Rund 30 Zentimeter unterm grauen Scheitel steht auf der immer noch gut trainierten Brust: „Alles ist erlaubt“. Auch, dass Klaus Eberhartinger anfangs aus einem und zum Ende in einen Sarg steigt. Und ein Banküberfall eh. Den gibt's gleich zu Beginn. Genauso ungestraft wie „Huga-haga-huga“- oder „Brumm-dada-brumm“-Reimereien. Alles ist erlaubt – wenn die Erste Allgemeine Verunsicherung nach gut 40 Jahren „servus und baba“ sagt. Über zweieinhalb Stunden Hits, Klamauk und Biss am Stück – feiert dieser Eberhartinger im Sommer wirklich seinen 69.?
Ja, tut er. Da darf man schon mal in Rente gehen. Aber nicht, ohne zuvor noch einmal auf einer ausgedehnten Tournee ausgiebig zu granteln und herumzutollen. 1500 Fans zollen im Würzburger Congress Centrum der Wiener Kabarett-Rockband Respekt. Klaus Eberhartinger ist und bleibt der Meister der Minimal-Verkleidungen. Ein anderes Jäckchen, eine Kopfbedeckungen – fertig ist die Maskerade für die kleinen Theaterstücke. Solche sind die Songs der EAV. Und die Würzburger sind ein aufmerksames Publikum, lassen sich von Blödel-Hits wie „Küss die Hand, schöne Frau“ nicht zu Tänzeleien hinreißen. In den meisten Texten ruhen die Botschaften nämlich in den Zwischentönen, wollen erst entdeckt werden.
Nach der launigen Begrüßung („in meinem Alter sollte man öfter in den Blumentopf greifen, damit man sich an die Erde gewöhnt“) wird kurz in der, den Massen verborgenen, Anfangszeit gekramt, ehe ein grandioser Streifzug durch die Band-Historie folgt. Wenn Eberhartinger mit Sonnenbrille und Mafioso-Hut „Heiße Nächte in Palermo“ anstimmt, darf die legendäre Zeile „und a klana Sizilianer fangt a zum wana“ nicht fehlen. „Der Trick der Politik“ verrät, wie eine Hand die andere wäscht – und die Bürger am End' die Eing'seiften sind. Bei „Geld oder Leben“ geht das Licht aus. „Das ist die Energiewende: Tanken draußen acht Elektroautos, haut's die Sicherung raus.“
Doch die EAV, die sich in Deutschland – anders als in der Heimat – immer zu sehr reduziert auf ihre Klamauk-Nummern wahrgenommen hat, kann auch politisch: „Am rechten Ort“ initiiert eine gesellschaftskritische Runde. Zum Hohen Lied auf die Dankbarkeit darf die Band tüchtig bluesen, allen voran Leadgitarrist Thomas Spitzer, das einzig verbliebene Gründungsmitglied. Zwischen ein paar Stamperln Schinkenhäger wird über die „Toleranz“ („tolerieren heißt längst nicht akzeptieren“) philosophiert, anschließend durch das „Neandertal“ der Rechten gerockt.
Und Wiener wären nicht Wiener, wenn sie nicht ein bisserl lieber als andere sterben täten. In der rührenden Liebesgeschichte des „Sandlerkönig Eberhard“ oder in „Der Tod“ – „gschturm is gschturm, sagt der Wurm“. Doch der Sargdeckel klappt nur für kurze Zeit zu. Vier Zugaben gibt's und nach dem „Märchenprinz“ final „Morgen, ja morgen, fang ich ein neues Leben an“ – man glaubt's Eberhartinger aufs Wort, dass dies der meistgebrochene Schwur der Männer ist. Wunderbar leise, dieser letzte Schritt von der Bühne.