Er war ein Entertainer, ein Hansdampf in allen Gassen. Sänger, Moderator, Faschingsnarr. Und hat zwischen 2013 und 2015 seinen Lebensmittelpunkt noch einmal komplett neu ausgelotet. Eine schwere Krankheit hat aus dem Schweinfurter Unikum Peter Fabian einen besonnenen Mann gemacht, der die Ruhe seiner Wahlheimat Oberstdorf, wo er seit 17 Jahren lebt, zu schätzen weiß. 2001 hat der ehemalige lokale Studioleiter des Senders TV Touring dem FC 05 Schweinfurt zum Aufstieg in die 2. Fußball-Bundesliga ein Lied geschrieben: "Grün-weiß sind unsere Farben" – ein Gassenhauer mit viel Humor und Wiedererkennungswert, der unter den Fans längst Kult-Status genießt.
"Olé, olé, wir sind die Schnüdel vom Mee. Eins, zwei, drei, vier - Eff Zeeeeeh 05." In der Einfachheit des Refrains lag und liegt die Macht der Worte aus der Feder von Karl-Heinz Spitzner, wie der Gochsheimer wirklich heißt. Seit 1986, als der heute 65-Jährige für den 1. FC Nürnberg das mit 10 000 Singles verkaufte Stadionlied "Wir fahren zum Club" geschrieben hatte, trägt er dieses offiziell eingetragene Pseudonym. An dessen Entstehung eine falsch programmierte Musicbox Mitschuld trägt: Spitzner, gerade mit seinem Produzenten auf Namenssuche, hatte einen Hit von Ted Herold gewählt. Stattdessen lief "Wie ein Tiger" von Peter Kraus. Das Original von 1960 sang Fabian ("Like a Tiger") – Spitzner grübelte kurz und hieß fortan Peter Fabian.
Kurz vor Weihnachten sprachen die "beiden" mit dieser Redaktion über Fußball, Musik, Kommerz, Tradition und Werte. Über "ihre" Enkelin Emilia, ein Kindheitsbuch und natürlich über den unvergessenen Stadion-Hit, den es übrigens nie auf CD gegeben hat, sondern lediglich in einer Kleinauflage auf Kassette.
Peter Fabian: Die Grundidee hatte der damalige Präsident Gerhard Hertlein, der ein zeitloses Stadionlied wollte. Ich legte Wert darauf, dass das ganze Gedöns nicht stattfindet wie "ewig Meister sein". Der Fußballsport ist eine charmante Hure: Du kannst in die Höhepunkte gehen, aber auch in ein ewiges Tal der Tränen. Man muss als Texter Verantwortung den Fans und dem Verein gegenüber tragen. Es ist unmoralisch, sie mit falschen Zeilen der Lächerlichkeit preiszugeben.
Fabian: Man muss den Nerv der Leute treffen. Das ist eine Gratwanderung zwischen genialer Einfachheit und stumpfer Simplizität, ein Zwischending aus "Die kleine Kneipe" und "Polonaise Blankenese". Als ich an Texten für die Wildecker Herzbuben gearbeitet habe, habe ich plötzlich in meine Schreibmaschine getippt "Grün-Weiß sind unsere Farben" - der Anfang. In der Nacht bin ich aufgestanden, habe den Rest mit Kuli hingekrakelt. Erst dann hat ein befreundeter Komponist die musikalische Auflösung gefunden. Wir haben das Lied so konzipiert, dass man es als Tor-Jingle verwenden konnte. Mich hatte es immer aufgeregt, wenn beim Torjubel der French Can Can gespielt wurde, oder zum Einzug Vangelis. Ich wollte etwas, womit man sich identifizieren kann.
Fabian: Der Umgang mit Tradition ist ein deutsches Problem. Wir stoßen unsere Helden vom Sockel, tauschen Vorbilder schnell aus. Ich halte Werte wie Tradition für wichtig. Man darf sie nur nicht als Deutschtümelei verstehen. Gäbe es das legendäre Schweinfurter Nationalspieler-Duo Kitzinger/Kupfer nicht, hätte Fußball hier einen anderen Stellenwert. Ich habe 1991 bei der 1200-Jahr-Feier der Stadt mit dem Manager der Band Erste Allgemeine Verunsicherung (EAV) gesprochen, ihn gefragt, wie er sich in Schweinfurt fühle. Er antwortete: In der Stadt der Schnüdel, von Kitzinger und Kupfer fühle er sich als Fußball-Fan geborgen. Auch ich mache meine Verbundenheit zum FC 05 an der Tradition fest. Ich war als Siebenjähriger mit dem Papa das erste Mal im Stadion.
Fabian: Sehr groß. Jeden Samstag ist der Bildschirmtext Pflicht. Ich will wissen, wie die Schnüdel gespielt haben. Ich tausche mich mit Freunden aus. Ich weiß Bescheid und die Entwicklung fasziniert mich. Immer noch sagen mir Freunde: 'Ich habe dich gehört im Stadion.' Zum 50. Geburtstag hat mir einer ein Paket mit 05-Utensilien geschickt. Vom FC 05 hatte ich 2001 ein Trikot bekommen mit allen Unterschriften. Diese Mannschaft war etwas Besonderes. An das, was danach rund um die Insolvenz passiert ist, darf man gar nicht denken. Aber da ist der FC 05 kein Einzelfall. Vielen Traditionsvereinen geht das so: Wenn sie die Nase herausstrecken, springen irgendwelche Kreaturen auf den Zug. Deswegen interessiert mich Profifußball nicht mehr.
Fabian: Der Fan-Hype. Wir waren nicht so verrückt damals, aber wir haben uns unsere Helden bewahrt. Ich bin stolz darauf, dass ich noch einen Max Morlock kennenlernen durfte oder für TV Touring ein Interview mit Ander Kupfer zu seinem 80. Geburtstag führen. Früher waren von 25 Spielern beim Club 15 Franken. Heute wird nur noch Personal hin- und hergeschoben. Ich ertrage die Summen nicht. Kein Mensch auf der Welt ist 120 Millionen Euro wert. Fußball ist am ehrlichsten auf den Amateurplätzen. Da geben die Spieler den Fans vieles zurück. Und tragen ihre Sporttaschen selbst.
Fabian: Für einen neuen Text zur alten Melodie würde ich mich wohl hinsetzen, wenn man auf mich zukäme. Aber einsingen würde ich das nicht mehr. Das sollte ein Jüngerer machen. Aber es sollte generell besser ein neues Produkt geschaffen werden. Es können ja alle Songs nebeneinander existieren. Mir wäre die Freude genug, dass der Verein aufsteigt.
Fabian: Ich glaube, diese Chance gab es nie. Der Wahnsinn ist nicht dem Weltfußball selbst geschuldet. Das größte Gift sind für mich die TV-Medien, auch die öffentlich-rechtlichen. Sie bewerten den Fußball derart über und legen jede geforderte Summe auf den Tisch für Erst-, Zweit- und Drittrechte an irgendeinem Gebimbel. Dann gibt es ständig Fußball-Übertragungen mit 17 Experten, von denen man die Hälfte nicht kennt. Im Gegenzug wird gespart am restlichen Programm. Da wird der Medien-Staatsvertrag massiv unterlaufen, nur um den Moloch Fußball zu füttern.
Fabian: Oh, die Tantiemen. Damit ich mir ein Haus davon bauen könnte, müsste man "Grün-weiß sind unsere Farben" 1,4 Millionen Jahre spielen. Die monatlichen Gema-Rückflüsse bewegen sich im Cent-Bereich. Alle paar Jahre reicht's für eine Schachtel Zigaretten.
Fabian: Ein bisschen. In Sonthofen gibt es eine kuschlige Kleinkunstbühne. Da habe ich ein autobiografisches Weihnachtsprogramm aufleben lassen. Aber ich schreibe zu Fasching nicht mehr für die ESKAGE (Erste Schweinfurter Karnevalsgesellschaft), was ich 30 Jahre lang gemacht habe. Auch leite ich nicht mehr das Restaurant in Oberstdorf, das ich zusammen mit meiner Frau und meinem Schwager hatte. Dort hatte ich für musikalische Unterhaltung und fränkische Kabarettabende gesorgt. Dann hat es mich 2013 erwischt, absolutes Nierenversagen. Nach zwei Jahren an der Dialyse bekam ich am 22. April 2015 eine Niere von meiner Frau gespendet und wurde erfolgreich operiert. Vor sechs Jahren wurde meine Enkelin Emilia geboren. Seitdem bin ich in erster Linie Opa.
Fabian: Es macht entschieden mehr Sinn, seine Zeit in die Entwicklung eines kleinen Kindes zu investieren als in so viele überflüssige Dinge. Emilia ist der größte lebende Karl-Geiger-Fan, mit ihr gehe ich zur Vierschanzentournee und sie hat das hellste und lauteste 'Ziiiiieeeeehhhhhh', das ich je gehört habe. Ein toller Sport übrigens. Wir wohnen direkt neben dem Sportgymnasium, da grüßen dich alle. Auch Weltmeister wie Kombinierer Johannes Rydzek oder Springerin Katharina Althaus, Menschen, die ihren Sport mit Leidenschaft ausüben. Um ihres Sportes willen. Sport ist etwas Wunderbares, man darf ihn nur nie überbewerten.
Fabian: Die steht an Nummer eins. Ich schreibe jetzt ein Buch über meine Enkelin: "Emilia und ich". Ich will unsere Kindheiten gegenüberstellen. Es ist so schön, zu sehen, wie behütet sie aufwächst. Meine Kindheit in Gochsheim war für die damalige Zeit schön, aber ich hatte andere Erlebnisse. Sechs Wochen vor meinem sechsten Geburtstag habe ich meinen Großvater gefunden – am Baum hängend. Da zieht es mir die Gänsehaut auf, wenn ich sehe, dass meine Enkelin die Chance hatte, an ihrem sechsten Geburtstag mit ihrem Opa zu spielen.
Fabian: Gut. Wir sind alle geimpft. Ich würde mich selbst gegen Erdbeben impfen lassen, wenn das ginge. Ich war als Nieren-Patient auf der Intensivstation. Ich habe gelernt, wie schön die Welt und das Leben sind. Den Impfverweigerern sage ich: In einem völlig übersättigten Land hat man leicht demonstrieren, echte Probleme und Nöte kennt man da zu wenige.
Fabian: Ja. Und nicht nur er. Schuld sind diese Sozialen Medien. Da müsste viel schärfer durchgegriffen werden. Es kann nicht sein, dass ein "Batman 23" Menschen öffentlich beleidigen kann. Wenn Identitäten sofort erkennbar wären, würden Menschen weniger radikal miteinander umgehen. Aber die Gesellschaft verliert ohnehin Maß und Ziel. Plötzlich sind auf der anderen Seite viele Lebensbereiche übermäßig reglementiert. Kindergärten gleichen einem Hochsicherheitstrakt. Bei uns war neben dem Kindergarten ein See. Wenn ich durch die Hecke ausgebüxt bin, bin ich auch ein paar Mal in den See gefallen. Da war man nass und ist geschimpft worden. Heute würden sich drei Rechtsanwaltskanzleien damit beschäftigen. Eine verrückte Welt.
Der Text zum Lied
Wir geben unser Bestes in jedem Stadion.
Und wenn die Fahnen wehen und wenn ein Tor gelingt,
dann singt das ganz Stadion, ja hört nur wie es klingt.
Eins, zwei, drei, vier – FC 05.
Ole, ole, ole, ole, wir sind die Schnüdel vom Mee.
Eins, zwei, drei, vier – FC 05.
Wir geben unser Bestes, auch unser Ehrenwort.
Und läuft's auch mal daneben, dann feuert ihr uns an.
Denn Schweinfurts Fußballfreunde sind unser zwölfter Mann.
Eins, zwei, drei vier – FC 05.
Ole, ole, ole, ole, wir sind die Schnüdel vom Mee.
Eins, zwei, drei, vier – FC 05.
Ich freue mich jedes mal wenn das Lied im Stadion gespielt wird, finde es aber schade das
es immer mehr zum abgehackten stückel Lied verkommt.
Vielleicht liegt es aber auch nur an der Technik im Stadion.
Zumindest kann ich mich erinnern, das der Song von Confect "FC Schweinfurt ist mein Leben..." im Aufstiegsjahr prominent im Stadion vorgestellt wurde. Da wäre es doch sehr ungewöhnlich wenn "Grün-weiß sind unsere Farben" von Peter Fabian nicht ebenfalls damals so vorgestellt worden wäre. Vor allem waren im Jahr 2000 CDs eigentlich schon lange Standard und Musikkassetten nahezu ausgestorben.
Ansonsten gefallen mir das Interview bzw. die Ansichten von Peter Fabian sehr gut! Ein tolles Interview mit interessanten Fragen und ebensolchen Antworten.
Ich habe es sogar auf Kassette (!).
Ich vermute Mitte der 90er Jahre.
2001 ist definitiv falsch.