David Kiesel und Katharina Scholl sitzen in ihrem Wohnzimmer in Sennfeld. Und damit auch mitten in ihrer persönlichen Trainingshalle. Die beiden Triathleten der TG Schweinfurt sind durch Corona hinsichtlich ihres Hobbys mächtig ausgebremst worden, wenngleich es ihnen im Vergleich zu Mannschaftssportlern noch einigermaßen gut geht. Sie konnten in den hinter ihnen liegenden Monaten als Individualsportler wenigstens trainieren.
Kiesel weiß natürlich um den kleinen Vorteil, den er und alle Triathleten in der Pandemie gegenüber vielen anderen Sportlern haben. "Klar konnten wir auch in der Pandemie draußen laufen und Rad fahren. Zumindest allein oder in kleinen Gruppen. Aber auch für Triathleten ist es schwierig, permanent allein zu trainieren. Es tut uns nämlich unwahrscheinlich gut, wenn möglichst viele Einheiten gemeinsam mit anderen gemacht werden", spricht der Abteilungsleiter beispielsweise den beliebten und vor Corona stark frequentierten Lauftreff in Schweinfurt an.
Trockenübungen mit der Rolle und dem Zugseil
Der aber fehlt. Wie auch die dritte Disziplin im Triathlon: das Schwimmen. Im vergangenen Sommer waren bis in den Oktober Freibäder und Seen noch zugänglich. "Da konnten wir vor und nach den regulären Öffnungszeiten ins Bad", erinnert sich Katharina Scholl, Lebensgefährtin und Stellvertreterin von David Kiesel in der TG-Triathlonabteilung.
Seit Herbst vergangenen Jahres aber musste das Schwimmen simuliert werden. Der Bewegungsablauf beim Schwimmen wurde mit einem Zugseil trainiert. "Da schreit natürlich niemand ,Juchhe'", weiß der 37-jährige Kiesel, wie seine Partnerin selbst aktiver Triathlet. "Trockenübungen" war in den vergangenen Wochen, als das Wetter auch das Radfahren und Laufen eher ungemütlich werden ließ, ohnehin das Zauberwort. Das Rad wurde daheim auf die Rolle gespannt, auch ein Laufband kam bei manchem zum Einsatz. Zumindest die Rolle gehört quasi zur Grundausstattung eines Triathleten, für ein Laufband im Wohnzimmer fehlt allerdings in den meisten Fällen der Platz.
Was in den eigenen Wänden natürlich nicht möglich war: das Schwimmen. "Sechseinhalb Monate ohne Schwimmen, das kann auch das Zugseil-Training nicht ersetzen", sehnen Kiesel und Scholl die Freibad-Saison herbei. Da würden auch die aktuell noch niedrigen Wassertemperaturen nicht stören. "Wir Triathleten sind ziemlich hart im Nehmen", weiß Kiesel von den gut 200 Vereinsmitgliedern zu berichten, von denen bereits einige wieder in einen zwölf Grad kalten See gestiegen sind – natürlich mit Neoprenanzügen. "Klar ist das arschkalt. Aber sie haben sich gefreut, einfach mal wieder 30 Minuten am Stück zu schwimmen."
Doch warum das Ganze? Triathlon- oder Marathon-Training geht ja nun doch weit über das hinaus, was normalerweise unter "fit halten" verstanden wird. Und Wettkämpfe stehen zur Zeit nicht an. Was also treibt die Triathleten aufs Rad, in die Laufschuhe oder ins kalte Wasser? "Im letzten Jahr standen ja noch einige Wettkämpfe im Terminkalender. Das meiste wurde aber verschoben oder abgesagt, unter anderem auch mehrere Ironman-Wettkämpfe, für die sich einige TGler angemeldet hatten", erklärt Katharina Scholl.
Wie ernst die Schweinfurter das Training nehmen, zeigt sich darin, dass viele einen "Do it yourself-Ironman" für sich in Angriff genommen oder auch "nur" einen eigenen Marathonlauf, so auch den "Wings-for-Life-Run", absolviert haben. "Und dabei sind auch einige neue Bestzeiten herausgesprungen", weiß die Erzieherin, dass mangelnde Motivation kein Thema war. "Durch Corona gab es ja auch viel Zeit, zu trainieren", kann sie der Pandemie und den dadurch eingeschränkten Freizeitmöglichkeiten auch ein wenig Positives abgewinnen. Dazu zählt auch, dass sich während des Lockdowns fünf neue Mitglieder dem Verein angeschlossen haben.
Denn Zeit und Disziplin braucht man für Triathlon. Viel Zeit. "Das ist die große Herausforderung", gibt Kiesel zu, "vor allem für die Langdistanz. Da braucht es schon eine gewisse Trainingszeit, damit man da ordentlich über die Runden kommt." Andere Dinge, auch die Familie, müssten da schon mal hinten anstehen.
Disziplin ist auch bei der Ernährung gefragt. Die Essgewohnheiten verändern sich. "Wir essen aber eher mehr, seit wir Triathlon machen", betont Katharina Scholl, dass der höhere Kalorienverbrauch wieder ausgeglichen werden muss. Hier holte sich die TG vor kurzem Tipps einer Ernährungsberaterin. "Als Triathlet muss man schon darauf achten, viel Kohlenhydrate und Gemüse zu bekommen", weiß Kiesel, wirft aber auch ein, dass "man nach vier Stunden Radfahren und einer Stunde Laufen ruhig auch mal in die Eisdiele kann". Beide haben aber auch festgestellt, dass die Zahl der Vegetarier unter den jüngeren Triathleten stetig ansteigt.
Dass dem Körper dann nichts fehlt, weiß auch Elke Huhn, die sich bei der TG um die Pressearbeit kümmert und selbst seit 2015 Marathon läuft. Die 51-jährige Diplom-Ingenieurin ernährt sich seitdem auch vegetarisch, weiß aber, dass das in ihrer Generation wohl eher die Ausnahme ist.
Gemeinsam "gequält"
Trotz aller Möglichkeiten: Der größte Teil der sportlichen Aktivitäten fand seit Herbst in den eigenen vier Wänden statt. "Wir hatten regelmäßig Spinning- und Stabilisations-Training im Angebot. Da haben wir uns alle zu einer bestimmten Zeit verabredet und konnten uns gemeinsam quälen", nutzte die TG auch die virtuellen Möglichkeiten. "Das ist für uns so etwas wie ein neues Playstation-Spiel" meint David Kiesel lachend. "Die Leute sind heiß darauf. Jeder sieht sich und die anderen auf seinem Bildschirm und kann einen Wettkampf bestreiten."
Das Regionalliga-Team der Schweinfurter Triathleten war ebenfalls online aktiv, im Wettkampf mit anderen Mannschaften in einer eigenen Serie. "Da ging es dann Samstagfrüh für 20 Minuten auf die Rolle. Danach ist man dann halb vom Rad gefallen und konnte sich zehn Minuten lang nicht mehr bewegen", beschreibt Kiesel den Ehrgeiz der Mannschaft.
Dieser Ehrgeiz ist für Triathleten unabdingbar – vor allem, wenn es um die Qualifikation für die großen Wettbewerbe geht. "Viele Mitglieder von uns waren schon bei richtig großen Wettkämpfen", weiß Kiesel. 2019 kam die TG mit fünf Teilnehmern bei der Ironman-Challenge in Roth, dem wohl bekanntesten Triathlon in Deutschland, unter knapp 400 Mannschaften auf Platz zwei. "Das Ganze unter starker Begleitung unserer Fans", freut sich Kiesel über die Begeisterung innerhalb der TG-Familie. Die feuerten ihre Athleten lautstark mit Konfettiregen, Megafonen und Trillerpfeifen an.
Nun hoffen die Schweinfurter Ausdauersportler, dass es bald wieder richtig losgeht. Denn sie brauchen die Gemeinschaft, den Wettkampf, das gegenseitige Pushen, den Antrieb, an der Konkurrenz vorbeizuziehen – und nicht zuletzt das Publikum. "Das ist das, wovon ein Triathlon einfach lebt", meint David Kiesel. Und zwar draußen, nicht im heimischen Wohnzimmer.