Eine Bereicherung für die Männer-Mannschaft des Schachclub Bad Königshofen ist ein elfjähriges Mädchen, das mit seiner Mutter als Flüchtling aus der Ukraine kam. Anna Bilogolovko hat mit vier Jahren in der Familie angefangen Schach zu spielen, ein Sport, der dort viel größeren Stellenwert hat als in Deutschland. Mit neun Jahren, also vor rund zwei Jahren, hat sie mit ernsthaftem Training angefangen, spielte aber bisher nur gegen Gleichaltrige.
Von Mariupol zog die Familie nach Kiew, als der russische Krieg gegen die Ukraine begann. Aber auch dort fühlten sie sich nicht sicher und Irina Bilogolovko beschloss, die Tochter in Sicherheit zu bringen. Sie erfuhr von einem Bus, der nach Deutschland fuhr, zu einer Familie, die mehrere Flüchtlinge aufnehmen wollte. So kam sie mit weiteren Leidensgenossen nach Sulzfeld, zur Familie Heller.
Dort wurden sie freundlich aufgenommen und erfuhren, dass es in Bad Königshofen einen Schachverein mit regelmäßigen, kostenfreien Trainingsstunden gibt. Vereinsvorsitzender Jürgen Müller spielt mit jedem Neuling eine Partie. So auch diesmal mit Anna, die ihn überraschte. "Sie spielte eine super Partie, sodass ich gleich vorschlug, sie könne die Herrenmannschaft unterstützen", berichtete Müller.
Die benötigt jeweils acht Spieler pro Runde, sodass manchmal bei krankheitsbedingten Ausfällen Not am Mann - oder an der Frau - ist. Beim Schach dürfen Frauen in der Männermannschaft mitspielen, aber nicht umgekehrt. Am vergangenen Spieltag in der Unterfrankenliga gegen Prichsenstadt gelang Anna Bilogolovko nun sogar ein Sieg.
Anna und Irina Bilogolovko haben große Sorgen, denn die Familie, Ehemann, Bruder und alle Großeltern, sind in der Ukraine. In Mariupol ist alles zerstört, auch ihr Haus. "Wir werden noch lange nicht in unsere Heimat zurückkehren können, dort gibt es nichts mehr", sagt Irina Bilogolovko. "Wir sind sehr dankbar über die Möglichkeit hier zu bleiben, die Leute sind sehr hilfsbereit."
Ihr wichtigstes Ziel ist, Deutsch zu lernen und einen Job zu finden. Zunächst benötigt sie aber eine neue Unterkunft, denn die Familie Heller braucht ihre Ferienwohnungen bald selbst. Die Ukrainerin arbeitete in der Heimat als Projektmanagerin bei Unicef bei einem Projekt für Frauen in schwierigen Situationen.
Anna geht momentan in die Integrationsklasse in der Sulzfelder Grundschule, um Deutsch zu lernen, im Herbst will sie aufs Gymnasium in Bad Königshofen. "Das Schachspielen ist wichtig für Anna, sie macht es sehr gern und es gibt ihr psychischen Halt", sagt ihre Mutter. Später möchte Anna gern im Frauen-Bundesliga-Team mitspielen, das sie bei der Saisonabschlussfeier in Bad Königshofen schon gesehen und bewundert hat.