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Schweinfurt
Der Aufstieg und Fall des FC 05 Schweinfurt
Im Mai 2001 ist die Regionalliga-Meisterschaft des FC 05 perfekt. Im Rahmen unserer Serie "75 Jahre Main-Post" blicken wir zurück auf das Fußball-Märchen, das kein Happy End fand.
Hoch die Tassen: In der Kabine feiern die Schweinfurter (von links) Jürgen Hein, Dieter Wirsching, Matthias Gerhardt, Josef Tuma, Steffen Rögele und Velivor Teofilovic am 26. Mai 2001 den Aufstieg in die 2. Bundesliga. Zuvor hatten sie 1:1 in Burghausen gespielt, das reichte gerade so.
Foto: Clemens Tepper | Hoch die Tassen: In der Kabine feiern die Schweinfurter (von links) Jürgen Hein, Dieter Wirsching, Matthias Gerhardt, Josef Tuma, Steffen Rögele und Velivor Teofilovic am 26. Mai 2001 den Aufstieg in die 2. Bundesliga.
Michi Bauer
 |  aktualisiert: 08.02.2024 17:26 Uhr

26. Mai 2001, Samstagnachmittag, kurz nach Vier, Wacker-Arena in Burghausen. Es steht 1:1. Das reicht den Gastgebern zum Klassenerhalt in der Fußball-Regionalliga Süd. Und das reicht dem FC 05 Schweinfurt zum Aufstieg in die 2. Bundesliga. Aber es läuft erst die 80. Minute. Und im Parallel-Spiel würde Trier ein Tor gegen die Reserve des VfB Stuttgart genügen, um die Nullfünfer wieder zu überholen. Die gehen das Risiko ein, spielen mit Burghausen die "Schande von Gijon" zwischen Deutschland und Österreich nach. Endloses Ballgeschiebe und zehn Minuten später ist es Gewissheit: Die "Schnüdel" sind hinter Meister Karlsruhe und dem nicht aufstiegsberechtigten VfB Dritter und damit Zweitligist.

Das Fußball-Wunder aus Franken

Am Abend warten 300 Fans am Willy-Sachs-Stadion auf den Mannschaftsbus, in dem überwiegend Glatzköpfe sitzen. Die meisten Spieler haben sich noch in Burghausen im Überschwang einer feuchtfröhlichen Kabinen-Sause die Haare abrasieren lassen. Es wird eine lange Nacht. Schließlich hat die Mannschaft wahrhaft Großes geleistet. Ende April schienen die Schweinfurter in die Bayernliga abgestiegen, in der darauf folgenden Saison schafften sie als eine im Grundgerüst von Trainer Djuradj Vasic regional zusammengesetzte Mannschaft, ohne großen Namen, das Fußball-Wunder.

Die Heimkehr der 'Helden': Am Abend des Burghausen-Spiels feiern 300 Fans vor dem Willy-Sachs-Stadion den Zweitliga-Aufstieg zusammen mit der Mannschaft.
Foto: Clemens Tepper | Die Heimkehr der "Helden": Am Abend des Burghausen-Spiels feiern 300 Fans vor dem Willy-Sachs-Stadion den Zweitliga-Aufstieg zusammen mit der Mannschaft.

Mit Steffen Rögele, Heiko Gröger, Dieter Wirsching, Matthias Gerhardt, Ralf Scherbaum, Steffen Stockmann, Dirk Dorbarth, Florian Galuschka, Jürgen Hein, Cristian Tremel, Daniel Rinbergas und Thomas Gerhardt stehen zehn Unter- und Oberfranken im Kader. Rögele ist auch der überragende Spieler der Saison und der einzige Akteur neben dem kaum weniger starken Müjdat Karagöz, der alle 34 Partien absolviert hat. 

Die Aufstiegsmannschaft nach dem 1:1 in Burghausen am letzten Spieltag. Die auffallend hohe Zahl an Glatzköpfen beruht auf einer Rasier-Aktion während der feuchtfröhlichen Kabinen-Feier.
Foto: Clemens Tepper | Die Aufstiegsmannschaft nach dem 1:1 in Burghausen am letzten Spieltag. Die auffallend hohe Zahl an Glatzköpfen beruht auf einer Rasier-Aktion während der feuchtfröhlichen Kabinen-Feier.

Erste Siege locken die Fans in Massen

Der 26. Mai 2001 ist ein besonderer Tag für den FC 05, der zuvor zwar von 1945 bis 63 in der erstklassigen Oberliga Süd, nach der Bundesliga-Gründung jedoch nur von 1974 bis 76 und 1990/91 in der Zweiten Liga gespielt hatte. Es ist aber auch ein Tag, der die Zukunft des Vereins verändert. Auch wenn es zunächst für einen Aufsteiger gut losgeht. Im ersten Heimspiel vor 7205 Zuschauern ein 2:1 gegen Saarbrücken, im zweiten vor 11 516 Fans ein 1:0 gegen Bielefeld, nach zehn Spielen nur vier Niederlagen bei zwölf Punkten. Dieses zehnte Spiel aber ist ein erster Knick: Nach 3:0-Führung "nur" 3:3 gegen Bochum.

Ein magischer Abend: Ermin Melunovic (links) erzielte in der 2. Bundesliga beim 4:2 über LR Ahlen alle vier Treffer. Am Ende der Saison brachte es der aus Mainz gekommene Stürmer auf 15 Tore.
Foto: Clemens Tepper | Ein magischer Abend: Ermin Melunovic (links) erzielte in der 2. Bundesliga beim 4:2 über LR Ahlen alle vier Treffer. Am Ende der Saison brachte es der aus Mainz gekommene Stürmer auf 15 Tore.

Die sportliche Talfahrt folgt. Daran kann auch das legendäre 4:2 über Ahlen im TV-live-Spiel an diesem magischen Montagabend Ende November nichts ändern, als der kurz vorher verpflichtete Ermin Melunovic alle vier Treffer erzielt. Als Absteiger stehen die Schweinfurter Mitte der Rückrunde fest – nach sieben sieglosen Partien im neuen Jahr 2002. Auswärts sammeln die 05er letztlich nur ein Pünktchen, die größte Abfuhr gibt's beim 0:6 in Hannover vor 42 000 Fans. 

Die Leiden des Trainers: Djuradj Vasic hatte in der Zweitliga-Rückrunde, in der die Schweinfurter nur noch einmal gewannen, keinen angenehmen Job. Der Zauber des Aufstiegs war verflogen.
Foto: Kunz | Die Leiden des Trainers: Djuradj Vasic hatte in der Zweitliga-Rückrunde, in der die Schweinfurter nur noch einmal gewannen, keinen angenehmen Job. Der Zauber des Aufstiegs war verflogen.

So was darf einem Aufsteiger passieren. Doch der sportliche Abstieg findet einen fiesen Begleiter: eine Finanzkrise, im Schlepptau windige Geschäfte. Die Insolvenz der TV-Vermarktungsgesellschaft Kirch-Gruppe hatte den Verein immerhin einen hohen sechsstelligen Betrag an im Etat fest eingeplanten Fernsehgeldern gekostet. 2002/03 dümpelt der FC 05 durch die Regionalliga Süd, doch bereits im April 2003 erreicht Schweinfurt die Aufforderung der Deutschen Fußball-Liga (DFL), für die Lizenzerteilung nachzubessern. Im Mai kündigt der damalige Präsident und Geldgeber Gerhard Hertlein nach seiner Wiederwahl an, dass er zusammen mit dem neuen Vize, einem bisher in Schweinfurt unbekannten Schwaben, den mit 900 000 Euro verschuldeten Verein aufpäppeln werde.

Sportredakteur als unerwünschte Person 

Besagter Schwabe, von dem sich zuvor der VfR Aalen nach Differenzen wegen eines Sponsoring-Konzepts getrennt hatte, verspricht die Vermittlung eines Hauptsponsors. "Wunderheiler oder Windei?", titelt die Main-Post. Deren Sportredakteur Michael Bauer, der nach intensiven Recherchen die Finanzkraft einer ominösen Geldgeberin in Frage stellt, gilt wenig später beim Spiel- und Trainingsbetrieb als unerwünschte Person. Und berichtet trotzdem.

"Wunderheiler oder Windei?"
Main-Post-Überschrift zum Text über den neuen FC-05-Hauptsponsor im Jahr 2003

Zum Beispiel über diese "Sponsorin", eine damals 64-Jährige, die einmal Minitrikots für Autofenster erfunden hat und wegen angeblichen Verstoßes gegen Patentrecht auf rund 250 000 Euro Schadensersatz klagt. Die sollen in den FC 05 fließen. Virtuelles Geld. Das Unternehmen ist nach einer Insolvenz aus dem Handelsregister gestrichen, privat hat die Frau ihre Mittellosigkeit eidesstattlich versichert. Doch Hertlein sagt: "Wir haben einen Vertrag."

Entzug der Regionalliga-Lizenz

Der reicht der DFL für die Lizenzerteilung. Nur bleibt das Geld aus, die Schulden wachsen 2003 auf über 1,5 Millionen Euro. Gehaltsschecks platzen, der Ärmelsponsor, ein Vermarkter chinesischer Nahrungsergänzungsmittel, zahlt nicht. Weitere angebliche Investoren wie der Vertreiber von Energy Drinks oder ein thailändisches Medienunternehmen entpuppen sich als  Fantasterei. Mitte Juni 2004 steht es fest: keine Regionalliga-Lizenz mehr für den FC 05.

Retter in der Not: FC-05-Notvorstand Thomas End (links) und Gutachter Bruno Fraas, der spätere Insolvenzverwalter, stufen Ende 2004 das Überleben des Klubs als wahrscheinlich ein.
Foto: Marion Wetterich | Retter in der Not: FC-05-Notvorstand Thomas End (links) und Gutachter Bruno Fraas, der spätere Insolvenzverwalter, stufen Ende 2004 das Überleben des Klubs als wahrscheinlich ein.

Die neue Mannschaft, durch nicht nachvollziehbaren Geldfluss erstaunlich stark besetzt, verkauft sich später in der Bayernliga zunächst ordentlich, muss sich neue Trikots jedoch selbst kaufen. Plötzlich wird offen von Insolvenz geredet. Im September 2004 erhält der FC o5 eine Räumungsklage für die Geschäftsstelle. Präsident und Stellvertreter legen ihre Ämter nieder, ein "Zukunftsteam" um den späteren Vorsitzenden Edgar Gleinser übernimmt. Das Minus im Herbst 2004 beträgt zwei Millionen Euro, Notvorstand Thomas End stellt den Insolvenzantrag. Der Rest ist eine unsägliche Schmierenkomödie, die in der Räuberpistole gipfelt, dass ein Geldbote angeblich überfallen und beklaut wird. Wenig später wird das Insolvenzverfahren eröffnet. Im März 2005 akzeptiert die Gläubigerversammlung den Insolvenzplan bei zwei Prozent Vergleichsquote und ermöglicht so den Fortbestand des FC 05.

Die erste Vorstandschaft nach der Insolvenz wird im Mai 2005 gewählt. Hinten von links: Peter Galm, Michael Kittel, Sven Schröter, Jürgen Marten; vorne: Rudolf Löhnert, Edgar Gleinser und Stefan Funk.
Foto: Marion Wetterich | Die erste Vorstandschaft nach der Insolvenz wird im Mai 2005 gewählt. Hinten von links: Peter Galm, Michael Kittel, Sven Schröter, Jürgen Marten; vorne: Rudolf Löhnert, Edgar Gleinser und Stefan Funk.

Ach, ja: Sportlich spielen die Schweinfurter nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit einer Mischung aus A-Jugendlichen und Oldies (darunter Redakteur Bauer) die Saison außer Konkurrenz mit Anstand und sogar einem Sieg zu Ende, um im Sommer 2005 zum 100. Geburtstag in der Landesliga neu anzufangen. Drei Jahre nach dem Zweitliga-Abstieg.

Hart aber fair: Selbst Mainpost-Sportredakteur Michael Bauer spielt in der Insolvenz-Zeit für den FC 05 Schweinfurt, der die Bayernliga außer Konkurrenz zu Ende bringen muss, um wenigstens in der Landesliga neu starten zu dürfen.
Foto: Michael Kittel | Hart aber fair: Selbst Mainpost-Sportredakteur Michael Bauer spielt in der Insolvenz-Zeit für den FC 05 Schweinfurt, der die Bayernliga außer Konkurrenz zu Ende bringen muss, um wenigstens in der Landesliga neu ...

Weitere 15 Jahre später, steht der FC 05 Schweinfurt aktuell auf Platz zwei der Regionalliga Bayern – und finanziell auf solidem Fundament. Unter dem Vorsitzenden Markus Wolf, der auch Hauptsponsor ist, hat sich der Verein wirtschaftlich konsolidiert und strebt die Rückkehr in den Profifußball an. In der durch die Corona-Krise unterbrochenen Saison 2019/20 wird der Aufsteiger in die Dritte Liga nach dem aktuellen Tabellenstand benannt werden. Sollte der noch zaudernde Spitzenreiter Türkgücü München verzichten, wären die Nullfünfer Nachrücker.

 
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Kommentare
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  • heinrich.juestel
    Die Schnüdel waren nach Gründung der Bundesliga bis 1976 zweitklassig, auch wenn die Zweite Liga von 1963 bis 1974 Regionalliga Süd hieß. An die Aufstiegsspiele gegen Rot-weiß Essen und den FC St. Pauli kann ich mich noch lebhaft erinnern.
    Wie immer nicht anonym,
    sondern MfG
    Heinrich Jüstel
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  • mueller-heidingsfeld@t-online.de
    Mich interessiert die Geschichte mit dem bestohlenen Geldboten. Unglaublich. Gibt es dazu mehr Details?
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  • dieterpopp
    Der FC 05 hat nicht in der Saison 1976/77 in der 2. Liga gespielt, sondern war 1974 Gründungsmitglied der damals noch zweigeteilten 2. Liga, wäre 1975 fast in die 1. Liga aufgestiegen und ist 1976 abgestiegen.
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