Die Talentschmiede mit Herz – so titelte das Stadionheftchen. Herz. Das hatte der TSV 1860 Rosenheim am Ende tatsächlich. Mit dem 2:2 (0:1) gegen den FC 05 Schweinfurt wahrten die abgeschlagen auf dem letzten Platz liegenden Oberbayern eine Woche nach dem 4:0 in Bayreuth ihre theoretische Minimalchance auf den Klassenerhalt in der Fußball-Regionalliga Bayern. Und deckten dabei gnadenlos auf, woran es den Gästen auf ihrer sportlich immer schludriger werdenden Saison-Schlussphase mangelt: an Charakter und eben Herz. "Ich schreie eine Mannschaft nicht gerne an, aber diese hat's verdient" – 05-Trainer Jan Gernlein fand's am Ende nur noch "nervig".
"Das war das letzte Mal, es macht keinen Spaß mehr", fauchte der Schweinfurter Stürmer Florian Pieper, der ohnedies am Saisonende aus persönlichen Gründen aussteigt, beim finalen Kabinengang. "Er ist eben noch ein typischer Teamplayer, der sich in so einer Mannschaft nicht mehr wohlfühlt", erklärte Gernlein den Gefühlsausbruch. Der seinen Ursprung in einem unübersehbaren Egoismus einiger Mitspieler hatte, die "lieber selbst ein Tor machen, statt den besser Postierten mitzunehmen". So analysierte der Coach den abermals leichtfertigen Umgang mit besten Chancen. "Wenn man sie jede Woche nicht nutzt, dann ist das kein Pech, dann fehlt einfach die Qualität."
Nur Oldie Adam Jabiri und Youngster Elias Reiher treffen
Dabei schienen die Nullfünfer anfangs gewillt, sich für das 1:2 in Rain zu rehabilitieren. Druckvoll, schnell, zielstrebig – eigentlich war angerichtet, den Gegner, den man im Hinspiel mit 8:0 deklassiert hatte, erneut klar zu bezwingen. Amar Suljic und Kristian Böhnlein scheiterten bei einer Doppelchance (9.), auch Malik McLemore (28.), kurzfristig für den angeschlagenen Nico Rinderknecht in die Startelf gerutscht; nach der Pause blieb Marco Zietsch am Keeper hängen (53.), Meris Skenderovic traf nur den Pfosten (67.). Ein Torwartfehler ermöglichte wenigstens das 0:1 durch einen 35-Meter-Freistoß von Adam Jabiri, der nach überstandenen muskulären Problemen erstmals seit dem Schalding-Spiel wieder dabei war, und Unterhachings Patrick Hobsch (26) mit nun 25 Treffern im Kampf um die Torjäger-Krone auf den Fersen bleibt.
Dann freilich reichte ein Abstaubertor von TSV-Kapitän Christoph Wallner zum 1:1 (74.), um die zuvor bereits deutlich nachlassenden Schweinfurter in ihre Bestandteile aufzulösen. Gernlein: "Da zerfällst du gegen einen Gegner, der kämpft und sich den Punkt leidenschaftlich verdient." Dass dem A-Jugendlichen Elias Reiher das 1:2 gelang (87.) blieb bedeutungslos – "schade für den Jungen, dass die anderen ihn nicht belohnen konnten". Dass ausgerechnet der in Schweinfurt aussortierte Sascha Marinkovic mit dem Elfmeter-2:2 (90., Nico Pfarr hatte Dominik Bacher gelegt) den Finger in die Wunde legte, schmerzte den FC 05 doppelt. Es rauchte schon auf dem Platz, in der Kabine wurde sich gegenseitig angeschrien, dass die Tür wackelte.
Trainer Jan Gernlein fühlt sich alleingelassen
Gernlein selbst macht sein Job, den er seit dem Rauswurf von Tobias Strobl am 1. April innehat, längst keinen Spaß mehr. "Es wiederholt sich alles Spiel für Spiel, das heute war aber der Tiefschlag. So hätte ich mir meine letzten Tage beim FC 05 nicht gewünscht." Es plätschere vieles nur noch dahin, viele würden machen, was sie wollen, sagt der Mann, der sich alleingelassen fühlt ("ich habe den Eindruck, es interessiert alles keinen mehr"): Es gibt keinen Co-Trainer, Geschäftsführer Markus Wolf wurde auswärts länger nicht gesichtet, Sportleiter Robert Hettich aus dem gar nicht weit entfernten München war auch nicht da – hatte mit der Sichtung möglicher neuer Spieler jedoch einen Grund.
Vielleicht ist der gut gedachte Schuss ja doch nach hinten losgegangen, mit Strobls Demission und der Wenig- oder Nichtberücksichtigung abtrünniger Spieler das Gemeinschaftsgefühl der Bleibenden stärken und sich in Quasi-Testspielen bereits auf die neue Saison vorbereiten zu wollen. Wenn sich die Mannschaft in den verbleibenden drei Spielen gegen Bayreuth und Illertissen sowie in Aschaffenburg nicht selbst an der Sportlerehre packt, droht sie zur Karikatur eines einstmals ambitionierten Titelfavoriten zu verkommen.