Tut das Not – oder kann das weg? In Zeiten, in denen sich Aktivistinnen und Aktivisten auf den Asphalt kleben, um auf die dramatischen Folgen des Klimawandels aufmerksam zu machen, eine berechtigte Frage. Und eine, bei der man, wenn es um Mobilität geht, fast schon zwangsläufig auf den Motorsport stößt. Mehr denn je hängt der Formel 1 und anderen Rennserien das Image an, Menschen in übermotorisierten Rennwagen würden sinnlos im Kreis herumfahren. Manche Kritiker würden am liebsten etliche Rennserien ersatzlos streichen. Wäre das der richtige Weg?
"Nein", sagt Sascha Ricanek, der Geschäftsführer von ZF Race Engineering mit Sitz in Schweinfurt, der Rennsport-Sparte des Friedrichshafener Automobilzulieferers ZF, der allein am Standort Schweinfurt mehr als 9000 Mitarbeitende beschäftigt. "Der Motorsport an sich dient für Unternehmen als Motivator, etwas zu erforschen und in Serie zu bringen – und so am Markt zu einem möglichst frühen Zeitpunkt konkurrenzfähig zu sein. Das gilt vor allem in den Bereichen, in denen es vonseiten der Politik keine gesetzlichen Einschränkungen gibt", erklärt der studierte Sportmanager. Ricanek untermauert dies mit Innovationen, die es in die Serienproduktion und damit womöglich auch in Ihr Auto geschafft haben. Fünf von ihnen stellen wir exemplarisch vor.
1. Sie machen das Fahrzeug leichter: Carbonteile
"Ohne den Rennsport hätte es lange keine Carbonteile in Serienfahrzeugen gegeben", erklärt der 46 Jahre alte Ricanek. Während in vielen Fahrzeugen der Carbon-Look maßgeblich der Optik zuträglich ist, arbeitet man beim baden-württembergischen Unternehmen vor allem daran, durch den hochfesten Kohlenstoff ein Plus an Sicherheit zu bekommen, weil Carbon Leichtbau und höhere Festigkeit in Relation zum Gewicht herkömmlicher Stahlteile ermöglicht, was letztlich auch für weniger Emissionen sorgt.
"Wir entwickeln gerade eine Carbon-Motorradgabel, die dabei helfen soll, noch schneller zu sein. Die Beschichtung bringt eine bessere Stabilität in Kurven. Eigentlich könnte man sagen: Wir haben einen guten Standard und erfüllen alle Normen – doch hier gehen wir weiter, unabhängig davon, ob durch Gesetze Weichen gestellt werden."
2. Weg von fossilen Brennstoffen: Der E-Antriebsstrang
Auch beim Antriebsstrang geht nicht viel ohne Rennserien. Ohne den Strang, dem man alle Bauteile zuordnet, die für die PS-Leistung und die folgende Kraftübertragung an die Räder sorgen, würde ein Auto nicht fahren. So werden seit Jahrzehnten neue Konzepte, die für weniger Leistungsverlust oder einen besseren Wirkungsgrad sorgen, zunächst im Motorsport verbaut und getestet. Auch die für Elektroautos, die durch teure Rohstoffpreise und die Knappheit fossiler Brennstoffe nicht nur für die Politik immer wichtiger werden.
"Bei uns hat die Formel E, in der wir vertreten sind, zu einem Umdenken geführt", sagt Ricanek. "Nachdem wir vor vier, fünf Jahren noch eine andere Technologie verfolgt haben, sind wir durch den Formel-Sport auf eine 800-Volt-Lösung gestoßen." Viele der derzeitigen Elektroautos werden mit 400-Volt-Technik betrieben; die bei 800 Volt, meist in Sportwagen, verwendeten dickeren Kabel sorgen beispielsweise für geringere Wärmeverluste beim Laden.
3. Hin zu mehr Reichweite: Die E-Auto-Batterie
Nicht nur Wärmeverluste beim Laden sind ein großes Ärgernis in Elektroautos, auch eine zu geringe Reichweite kann zu Frust führen. Deshalb wird auch in der Formel E an den Batterien getüftelt, die für die Reichweite der Autos sorgen. So sei es laut Ricanek den Herstellern durch die ständige Überwachung der Akkus innerhalb eines Zeitraums von vier bis fünf Jahren gelungen, ihr Gewicht um 15 Prozent zu reduzieren und ihre Leistung um 60 Prozent zu steigern, was auch den in Serie gefertigten E-Autos zugutekommt.
4. Neue Materialien für weniger Verschleiß: Die Kupplungsbeschichtung
Es müssen allerdings nicht immer ganz neue Entwicklungen sein – oftmals reichen laut dem früheren Daimler-Mitarbeiter Ricanek schon neue Materialien aus, um ein Auto effizienter und somit umweltfreundlicher zu machen, wie etwa bei der Beschichtung der Kupplung. Wird sie benutzt, entsteht umweltschädlicher Abrieb. "Da geht es schon seit Jahrzehnten um die Gewichtsreduzierung, geringere Emissionen und bessere Leistung. Materialmischungen werden in Rennwagen getestet und dann für die Serienproduktion verwendet, natürlich nicht im kompletten Umfang. Allerdings hat es schon deutliche Fortschritte gegeben. Nimmt man – derzeit auch schon im Breitenmotorsport – Carbon statt organischen Kupplungsbelägen, wird die Kupplung deutlich leichter und weniger träge, sodass der Motor agiler betrieben werden kann. Carbon-Kupplungen haben auch den Vorteil, dass sie anderen Kupplungen in Sachen Lebensdauer und Temperatur überlegen sind, allerdings kosten sie auch ein Vielfaches."
5. Eine Lenkung ohne Lenkstange: Das Steer-by-Wire-System
Manchmal werden auch komplette Bauteile im Auto durch Entwicklungen geopfert. Ein Beispiel: die Lenkstange. Bei sogenannten Steer-by-Wire-Lenksystemen ist sie nicht mehr vorhanden, wird stattdessen durch Kabel und Steuergeräte ersetzt – was ZF bei Rennsimulatoren nutzt. Eine direkte mechanische Verbindung zwischen Lenkrad und den gelenkten Rädern existiert nicht mehr. Mittlerweile ist diese Lenktechnik auch für Serienfahrzeuge zugelassen und wird vor allem von einem amerikanischen Elektroauto-Hersteller angeboten.
"Diese Technik kann man deutlich besser optimieren", erläutert ZF-Rennsport-Chef Ricanek, "denn man hat, anders als früher, etliche Daten zur Verfügung, mit denen man das Fahrverhalten verbessern kann". Lässt sich das Fahrzeug beispielsweise direkter lenken, kann man Gefahrensituationen schneller entschärfen, zudem begünstigt diese Technologie den Einsatz von Einparkhilfen oder Spurhalteassistenten, die vor allem bei Unachtsamkeiten eingreifen.