Die böse Vorahnung sollten Igor K. nicht trügen. Zwei Tage, nachdem er von Kiew aus mit seiner Familie zu einem Kurzurlaub nach Budapest aufgebrochen war, rückten die Truppen des russischen Diktators Putin in die Ukraine ein. Damit war der Mann nicht nur den Bomben und Raketen der Russen, sondern auch dem Einsatz in der ukrainischen Armee entkommen. Jetzt leben Igor K. und seine Familie im Lindleshof bei Sulzfeld. Mit ihm sind dort untergekommen, wo sonst Städter Reiterferien buchen, noch aktuell 17 Landsleute, darunter zwei schwangere Frauen und Kinder im Alter von ein bis zwölf Jahren.
Der Schwager musste in der Ukraine bleiben
Der Mann seiner Schwester hatte weniger Glück. Als sie sich auf den Weg machten, galt schon der allgemeine Einberufungsbefehl für alle Männer. An der Grenze wurde er aus dem Auto rausgeholt, seine Frau musste mit den vier Kindern allein weiterfahren."Wir sollen keine Ukrainer mehr sein, sondern Russen werden", ist Igor von Putins Kriegsziel überzeugt.
Auf seinem Handy hat er Filme über große Zerstörungen durch russische Raketenangriffe gespeichert. Trotzdem hegt er die Hoffnung, dass die russische Armee mit ihren vielen jungen Soldaten und Soldatinnen bald geschlagen wird. Da Vitali kein Deutsch spricht, übersetzt für ihn sein Freund Viktor Betz, der seit vielen Jahren in Deutschland lebt und arbeitet. Die ersten Flüchtlinge im gesamten Landkreis Rhön-Grabfeld waren am Montag in Oberwaldbehrungen angekommen.
Gastgeber für die Geflüchteten in Sulzfeld sind Jochen Heller und seine Frau Elisabeth. Der einstige Lohnunternehmer im landwirtschaftlichen Bereich hat sofort reagiert, als die Lage in der Ukraine eskalierte. Er kontaktierte einen Bekannten, der aus der Ukraine stammt, seit gut 15 Jahren in Regensburg wohnt und früher einmal ab und an ältere Mähdrescher bei ihm gekauft hatte.
Manche waren vier Tage im Auto unterwegs
Weil Heller wusste, dass sein Bekannter noch Verwandtschaft in Kiew hatte, teilte er ihm mit, seine Ferienwohnungen kurzfristig und kostenlos zur Verfügung zu stellen. Ein Angebot, das die Menschen gerne annahmen. Eigentlich hätten alle am Sonntag kommen sollen, sagt Heller, aber wegen der schnell einsetzenden Mega-Staus an den Grenzen habe sich alles verzögert. "Manche saßen vier Tage im Auto", weiß Heller, den der Kriegsausbruch sehr nachdenklich gemacht hat. "Wir sollten uns alle bewusst werden, wo wir leben, welche Riesenvorteile wir hier haben". Schon daraus ergibt sich für ihn eine Verpflichtung zu helfen. Froh ist Heller über den Sinneswandel in der deutschen Politik, die ihre Trägheit im Handeln abgelegt habe. "Da sind wir auf dem richtigen Weg."
Den März über können die Flüchtlinge noch am Lindleshof bleiben, aber ab den Osterferien sind Wohnungen schon von Gästen gebucht. Wie es genau weitergehen soll, weiß Heller auch noch nicht, er steht in der Sache in engem Kontakt mit Sulzfelds Bürgermeister Jürgen Heusinger und anderen, um Unterbringung-Alternativen zu finden.
Eines verspricht Heller aber jetzt schon: "Die Flüchtlinge werden am 7. April nicht auf die Straße gesetzt." In Sulzfeld und der gesamten Grabfeldallianz laufen mittlerweile die Sammlung von Hilfsgütern auf Hochtouren. In Sulzfeld ist Georg Then Ansprechpartner, Telefon: 0172 - 76 99 771. Gebraucht werden Konserven mit Nahrung, aber auch Decken, Isomatten oder Schlafsäcke. Außerdem will das Allianzbüro, Telefon: 09761 402 150 bei der Koordinierung von Unterkünften für Flüchtlinge helfen.