Ein 0:1 sei schlechter als ein 0:0. Tobias Strobl hatte am Samstag versucht, die Niederlage gegen den TSV Havelse im Relegations-Hinspiel so trocken als möglich zu kommentieren. Und gesagt: "Es ist erst Halbzeit." Der Trainer des FC 05 Schweinfurt weiß: Bereits ein 1:0 reicht für eine Verlängerung, ein Sieg mit 2:1 oder höher zum Aufstieg in die Dritte Liga. Dass die Nullfünfer sich weder Niederlage noch Unentschieden erlauben dürfen ist klar, dass sie deswegen für das Rückspiel in Garbsen vor den Toren Hannovers am Samstag (13 Uhr, live auf www.mainpost.de und im BR Fernsehen) nicht mehr Favorit sind, kommt Strobl nicht ungelegen.
Wie viel Mentaltraining gab es unter der Woche?
"Wir haben eindeutig mehr Fußball gespielt", so Strobl. "Wenn man die Spieler totredet, hören sie irgendwann nicht mehr zu." Auch Torwart Luis Zwick, dessen fataler Fehlgriff in der Nachspielzeit das Gegentor ermöglicht hatte, habe keiner gesonderten Streicheleinheiten bedurft: "Wir haben es nicht mehr angesprochen. Er kennt seinen Fehler. Der war nach wenigen Minuten dank der Reaktionen im Stadion abgehakt." Den mentalen Druck, der die Mannschaft bisweilen gelähmt hatte, habe sie sich selbst aufgebaut nach den tollen Play-off-Leistungen, weswegen das Trainerteam Lockerheit vermittelte "und die Vorfreude auf das Spiel" schürte. Auf Teambuilding-Maßnahmen wie Abstecher zum Badesee habe man verzichtet. Allerdings hat sich die Mannschaft einen Abend ohne Trainerteam gegönnt, immerhin war es die letzte Woche in dieser Konstellation: Spieler wie Jan Reichert, Aaron Frimpong Manu oder Lukas Ramser verlassen den Verein.
Wie viel besser kennt man den Gegner Havelse jetzt?
Einer der größten Unterschiede vor dem ersten Relegationsspiel war, dass der FC 05 mit sieben Pflichtspielen in dreieinhalb Wochen voll im Saft stand, während der TSV Havelse seit dem 25. Oktober Pause hatte. Ein Vorteil letztlich für die Norddeutschen, die den Gegner besser unter Wettkampfbedingungen studieren konnten. "Jetzt haben wir Havelse am eigenen Leib erlebt und unsere Vermutungen haben sich verfestigt. Die Havelser machen genau das, was sie können und das hundertprozentig gut." Da sei wenig kompliziert, dem Kreieren von Standards gelte die höchste Aufmerksamkeit. "Jetzt können wir hoffentlich besser damit umgehen."
Wie will der FC 05 die Standards des TSV kontrollieren?
Das Tor fiel durch einen, allerdings harmlosen, Freistoß. Nahezu alle gefährlichen Szenen des TSV Havelse entsprangen Eck- oder Freistößen. Für Strobl weniger eine Frage schwacher Verteidigungarbeit ("du kannst nicht zehn von zehn verteidigen, die Jungs haben ihr Leben reingeschmissen"), denn der Häufigkeit solcher Standards. "Unser Ziel muss es sein, deutlich weniger zuzulassen." Fraglos enorm war die Qualität dieser Situationen: Die Havelser opferten stets einen ihrer baumlangen Kerls, der als Blockspieler Räume schaffte - und dann kamen die Bälle scharf und mit hoher Präzision. Heißt fürs Rückspiel: Eckbälle dezimieren und Freistöße weit weg vom Tor halten.
Zwingen Niederlagen Trainer nicht zu Veränderungen?
Bloß keinen Aktionismus: "Wir vertrauen den Jungs und in das, was vorhanden ist" - Strobl wehrt sich gegen Experimente, nur um etwas auszuprobieren. Aber: Dass mit dem Duo Fölster/Tasky eine TSV-Innenverteidigung ein Bild irgendwo zwischen Frankfurter Skyline und Berliner Mauer abgegeben hatte, war ihm nicht entgangen. Sein Rezept, wie man diese Abwehr-Türme umspielen könne, macht er zum Geheimnis. Ein zweiter, eher mittig platzierter Stürmer neben Adam Jabiri, beispielsweise Florian Pieper, scheint wenig probat angesichts der Enge in der Havelser Box. Auf den Flügeln wirkten Martin Thomann und Amar Suljic substanziell angegriffen. Nun hatten sie erstmals seit Mitte Mai eine ganze Woche Regenerationszeit, so dass sich kein Wechsel aufzwingt. Ziemlich sicher ins Team zurückkehren wird Innenverteidiger Lukas Billick, der im Hinspiel wegen muskulärer Probleme passen musste. Weichen dürfte positionsgetreu Philipp Maier.
Hopp oder top - wird der FC 05 mit Wucht anlaufen?
Seit Tobias Strobl vor gut eineinhalb Jahren seinen Dienst in Schweinfurt angetreten hat, zeichnet den FC 05 offensive Spielweise aus. Der TSV Havelse war einer der ganz wenigen Gegner, der das unterbinden konnte. "Meine Mannschaft wird sich nicht verhalten zeigen, wir spielen mutig und laufen hoch an. Auch in Havelse wollen wir von Beginn an unser Spiel durchdrücken." Druck auszuüben wird nötig sein, damit die langen Bälle, mit den der TSV Pressing kontert, ungenauer werden. "Von der ersten Minute an Vollgas, mit mehr Zielstrebigkeit an die letzte Kette", verspricht Strobl hohe Risikobereitschaft. "Wir haben die nötige Überzeugung und Zuversicht."
Der FC 05 ist die Favoritenrolle los - ein Vorteil?
"Ja", sagt Strobl. "Wir hatten vor dem Hinspiel irgendwie das Gefühl, dass wir mehr zu verlieren hätten. Jetzt bin ich sehr neugierig, wie Havelse mit der 1:0-Führung umgeht." Denn die regionalen Medien in und um Hannover verbreiten recht unverblümt, dass der TSV mehr oder minder aufgestiegen sei.
Wie sehen Anreise und Vorbereitung vor Ort aus?
Nach einer Trainingseinheit um 10 Uhr in Schweinfurt und anschließendem Mittagessen bricht die Mannschaft gegen 12.30 Uhr auf. Nach dem Abendessen gegen 18.30 Uhr steht ein gemeinsamer Spaziergang an. Später schauen Trainer und Spieler noch das EM-Spiel England - Schottland an, "da ist auch ein Bier erlaubt", so Strobl - und betont: "Eines." Am Samstag findet ein ausgedehnter Brunch statt, es folgen Spaziergang und Besprechung. Um 11.15 Uhr geht's Richtung Wilhelm-Langrehr-Stadion.
Wie viele Zuschauer sind erlaubt? Wie viele 05-Fans?
Der TSV Havelse hat vom Gesundheitsamt 1100 Zuschauer genehmigt bekommen, was nahezu einem Drittel des Gesamt-Fassungsvermögen von 3500 entspricht. Der FC 05 erhält als Gast 15 Prozent der Tickets, also 165. Die sind bereits seit Mitte der Woche ausverkauft.