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Motorsport
"Natürlich bin ich für Umweltschutz": Der Schweinfurter Ferdinand Winter fährt trotzdem Autorennen und will in die DTM
Der 20-Jährige liegt aktuell auf Platz drei der kleineren GT4-Serie und sieht den Motorsport als Versuchskaninchen für die Zukunft der individuellen Mobilität.
In seiner Arbeitskleidung: Der Schweinfurter Ferdinand Winter fährt Autorennen der GT4-Serie. 
Foto: Tim Upietz, Gruppe C Photography | In seiner Arbeitskleidung: Der Schweinfurter Ferdinand Winter fährt Autorennen der GT4-Serie. 
Michi Bauer
 |  aktualisiert: 10.09.2024 02:36 Uhr

Kann das gehen? Mit 250 oder 260 über die Rennstrecke rasen und trotzdem an die Umwelt denken? Ja. Sagt Ferdinand Winter. Der Schweinfurter fährt die ADAC-GT4-Germany-Serie, eine kleine Schwester der DTM, die früher unter dem Namen Deutsche Tourenwagen-Meisterschaft bekannt war. Das ziemlich gut: Zusammen mit Teamkollege Ivan Ekelchik liegt der 20-Jährige auf Platz drei der Gesamtwertung und kämpft noch um den Titel. Und sagt: "Natürlich bin ich für Umweltschutz. Ich sehe das als Generationenvertrag und möchte beitragen, der nächsten Generation eine anständige Welt weiterzugeben."

Seinen 500 PS starken Porsche 718 Cayman GT4 RS CS hält er durchaus für ein probates Mittel, seinen Beitrag zu einer sauberen Umwelt zu leisten. Klingt komisch? Nicht für Winter: "Ich sehe uns als Versuchskaninchen. Wir probieren unter Extrembedingungen die Technik aus, die künftig die mobile Welt bestimmt. Motorsport als Technologie-Treiber."

DTM und Formel 1 wollen 2030 komplett CO2-neutral sein. Vollsynthetische Kraftstoffe sollen es ermöglichen und mit ein bisschen Zeitverzug im Alltag den Fortbestand individueller Mobilität sichern. "Ich weiß schon, dass sich im Rennsport nicht alles mit Entwicklung rechtfertigen lässt. Aber mit dieser schon. Mit fossilem Kraftstoff kann es nicht weiter gehen."

Recycelter Kraftstoff und Verzicht auf Plastikflaschen

Winter, der in Regensburg European Business studiert, holt noch weiter aus: Die seriennahen Boliden, die mit technischen Korrekturen alle auf eine theoretische Durchschnitts-Rundenzeit angeglichen werden, "sind mit zu 50 Prozent recyceltem Kraftstoff angetrieben, abgefahrene Reifen werden recycelt, im Fahrerlager gibt es keine Plastikflaschen".

Als Umweltschützer im klassischen Sinn mag sich Ferdinand Winter trotz alldem nicht verstanden wissen. Dass "fun", also Spaß, im Spiel ist, dass "es ein großes Privileg ist, Rennen zu fahren, das Adrenalin zu spüren", bestreitet er nicht. Seine Augen leuchten, wenn er darüber spricht, was einen guten Rennfahrer ausmacht: "Zeit gewinnen wir nicht auf Geraden oder bei spätem Bremsen, sondern in der Phase, wo du die Bremse löst, in die Kurve rein rollst und wieder beschleunigst."

Ferdinand Winters Arbeitsplatz: ein Porsche Cayman GT4, hier beim Rennen auf dem Nürburgring.
Foto: Tim Upietz/Gruppe C Photography | Ferdinand Winters Arbeitsplatz: ein Porsche Cayman GT4, hier beim Rennen auf dem Nürburgring.

Sich selbst bezeichnet er als "Typ, der mehr für Renn-Intelligenz als für Aggressivität steht. Ich fahre lieber defensiver und punkte dafür kontinuierlich." Akribisch arbeitet er an seiner Fitness: "Im Auto herrschen 50 bis 70 Grad, die Bremse tritt man mit 100 Kilo, wir haben keine Servo. Das ist schon mehr als einfach nur schnell fahren."

Jahresbudget im sechsstelligen Euro-Bereich  pro Fahrer

Die GT4-Rennserie wurde 2006 ins Leben gerufen. Aktuell fahren dort die Marken Porsche, Mercedes, BMW, Audi, Aston Martin im Rahmenprogramm der DTM. Unlängst am Norisring waren 120.000 Fans da. Die nah ran kommen: Auf einem sogenannten Pit-Walk sind Gespräche mit den Fahrern möglich. Zielgruppe sind Privatteams und Privatfahrer. An sechs Wochenenden finden je zwei Rennen statt. Am Samstag bestreitet einer der beiden Fahrer das Qualifying und anschließend die erste Hälfte des einstündigen Rennens. Dann löst der Kollege ab, der sonntags die Qualifikation fährt und beginnt.

Es ist ein teurer Sport. Das Jahresbudget fürs Auto liegt allgemein im niedrigeren sechsstelligen Euro-Bereich pro Fahrer, wenn man es ambitioniert angehen mag. Das tun Winter und der Armenier Egelchik, die sich als angehende Profis bezeichnen und nächste Saison die doppelt so kostenintensive GT-Masters-Serie bestreiten wollen, wieder im österreichischen Team Wimmer-Werk-Motorsport, aber dann mit einem GT3-Fahrzeug. Für Winter soll es das Sprungbrett in die DTM, die höchstklassige deutsche Rennserie, werden. 2027, so der Plan. Als Werksfahrer eines Hersteller-Teams. Wenn möglich Porsche.  

Bis dahin "müssen wir Geld mitbringen". Anfangs war Unterstützung durch die Eltern nötig, mit der Zeit decken immer mehr Sponsoren das Budget: "Ich würde gerne die hiesige Großindustrie auf internationaler Bühne vertreten." Wie viel alles kostet, hängt auch von Schäden am Fahrzeug und Trainingsfleiß ab. Testfahrten auf der Rennstrecke kosten 15 Euro pro Kilometer. Sechs Euro sind fällig für den Liter Recycling-Kraftstoff, ein Rennen schluckt 100 Liter. Am Anfang der Entwicklung hat so ein Liter noch ein paar Tausend Euro gekostet. "Wer weiß, vielleicht wird das mal billiger als herkömmliches Benzin."

Auf den Spuren des Würzburgers Laurin Heinrich

"Motorsport ist ein riesiges Paradoxon", sagt Winter zu der Kostenpyramide. Ganz oben verdienen die Formel-1-Teams Millionen, an der Basis fließt das Geld in die andere Richtung. "Eine Art Schneeballsystem." Da gebe es die schwerreichen "Gentleman-Rennfahrer", die sich ihren Spaß etwas kosten lassen. Und Leute wie ihn, die sportlich ambitioniert sind und davon träumen, dass ein Werksvertrag alles refinanzieren möge. Selbst Werksfahrer aus dem Junior-Förderprogramm können bei rund 20 Rennwochenenden in verschiedenen Serien bereits ein Einkommen erreichen, das die Investitionen nicht nur deckt.

Die Anfänge: Ferdinand Winter (links, neben Maximilian Wolf Thüring) 2018 als Kartfahrer.
Foto: Hartmut Hess | Die Anfänge: Ferdinand Winter (links, neben Maximilian Wolf Thüring) 2018 als Kartfahrer.

Als Vorbild dient dem Schweinfurter sein Würzburger Rennfahrer-Kollege Laurin Heinrich, der in der Juniorförderung von Porsche und 2023 erfolgreich in der DTM gefahren ist, ehe er in diesem Jahr auf internationale GT-Serien umsattelte. Geträumt habe Winter mal von der Formel 1 – sich das aber schnell abgeschminkt: "Da muss man mit zehn Millionen Investition rechnen, wenn man kein Jahrhundert-Talent ist. Es gibt zwei Wege in den professionellen Motorsport: die Formel-Schiene und die GT-Schiene."

Winter hat sich nach spätem Einstieg und nur drei Jahren Kartrennen für Letzteres entschieden. Der Erfolg gibt ihm recht. Am Nürburgring feierte er Ende August seinen ersten Sieg. "Wir wollen noch um die Meisterschaft kämpfen, aber mindestens Platz drei halten." Privat geht Winter es ein wenig gemütlicher an: mit einem ganz normalen Serien-Diesel aus Ingolstadt. "Wegen des niedrigen Verbrauchs."

 
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