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Fußball: Regionalliga Bayern
Stadionsprecher, Vollblutmusiker und Faschingsnarr: Christian Abschütz ist die Stimme des TSV Aubstadt
Der Stadionsprecher des TSV Aubstadt war in dieser Saison auch auswärts schon zu hören. Wie es dazu kam und welche vielfältigen Qualitäten der 54-Jährige noch hat.
Christian Abschütz bei seiner Tätigkeit als Stadionsprecher des TSV Aubstadt.
Foto: Anand Anders | Christian Abschütz bei seiner Tätigkeit als Stadionsprecher des TSV Aubstadt.
Florian Karlein
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:45 Uhr

Noch ist es ruhig an diesem spätsommerlichen Septembernachmittag in der NGN-Arena in Aubstadt. Knapp zwei Stunden sind es noch, bis das Spiel in der Fußball-Regionalliga Bayern zwischen dem TSV Aubstadt und dem FC Bayern München II angepfiffen wird. Während die Spieler beider Teams nach ihrer Ankunft gerade den Rasen inspizieren und die ersten Fans die Eingangstore passieren, ist ein Mann schon bereit. Wie immer in Lederhose und mit seinem persönlichen Aubstädter Fantrikot mit der Nummer 12 auf dem Rücken sitzt Stadionsprecher Christian Abschütz auf seinem Barhocker in dem vor einigen Jahren auf Höhe der Mittellinie errichteten Pressezelt.

Christian Abschütz hat sich als musikalischer Allrounder einen Namen gemacht

Etwas beschlagen klingt Abschütz' Stimme noch, nachdem er in der Woche zuvor kränkelte. Allerdings kein Grund für den 54-Jährigen, eines der Highlight-Spiele der Saison zu verpassen. "Nervös bin ich nicht, aber die Anspannung steigt schon so langsam", sagt Abschütz und ergänzt: "Das Adrenalin spüre ich immer noch vor jedem Spiel." Mit dem Regionalliga-Aufstieg der Grabfelder vor viereinhalb Jahren begann auch für ihn eine neue Zeitrechnung. Zuvor hatte sich Christian Abschütz zusammen mit Gerd Schöppach das Amt des Stadionsprechers geteilt, seit 2019 ist er nun alleine die Stimme des TSV Aubstadt.

Und wenn man es genau nimmt, nicht nur die Stimme des TSV, sondern des ganzen 750-Einwohner-Dorfes im Grabfeld. Christian Abschütz' Herz schlägt nämlich nicht nur für den Fußball, sondern auch für die Musik und vor allem für den Fasching. Mit der Faschingsband "Die Gööger" hat sich der gelernte Bankkaufmann ebenso wie mit seiner anderen Band "Why Not?" über Aubstadt hinaus einen Namen gemacht. Selbstverständlich spielt er mit seinem Tenorhorn auch bei den Aubstädter Musikanten.

Christian Abschütz (Archivbild) als Sitzungspräsident der Abschter Fosenöchter in Aktion.
Foto: Rudolf Merz | Christian Abschütz (Archivbild) als Sitzungspräsident der Abschter Fosenöchter in Aktion.

Als Sitzungspräsident leitet er zudem seit vielen Jahren die zahlreichen Faschingsveranstaltungen in Aubstadt. "Daher sind sie vom TSV irgendwann auf mich zugekommen und haben gesagt: 'Wenn du schon Sitzungspräsident bist, kannst du auch gleich noch Stadionsprecher werden.' So bin ich ungeplant da irgendwie reingerutscht."

Bereut hat er diese Entscheidung nicht, ganz im Gegenteil. "Mir macht das Ganze viel Spaß." Was einen guten Stadionsprecher auszeichne? "Er sollte mitgehen, die Emotionen muss man einfach raushören", sagt Abschütz. Dass es dem 54-Jährigen nicht an der nötigen Emotionalität mangelt, hat er in dieser Saison nicht zuletzt beim Pokal-Auswärtsspiel im Schweinfurter Sachs-Stadion bewiesen. "Die Ansagen des Schweinfurter Stadionsprechers waren mir etwas zu langweilig. Da habe ich mir gedacht: Dann mache ich es halt selber."

"Wenn du schon Sitzungspräsident bist, kannst du auch gleich noch Stadionsprecher werden."
Christian Abschütz über seine Anfänge als Stadionsprecher des TSV Aubstadt

So kam es, dass Abschütz im Gästeblock die Toransage ohne Mikrofon machte und der TSV-Anhang – im Gegensatz zu den meisten Heimspielen – lautstark antwortete. "Solche Gehirnpförz braucht es doch im Leben manchmal", schmunzelt Abschütz. Beim Grabfelder Anhang kam die Aktion jedenfalls so gut an, dass Christian Abschütz das Ganze beim fränkischen Derby in Bayreuth zwei Wochen später wiederholen musste. 

Stolz ist der waschechte Aubstädter, dass er als Vereinsmitglied den Höhenflug des TSV miterleben darf. "Mit dem Fußball in der Regionalliga kann ich mich voll und ganz identifizieren, wenn natürlich auch hier das Geld eine Rolle spielt. Ich habe aber dennoch einen engen Draht zu der Mannschaft und den Trainern. Das Familiäre ist auch in der Regionalliga in Aubstadt nie verloren gegangen", betont Abschütz.

Mit dem Profifußball hat der langjährige Bayernfan abgeschlossen

Völlig abgeschlossen hat er hingegen mit dem Profifußball in den Spitzenligen. "Ich war Jahrzehnte lang großer Fan des FC Bayern München, war 1972 erstmals im Olympiastadion und auch danach regelmäßig bei Spielen live dabei", erzählt Abschütz. Während der Hochphase der Corona-Pandemie merkte er allerdings, dass sich der Profifußball immer mehr von der Basis entfernt. "Als es hieß, dass der Spielbetrieb fortgesetzt werden müsse, damit die Spieler ihren Beruf ausüben können, war das Maß für mich endgültig voll. Es gab so viele Berufsbranchen, die es deutlich härter getroffen hat."

Somit gerät er an diesem Samstag vor dem Spiel gegen die zweite Mannschaft des FC Bayern München auch in keinen emotionalen Zwiespalt. "Ich hoffe auf einen Aubstädter Sieg, auch wenn es eine enge Kiste werden wird", sagt Abschütz. Wie vor jedem Spiel hat er sich auch diesmal einen Spieler herausgepickt, um "meine Bestellung" aufzugeben. Als nachträgliches Geburtstagsgeschenk soll es diesmal ein Tor vom vor der Saison nach Aubstadt zurückgekehrten Martin Thomann sein.

Mittlerweile füllt sich auch die NGN-Arena. Christian Abschütz prüft noch einmal die Technik und studiert die mittlerweile veröffentlichten Mannschaftsaufstellungen. "Ich bereite mich im Vorfeld schon etwas vor und höre bei den Spielzusammenfassungen von bfv.tv, wie die jeweiligen Spieler ausgesprochen werden." Besonders angetan hat es ihm in der Vergangenheit der Ex-Nürnberger und aktuelle Illertisser Spieler Enrique Katsianas-Sanchez. "Den Namen hab ich damals richtig schwungvoll und mit Begeisterung ausgesprochen. Mein Bruder hat sich draußen fast kaputt gelacht", erinnert sich Abschütz.

Vor dem Spiel studiert Christian Abschütz konzetriert die Aufstellungen.
Foto: Anand Anders | Vor dem Spiel studiert Christian Abschütz konzetriert die Aufstellungen.

Auch bei den Bayern stehen diesmal einige Namen mit Zungenbrecherpotenzial auf dem Aufstellungsbogen. Mehr Sorgen bereitet Abschütz allerdings der Anhang der Münchner, der sich beim letzten Gastspiel in Aubstadt ein Jahr zuvor mit Bananen- und Böllerwürfen sowie zwei Schmähplakaten danebenbenommen hatte. Um für solche Fälle gewappnet zu sein, hat Abschütz die Vorlage des Bayerischen Fußball-Verbands (BFV) schon einmal herausgesucht. 

Fest steht auch die Auswahl der Songs, die vor dem Spiel, in der Halbzeit und nach Spielende die Fans unterhalten sollen. "Mein Musikgeschmack wird sicher nicht jedem gefallen. Aber ich verbiege mich nun einmal generell nicht gerne und entscheide immer nach Tagesform", sagt Abschütz und spielt einen Song von der österreichischen Volksmusik-Pop-Band Folkshilfe ein. Und dann ist auf einmal Christian Abschütz' Stimme in der NGN-Arena zu hören. "Aubstadt, die Macht im Grabfeld", schallt es aus den Boxen.

Die Aubstädter Faschingsband 'Die Gööger' hat vor vier Jahren die neue TSV-Hymne komponiert. Auf dem Bild von links: Florian Abschütz, Christian Abschütz und Daniel Irrgang.
Foto: Rudolf Merz | Die Aubstädter Faschingsband "Die Gööger" hat vor vier Jahren die neue TSV-Hymne komponiert. Auf dem Bild von links: Florian Abschütz, Christian Abschütz und Daniel Irrgang.

Seit knapp vier Jahren gibt es die offizielle Vereinshymne des TSV Aubstadt. Als sich im Mai 2019 der Aufstieg der Grabfelder in die Regionalliga abzeichnete, kam Vorstandsmitglied Reinhard Köhler mit dem Wunsch nach einer eigenen Vereinshymne auf Abschütz zu. Nachdem Daniel Irrgang den Text geschrieben und die Melodie komponiert hatte, sang die Aubstädter Faschingsband "Die Gööger" mit Irrgang, Christian Abschütz und seinem Bruder Florian den Song ein. Premiere feierte die neue Vereinshymne mit einem Liveauftritt der "Gööger" im November 2019 in der Halbzeitpause des Derbys gegen den FC 05 Schweinfurt.

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Zurück zum Heimspiel des TSV Aubstadt gegen den FC Bayern München, das zunächst nicht nach dem Geschmack von Christian Abschütz läuft. Torhüter Maximilian Weisbäcker sieht nach einem Handspiel außerhalb des Strafraums früh die Rote Karte. Kurz vor der Pause entscheidet sich Abschütz dafür, ein Bier aufzumachen. "Das ist ein Ritual von mir. In der Vergangenheit ist direkt nach dem Öffnen oft ein Tor für uns gefallen", scherzt Abschütz. Das Bier ist kaum auf, da hat TSV-Angreifer Marco Nickel tatsächlich die große Chance zum 1:0, scheitert aber am Gäste-Keeper.

In der Winterpause geht es für Christian Abschütz im Aubstädter Fasching rund

Letztlich hat Christian Abschütz an diesem Nachmittag kaum Arbeit. Die wenigen Bayernfans unter den 1735 Zuschauenden verhalten sich unauffällig und seinen vor allem bei einigen älteren TSV-Fans wegen seiner Lautstärke gefürchteten Torschrei muss der Stadionsprecher auch nicht anstimmen. "Mit dem 0:0 bin ich trotzdem zufrieden, auch wenn meine Bestellung nicht berücksichtigt wurde", sagt Abschütz und macht sich mit Lucio Schöppach, der ihm an den Spieltagen unter anderem bei der Bedienung der Anzeigetafel unterstützt, an den Abbau der Stadiontechnik.

Christian Abschütz (rechts) zusammen mit seinem Helfer Lucio Schöppach.
Foto: Anand Anders | Christian Abschütz (rechts) zusammen mit seinem Helfer Lucio Schöppach.

Feierabend ist danach für Christian Abschütz aber noch lange nicht. Am Abend steht noch ein Auftritt mit seiner Band "Why Not?" an und wenn der Spielbetrieb in der Regionalliga Bayern in wenigen Wochen in die Winterpause geht, tauscht der Aubstädter Stadionsprecher sein Fantrikot gegen die Narrenkappe und sorgt im Faschings-verrückten Dorf mit seiner unnachahmlichen Art einmal mehr für Stimmung.

 
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