
Wenn die Regionalliga-Handballer des TSV Lohr samstagabends ihre Heimspiele austragen, kommen regelmäßig 400 bis 500 Menschen in die Spessarttorhalle. Eine Zahl, die sonst in keiner Hallensportart im Landkreis Main-Spessart erreicht wird. Dazu spielte das Team in den vergangenen 22 Jahren 21 in der höchsten bayerischen Spielklasse, wird von der Konkurrenz gelegentlich als "Dino" der Liga bezeichnet.
Doch nun ist dieser "Dino" nicht erst nach der 21:32-Heimniederlage am Samstag gegen HT München vom Aussterben bedroht, das Team schwebt in Abstiegsgefahr. Der Lohrer Handball kämpft aber auch mit strukturellen Problemen. Vier Fragen und Antworten zur aktuellen Lage.
Wie ist die allgemeine Entwicklung?
Der TSV Lohr wandelt in der höchsten bayerischen Klasse schon einige Jahre am sportlichen Abgrund. In der Saison 2022/23 rettete sich das Team am vorletzten Spieltag, in der abgelaufenen Runde erst am letzten Spieltag nur dank passender Ergebnisse der Konkurrenz und nicht aufgrund eines eigenen Erfolgs. Nun droht bis zum Ende der Hinrunde ein Abrutschen auf einen Abstiegsplatz. Die aktuelle Lage ist keine zufällige, sondern Abbild einer jahrelangen Entwicklung.
Wären Nachverpflichtungen möglich?
Im Prinzip ja, aber in der Praxis wohl nein. "Wir halten die Augen offen, werden wohl aber niemanden mehr dazu holen", sagt Lilo Hess vom Sportbeirat, der ein Gremium ist, das für die sportliche Leitung verantwortlich ist. Denn Neuzugänge, die helfen könnten, seien nicht finanzbar. Neuzugänge, die finanzierbar seien, würden wohl nicht helfen.
Warum ist der TSV Lohr gegen viele Regionalligisten nicht mehr konkurrenzfähig?
Die Zeiten, in denen Lohrer Nachwuchsteams in Bayern führend waren, sind längst Geschichte. Die letzten erfolgreichen Jugendjahrgänge haben in den vergangenen zehn Jahren die Basis des aktuellen Teams gebildet, das dann mit externen Kräften wie etwa dem ungarischen Torhüter Tamas Szabo ergänzt wurde. Doch mittlerweile ist die Leistungsdifferenz zwischen Jugend und Regionalliga-Niveau extrem groß geworden, sodass kaum mehr Handballer aus der eigenen Jugend den Sprung in die erste Mannschaft schaffen.
Konkurrenten in der Klasse können indes Jahr für Jahr auf junge Handballer zurückgreifen, die in Leistungszentren höherklassiger Vereine ausgebildet wurden. Doch von den am nächsten gelegenen Zentren in Rimpar oder Großwallstadt hat in den letzten Jahren kein Talent mehr den Weg nach Lohr gefunden.
Zudem kommt auch nicht jeder externe Neuzugang auf Anhieb zurecht. Vor der Saison ersetzten etwa die Serben Nikola Becejac und Vukasin Popovic den früheren Zweitliga-Spieler Max Drude oder den Portugiesen Bernardo Gomes de Almeida, bisher noch nicht mit durchschlagendem Erfolg. "Natürlich ist es so, dass die Abgänge nach der letzten Saison nicht gleichwertig ersetzt wurden", räumt Spielertrainer Maximilian Schmitt ein. "Wir kämpfen immer noch mit der Sprachbarriere."
Wie könnten Lösungen aussehen?
"Wir müssen grundsätzlich über unsere Herangehensweise nachdenken", sagt Bernd Becker, der seit dieser Saison neben Schmitt gleichberechtigter Trainer ist. Auch ob Regionalliga-Handball unter den existierenden Voraussetzungen noch machbar ist oder ob ein geordneter Neuaufbau in der fünftklassigen Oberliga nicht zielführender wäre, müsse diskutiert werden.
Doch selbst, um in dieser Klasse zu bestehen, braucht es externe Kräfte. "Wenn wir einen anderen Weg gehen, müssen wir natürlich auch im Auge behalten, wie sich das auf Zuschauerzahlen und Sponsoren auswirkt", gibt Lilo Hess zu bedenken.