Es sollte der schönste und größte Tag in der Geschichte des TSV Aubstadt werden, das Finale im bayerischen Toto-Pokal beim FV Illertissen. Am Ende fehlte "nur" das i-Tüpfelchen. Aber das Tor beim finalen Elfmeterschießen bäumte sich auf wie eine Festung, diesmal besonders vor den Schützen der Aubstädter. Die Erstürmung wie gegen den TSV 1860 München blieb ihnen versagt, der TSV Aubstadt verlor 4:5 (1:1, 0:0) nach Elfmeterschießen.
Etwa 500 Mitgereiste werden diesen 21. Mai 2022 aber wohl nie vergessen. Um 10 Uhr setzte sich der Konvoi von acht Bussen, hinzu kamen viele PKW, in Bewegung. An der Heckscheibe bei jedem der Busse das Plakat: "TSV-Aubstadt Pokal-Express – mir senn dabei."
Acht Busse voll mit Fans begleiten den TSV Aubstadt: Gesänge bis nach Illertissen
Dem ehemaligen TSV-Vorsitzenden Wolfgang Köhler funkelten selbst nach dem Spiel noch die Augen, als er beschrieb, "wie wir auf dem Autohof Wörnitz eingerollt kamen. Wir waren ja die ganze Fahrt im Konvoi verblieben. Hurra, hurra, die Aubstädter sind da, hallte es über das Areal". Im Lokal war natürlich kein Platz für so viele. Aber Bänke und Tische in den Bussen und hinter einem ein Anhänger voller Proviant, Brotzeit aus dem Hänger.
Gemeinsam geübt wurden die Schlachtrufe, Gesänge und die ganze Choreografie. Egon Pfister aus Herschfeld war im Hofheimer Bus, der von Poppenlauer kommend überwiegend mit Fans aus der Region Oberer Haßgau gefüllt war: "Es war einmalig, Gesänge von Poppenlauer bis Illertissen. Sage da einer was über die Jugend: kreativ, leidenschaftlich und doch anständig."
Die Fans des TSV Aubstadt machen Stimmung im Vöhlin-Stadion
Dann ging es auf die letzte Etappe nach Illertissen zum Vöhlin-Stadion, hinein in den Gästeblock. Die Roten aus Aubstadt genossen die stimmungsmäßige Übermacht. Mit mehr als 1000 Zuschauern hatten wir nicht gerechnet, war am Medienstand der Blauen vom FV Illertissen zu erfahren. Ohne die rund 200 Kinder mit Tröten und anderer Lärmtechnik wäre der Rest der 1620 Zuschauenden total untergegangen.
Endspiel-Stimmung kam aber auch wirklich erst mit den Gästen aus dem Grabfeldgau in das weitläufige Areal von Leichtathletik-Stadion, das telegen aufgemotzt war, mit maximaler Werbung auf den LED-Banden.
Vom Bayerischen Fußball-Verband war wirklich an alles gedacht, ließ man viel Erfahrung der vergangenen Jahre einfließen. Nach dem Motto "wehret den Anfängen" erstickte die mit Strafandrohungen gewürzte Ansage des BFV-Stadionsprechers bereits den kleinsten Hauch von Qualm, weit entfernt von Pyrotechnik, die gegenwärtig durch die großen Arenen des Landes schwelt.
Michael Dellinger reißt sich beim Warmmachen die Achillessehne
Steigerung der Vorfreude, als die Fußballer sich lang und intensiv auf ihren Job vorbereiten, warm machen, um Verletzungen vorzubeugen. Dann exakt 18 Minuten vor dem Anpfiff große Aufregung auf der TSV-Platzhälfte. Michael Dellinger war beim allerletzten Sprint zusammengebrochen. Einige Mitspieler wollen den Riss der Achillessehne gehört haben.
Tränen überströmt lag der Hoffnungsträger für Aubstädter Tore auf dem Rasen. Und sagte hinterher, gestützt auf Gehhilfen: "Ich bin hoch gehüpft, heruntergekommen, dann hat es geknallt. Ich habe die Sehne nicht mehr gespürt, konnte keinen Schritt mehr laufen. Ich dachte erst, mir ist jemand auf den Fuß getreten, weil es so laut war."
Also wenn schon Stimmung, dann auch negative: Die Mannschaft wirkte natürlich erst mal wie gelähmt. Der Mannschaftsarzt Dr. Peter Trus sagte dazu: "Das war natürlich ein besonderer Schlag gegen die Psyche unserer Spieler. Damit musst du erst im Kopf mal klarkommen. Viele haben es ja knallen gehört. Das hat sich nicht nur auf den Beginn, sondern aufs ganze Spiel ausgewirkt."
Björn Schönwiesner rückt für Michael Dellinger in die Startelf des TSV Aubstadt
Die Trainer mussten schnell reagieren. "Für so was hat man kein Patentrezept in der Schublade", gestand Victor Kleinhenz. Björn Schönwiesner rückte kurzfristig in die Startelf. "Natürlich freut man sich, wenn man in so einem Spiel reinkommt", räumte er ein. "Aber so wollte ich das wirklich nicht. Es ging dann alles ganz schnell. Aufgewärmt ist man als Reservist schon, aber anders, als wenn man in der Startelf ist. Im Kopf war das, für mich aber kein großes Thema."
Bei der Bekanntgabe der Aufstellung wurde Dellinger noch verlesen, erst später mit "Schönwiesner" korrigiert: nach dem Abspielen unter vereinzeltem Mitsingen der Bayern-Hymne und nach einem Appell gegen den Krieg und für den Frieden.
"Sehr enttäuscht" wie nie erlebte man die Trainer Victor Kleinhenz und André Betz, aber auch Christopher Bieber nach dem Spiel. Bieber hatte ja einen der zwei Elfmeter vergeben: "Das tut mir auch unendlich leid für die Jungs, es ist schon sehr, sehr bitter. Aber so ist es im Leben. Man muss Entscheidungen treffen. Es muss trotzdem weitergehen."
Für die Busreisenden ging es auch weiter. So sehr enttäuscht wirkten sie aber nicht, als sie das Vöhlin-Stadion und den gastronomischen Bereich Richtung Busparkplatz verließen – und sangen: "Ohne Aubstadt wär´ hier gar nix los."