Am Sonntag um 16 Uhr startet der TSV Bad Königshofen in der heimischen Shakehands-Arena gegen den SV Werder Bremen in seine zehnte Profi-Saison. Nach vier Spielzeiten in der 2. Bundesliga steht nun bereits die sechste in der Tischtennis-Bundesliga (TTBL) bevor. In diesen zehn Jahren hat sich, einhergehend mit der Entwicklung des Königshöfer Eigengewächses Kilian Ort, nicht nur für den vorherigen Breitensport-Verein eine Menge geändert, sondern auch für die TTBL selbst.
TSV Bad Königshofen in der Zuschauertabelle auf dem zweiten Platz
Beim TSV wurde inzwischen die Ausgliederung des Spielbetriebs der Bundesliga-Mannschaft in eine GmbH unumgänglich und realisiert. Ohne die einst argwöhnisch beäugte, aber verpflichtend einzuführende Geschäftsstelle mit Mindest-Öffnungszeiten wäre die zunehmend gewachsene Gesamtsituation nicht mehr vorstellbar. Als Gesellschafter der TTBL-GmbH haben die beiden TSV-Geschäftsführer Andy Albert und Udo Braungart eine Menge dazugelernt.
Noch mehr haben sie ihrerseits initiiert, selber vorgemacht und eingebracht, was andere Vereine übernommen haben. Beiden Seiten, der TTBL und den Vereinen, ist es ein Anliegen, Tischtennis bekannter, präsenter und noch wahrnehmbarer zu machen. Der kleine Verein aus dem Landkreis Rhön-Grabfeld hat mittlerweile durchaus einen großen Namen. Die letzte Saison schloss man als Achter ab, in der Zuschauer-Tabelle landete der TSV auf dem zweiten Platz.
Zu kleiner Kader verhinderte in der Vergangenheit größere Erfolge des TSV Bad Königshofen
Dass noch größere Erfolge als sichere Mittelfeldplätze bisher ausgeblieben sind, lag vor allem am zu kleinen Kader. In entscheidenden Spielen fehlten verletzte Leistungsträger wie Bastian Steger und Kilian Ort. Dem hat man für diese Saison vorgebeugt, indem für das Dreier-Mannschaftssystem mit Auswechselmöglichkeit zumindest fünf Spieler zur Verfügung stehen: Angeführt wird das TSV-Team von Routinier Bastian Steger, der zwar nur auf Position 398 der Weltrangliste (WR) geführt wird, aber auch keine internationalen Turniere mehr spielt. Hinzu kommen Lokalmatador Kilian Ort (WR 54) und Filip Zeljko (WR 73) sowie die beiden Neuzugänge Martin Allegro (WR 89 und neue belgische Nummer eins) und der japanische Meister Yukiya Uda (WR 22).
Dass der TSV seit Jahren mit "Weltklasse zu Gast in Bad Königshofen" wirbt, erhält inzwischen noch mehr Gewicht. Die zweitstärkste Liga der Welt (hinter der chinesischen) hat für die Saison 2022/23 aufgerüstet wie nie zuvor. Vorreiter und Auslöser der Reaktionen nahezu aller anderen Vereine war der TTC Neu-Ulm. Der erst vor zwei Jahren neu gegründete Verein, der mit einer Wildcard sofort in der Ersten Liga einsteigen durfte, schnappte zunächst sehr früh in der vergangenen Saison den Königshöfern den jungen Russen Maksim Grebnev weg. Mit ihm sollte dem Trainer Dmitrij Mazunov neben Vladimir Sidorenko, Lev Katsman und Nikita Artemenko die gesamte russische Nationalmannschaft zur Verfügung gestellt werden, mit der er Medaillen bei Olympia 2024 in Paris gewinnen will.
Spieler aus der russischen Liga wechseln in die Tischtennis-Bundesliga
Dann kam nicht nur die politische Zeitenwende, sondern auch die der TTBL. Mit dem russischen Überfall auf die Ukraine und der internationalen Ächtung der russischen Mannschaften drängten nun eine Menge in Russland beschäftigter Weltklassespieler auf den west- und mitteleuropäischen Markt. Russischen Spielern erlaubt die TTBL hier zu spielen, weil sie in dem Fall "nicht die Werte des Landes, sondern ihres Vereins vertreten." Vielleicht mehr als nur ein geschickter Winkelzug.
Vielleicht war aber auch Neu-Ulm einfach nur am schnellsten, als plötzlich Dimitrij Ovtcharov, bis dahin zwölf Jahre lang in Russland bei Gazprom Fakel Orenburg, frei wurde. Vielleicht floss aber auch am meisten Geld bei der Verpflichtung des besten Nicht-Asiaten, der Nummer sieben der Weltrangliste. Vor Timo Boll ist er aktuell auch Deutschlands Nummer eins. Die Hälfte der besten 40 Spieler der Welt schlägt in der neuen Saison nun in der TTBL auf. Von den zwölf besten spielen sieben in der deutschen Eliteliga.
Die Königshöfer Neuzugänge haben mit den Entwicklungen in Russland nichts zu tun. Allegro spielte vorher in Frankreich, Uda in Japan. Insgesamt 26 neue Spieler haben den Weg in die zwölf Bundesliga-Vereine gefunden. Zusammen mit dem schwedischen Supertalent Truls Moregardh und Lin Jun-Yu (Taiwan) könnte Neu-Ulm zwei Mannschaften stellen: eine für die TTBL, eine für die Champions League. Vergleichbare Möglichkeiten haben Saarbrücken, Ochsenhausen und Grünwettersbach.
Neue Streaming-Plattform: Viele Spiele zu unterschiedlichen Zeitpunkten
Diese qualitative Entwicklung kam der Liga nicht ungelegen bei ihrem Konzept, die Attraktivität des Tischtennis-Sports zu erhöhen. Es müsse aber auch die mediale Wahrnehmung und Erreichbarkeit erhöht werden. Nach einer Evaluation der TTBL von Nielsen Sports wechselte man die Streaming-Plattform vom kostenfreien "sportdeutschland.tv" zu "S-Nation". Weltweit und einfach erreichbar ist der neue Streaming-Dienst über die Spieleplattform Twitch. Gründer sind der ehemalige DFL-Boss Christian Seifert und der Axel-Springer-Konzern.
Die Expertise ergab Leistungswerte im Vergleich, Liveübertragungen und Sendezeiten der TTBL insgesamt und der einzelnen Vereine. Dabei schnitt der TSV Bad Königshofen als Nummer 5 hinter den vier Play-Offs-Vereinen Düsseldorf, Saarbrücken, Mühlhausen und Fulda ab. Die TTBL erreichte 15 Millionen Zuschauer, der TSV 801.000. Ein Ziel von S-Nation ist die dauerhafte Erhöhung der Wahrnehmung und Wertschätzung der Sportarten hinter dem Fußball.
Gespielt werden soll an drei verschiedenen Tagen der Woche, um möglichst viel Sendezeit zu erreichen. Was derzeit noch fehlt, ist die saisonale Planbarkeit. Bislang konnte die TTBL erst vier Spieltage terminieren, weil der Rahmenterminplan des internationalen Verbands (ITTF) noch nicht vorliegt. In dessen Weltcupturnier-freien Zeitfenstern aber werden die nationalen Ligen und Meisterschaften ausgetragen.