Nach dem 2:0-Auftaktsieg über Aubstadt jubelte Michael Dellinger. Aber über einen Augenblick freute sich der Regionalliga-Stürmer des FC 05 Schweinfurt mehr als alles andere: "Es war das erste Mal, dass mich meine Mama live im Stadion hat Fußball spielen sehen. Als ich beim Aufwärmen ihr Gesicht gesehen habe, war das sehr emotional." Vielleicht erblickt er dieses Lächeln künftig öfter auf der Tribüne im Sachs-Stadion. Zu Aufsteiger SpVgg Hankofen-Hailing (Freitag, 18.30 Uhr) geht's für Dellinger und die Nullfünfer freilich ohne mütterlichen Beistand.
Aus gesundheitlichen Gründen, war für "Mike" Dellingers Mutter selbst der Weg zum TSV Aubstadt, seinem Ex-Verein, zu weit. "Weil ihr es nicht gut geht, wollte ich nach Schweinfurt." In die Heimatstadt, wo die Laufbahn nach Kinderstationen beim TV Oberndorf und der FT Schweinfurt in der U17 des FC 05 so richtig begonnen hatte. "Ich wollte auch mehr Zeit für meine beiden Kinder haben." Doch im Grabfeld wollte man den groß gewachsenen Mittelstürmer nicht so einfach gehen lassen. Es gab ein monatelanges Gezerre.
Als er im Mai seinen Entschluss, endgültig zu gehen, im Verein kommuniziert hatte, wurde er "suspendiert und wurde auch nicht verabschiedet – wie alle Spieler, die nach Schweinfurt gingen. Es waren immerhin neun, wohlgemerkt schöne Jahre in Aubstadt. Den Abgang hatte ich mir anders vorgestellt. Ich war doch Kapitän."
Sportlich sei der Entschluss die Saison über gereift: "Man hatte uns gesagt, was alles möglich sei. Als wir Erfolg hatten, hat man uns gesagt, wir könnten gar nicht aufsteigen. Da war klar: Es juckt gar keinen, wo man steht. Fußball spielen ohne Ziel, ist nicht schön. Für meine Heimatstadt zu spielen, macht mich noch besser. Beim FC 05 merke ich: alle träumen, alle hoffen." So etwas wie eine Euphorie, die sich am Freitag gespiegelt habe. Als seine Mutter sah, wie zahlreiche Fans ihn umringten und um Autogramme baten, "hat sie mir gesagt, wie stolz sie auf mich ist".
Zwei Achillessehnenrisse und ein Zwei-Tore-Comeback
Wie schnell die heile Welt im Fußball vorbei sein kann, weiß Dellinger. Beinahe ein Jahr hatte er nach zwei Achillessehnenrissen pausieren müssen. Im Mai 2022 machte es beim Aufwärmen zum Landespokal-Finale in Illertissen ratsch. Ein paar Wochen später nochmal auf einem Kindergeburtstag. Kindergeburtstag? "Ich hatte ein Kind auf dem Arm, bin einer Biene ausgewichen – und musste wieder operiert werden. Da denkst du: Das war's." Es folgte ein Traum-Comeback mit zwei Toren in zwei Kurzeinsätzen.
Dabei sagt Dellinger von sich selbst, dass er keinesfalls eine Kopie des in Fußball-Rente gegangenen Adam Jabiri sei: "Er war eine Torkanone. Ich bin kein Goalgetter. Ich messe mich eher am Pass zum Tor oder am Pass vor dem Pass zum Tor. Ich versuche, viel für die Mannschaft zu ackern. Ich habe nie viele Tore geschossen, aber die, die ich geschossen habe, waren oft wichtig." Gut: In Aubstadt waren es immerhin 69 Treffer in 196 Pflichtspielen.
Sein Trainer Victor Kleinhenz betont, dass man diesen Stürmer im Verein nicht nach Toren messe. "Jeder kann sehen, wie viele Meter Mike macht. Für die Gegner ist es dann schwer, einen geordneten Spielaufbau zu machen", sagt er über die körperliche Arbeit Dellingers auch außerhalb des Strafraums. Die der 31-Jährige seiner Basis-Fitness zuschreibt: "Die Verletzung hat den Körper geschwächt, aber ich kenne ihn und pflege ihn gut." Mit gesunder Ernährung? "Die ist mir egal. Durch den ganzen Stress kann ich essen, was ich möchte und habe trotzdem den niedrigsten Körperfett-Anteil in der Mannschaft."
FC 05 stellt sich auf lange Anreise ein und pausiert im Hotel
Geographisch ist Dellinger nie weit gekommen, war beim FC 05, beim Würzburger FV, in Aubstadt. Ist das jetzt die Zielgerade? "So hab' ich's mir ausgemalt", sagt der Fußballer, für den erst die Ausbildung, dann sein Beruf in der E-Mobilitäts-Abteilung eines Autoteilezulieferers Priorität hatte. Selbst fährt er kein E-Auto mehr: "Das mit dem Laden ist zu viel Stress, lieber Tankstelle."
Die Mannschaft fährt am Freitag erst mal Bus. Möglicherweise ziemlich lang, obwohl nur knapp 300 Kilometer weit ins Niederbayerische. Aber: Der Start in die bayerischen Sommerferien sorgt traditionell für Staus. Da der FC 05 damit Erfahrung hat, genehmigte Geschäftsführer Markus Wolf einen etwa vierstündigen Zwischenstopp in einem Tageshotel. Um 8 Uhr geht's in Schweinfurt los.
"Ich hoffe, dass wir aus dem Aubstadt-Spiel viel mit nach Hankofen nehmen können", sagt Kleinhenz, der ein ähnliches Geduldspiel erwartet. "Wir haben gesehen, wie man ein Abwehrbollwerk auflösen kann." Typische 1:1-Spieler wie Patrick Hofmann oder Martin Thomann sollen Überzahlen schaffen. Ob in der Siegerformation, lässt der Coach offen: "Ich bin kein Freund von 'never change a winning Team' – dafür sind zu viele Positionen bei uns zu eng zusammen."