 
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