"Du willst mich doch veräppeln." So lautete ihre erste Reaktion nach dem Anruf von Frank Terhar. Nein, der Vorsitzende des ESC Haßfurt, zuständig unter anderem für die 1. Mannschaft, wollte Florentine Porada bei seinem Anruf am Freitag um die Mittagszeit keinesfalls mit einem verfrühten April-Scherz auf den Arm nehmen. Er suchte tatsächlich nach einem Torhüter für das Eishockey-Landesliga-Duell der Hawks am Abend beim EV Pegnitz – und sollte in Florentine Porada eine Torhüterin finden.
Nachdem Stammkeeper Nicolas Hetzel aufgrund einer fiebrigen Erkrankung kurzfristig absagen musste, ebenso die Nummer zwei, Luca Feitl, wegen einer Prüfung, die Nummer drei, Patrice Felchle, nach einer Schulteroperation und auch "Hexer" Martin Hildenbrand (mit der 1b im Einsatz) nicht zur Verfügung standen, war für Terhar klar: "Die Florentine ist die Lösung."
Denn sonst hätte sich ein Feldspieler das Torwarttrikot überstreifen müssen. "Wir wollten die Begegnung keinesfalls absagen und sportlich lösen", betonte Terhar. Normalerweise steht die 19-jährige Florentine Porada in der U 20 der Spielgemeinschaft Haßfurt/Schweinfurt, der "EinsB" des ESC sowie der Frauenmannschaft des VfR Angerlohe München zwischen den Pfosten – jedoch nur ab und zu und noch nicht in der laufenden Saison. Da bestritt die Schülerin bislang etwa 20 Partien als Stürmerin. Torfrau hatte sie eigentlich nicht werden wollen. Nur, weil vor einigen Jahren in der U 15 einmal ein Torwart fehlte und sie es "schon ein paar Mal probiert" hatte, stimmte sie dem Positionswechsel zu.
Willkommene Erfahrung
Lange überlegen, mit dem Hawks-Team nach Pegnitz zu fahren, musste Florentine Porada derweil nicht. "Die Chance, so eine Erfahrung zu machen, muss man einfach mitnehmen", begründete sie ihre Zusage.
Dabei war ihr aber bewusst, dass ihr Torwarteinsatz in Pegnitz ihr erster seit vielen Monaten sein würde. Nicht aber, dass erstmals in der Geschichte des Haßfurter Eishockeys eine Frau das Tor einer ersten Mannschaft hütete. Das Fazit vorweg: "Sie hat wirklich ein gutes Spiel abgeliefert", lobte Hawks-Kapitän Christian Dietrich. "Wir waren froh, dass wir sie gehabt haben."
Auch Frank Terhar, der als einer der insgesamt 274 Zuschauenden im Pegnitzer Stadion die besondere Premiere sah, war nach der Schlusssirene voll des Lobes für Florentine Porada. "Sie hat einen super Job gemacht und bis zum Schluss ihr Bestes gegeben", freute er sich über die gezeigte Leistung. Dass die Haßfurter Hawks in der für die anstehenden Play-offs nicht mehr bedeutsamen Partie mit 6:9 verloren, spielte für Florentine Porada spätestens dann nur noch eine Nebenrolle, als sie für ihren Mut und ihr Engagement zur "Spielerin des Abends" gewählt wurde.
Und auch ihre Aufregung in den Stunden zuvor waren da längst vergessen. "Richtig los ging es erst, als ich im Bus saß", erzählt sie von "zittrigen Beinen und Schweiß. Doch als wir ankamen, war die Nervosität wie von Zauberhand verschwunden und kam erst wieder zu Beginn des Spiels."
Geholfen haben der 19-Jährigen letztlich ihre neuen Teamkollegen. "Natürlich haben mir alle Mut zugesprochen, da es ja um nichts ging und sie dankbar waren, dass ich überhaupt mitfahre", sagt Florentine Porada und hebt vor allem die "Ansprache" von Jamie Akers hervor: "Er hat mir besonders viel Mut zugesprochen und mich mit sehr vielen lieben und netten Worten aufgebaut."
Beleidigungen und sexistische Aussagen
Insgesamt habe sie "ein ganz anderes Spielniveau als im Jugendbereich" erlebt. Zudem "viele stressige Phasen, als die Pegnitzer viel Druck in unserem Drittel gemacht haben. Aber", hebt sie die positiven Aspekte eines ganz besonderen Abends hervor, "im Großen und Ganzen hat das Spiel sehr viel Spaß gebracht. Ich bin froh, dass ich diese Eindrücke bekommen habe." Auf eine andere Erfahrung hätte sie dagegen gerne verzichtet: "Ich durfte mir leider auch viel von den Pegnitzer Fans anhören", sagt sie, will aber auf die "Beleidigungen und sexistischen Aussagen" nicht näher eingehen.
Gibt es jetzt eine Wiederholung? "Natürlich hätte ich Lust, wieder im Tor zu stehen", sagt Florentine Porada selbstbewusst und fügt hinzu: "Dafür üben wir den Sport ja aus. Aber dazu muss ich meine Leistung verbessern, um auf dem Niveau mitzuspielen." Bleibt noch die Frage: Warum hat sich die junge Frau, die am Samstag mit der U 20 des ESC in Moosburg mit unterlag, eigentlich für Eishockey entschieden? Ganz einfach: Ihr älterer Bruder Till, der seit einigen Jahren für die 1b des Hamburger SV aktiv ist, begeisterte nicht nur ihre beiden Schwestern Josephine und Pauline für den Sport, sondern auch sie. Ebenso sind auch ihre weiteren Brüder Felix und Moritz in verschiedenen Vereinen im Einsatz. Einzig Nick, Erik und Alfred – ebenfalls Brüder – aus der ansonsten sportbegeisterten Großfamilie Porada haben mit Eishockey nichts am Hut.