
Inmitten der Stadt, unweit der Kneipenmeile Sanderstraße, liegt die "Th. Schenk Wachswarenfabrik". An einer Straßenecke weist ein unscheinbares, nostalgisch anmutendes Schild mit dem Schriftzug "Schenk" Besuchern den Weg in die Rosengasse 14. Hinter hohen Mauern verborgen, tut sich hier in Würzburg eine ganz eigene, wie aus der Zeit gefallene Welt auf.
Das Familienunternehmen, einer der ältesten Handwerksbetriebe Würzburgs, stellt eine Vielzahl unterschiedlicher Kerzen her: Altarkerzen, Opferkerzen, Christbaumkerzen, Taufkerzen, Kerzen für besondere Anlässe - und Osterkerzen. Das Herstellverfahren ist heute noch das gleiche wie vor über 270 Jahren: Bei Wachs-Schenk werden die Kerzen gezogen. Dabei entstehen hauchdünne Luftschichten im Kerzenstrang – ein Qualitätsmerkmal, das dafür sorgt, dass die Kerzen gleichmäßig brennen und nicht tropfen.

Im Inneren der Wachszieherei, zwischen Wachsbecken, hängenden Kerzen und alten Maschinen, herrscht emsiges Treiben. Martin Schenk, Wachsziehermeister in neunter Generation, steht vor einer von drei Kerzenzugmaschinen der Fabrik. Auf ihr entstehen gerade, kurz vor Ostern, Christbaumkerzen. Bei Wachswaren Schenk kann man auf individuelle Kundenwünsche eingehen - wie eine kleine Charge Christbaumkerzen im März: "Wir leben von den Aufträgen, die die großen Firmen nicht machen wollen, für die es aber Bedarf gibt", sagt Martin Schenk.
Rund 440 Meter Docht, verteilt auf 28 Stränge, werden auf der Zugmaschine aus dem Jahr 1962 durch das 70 Grad heiße Wachsbad gezogen und nehmen bei jedem Rundlauf eine neue Wachsschicht auf – so lange, bis das gewünschte Volumen erreicht ist. Dass Schenk den Zug und die Temperatur im Blick behält, ist wichtig: "Ist es zu warm, verliert der Zug an Stabilität. Ist es zu kalt, werden die Wachsstränge spröde und brechen."



In der Fabrik ist es warm, Wachsgeruch durchdringt die Luft. "Wir produzieren das ganze Jahr – bei einer Lücke in den Auftragsbüchern auch auf Vorrat", sagt Schenk, "wir haben 100 verschiedene Kerzensorten auf Lager". Im Augenblick kann sich der 56-Jährige nicht über fehlende Aufträge beschweren: Ostern und Kommunion stehen an, erst dann wird es ruhiger. "Unsere Saure-Gurken-Zeit ist von Mitte Mai bis August." Im September laufen dann die ersten Aufträge für Weihnachten ein, gefolgt von Arbeiten für Mariä Lichtmess am 2. Februar.
Seit jeher sind Kirchen in Deutschland, Österreich und der Schweiz die größten Abnehmer der Schenk-Kerzen. Doch die Aufträge sind rückläufig. Sinkende Mitgliederzahlen der Kirchen, Priestermangel und fehlender Nachwuchs in Klöstern führen auch zu weniger Bedarf an Kerzen.

Zurück zu den Christbaumkerzen: Ehe eine Zugmaschine laufen kann, sind einige Vorbereitungen nötig. Martin Schenk stellt das jeweilige Wachsgemisch zusammen – Altarkerzen müssen zum Beispiel zehn Prozent Bienenwachs enthalten. Dann richtet er die Zugmaschine mit passendem Kaliber und Docht her, schaltet den Dampfkessel an und befüllt die Maschine. Dann wird der Docht ins Wachs getaucht: "Knopf an und es geht los."


Nach etwa einer Stunde haben die Christbaumkerzen den richtigen Durchmesser erreicht. Jetzt muss es schnell gehen, eine zusätzliche Person wird gebraucht, um die Wachsstränge an zwei Stellen durchzuschneiden und zusammenzuknoten. Dann wird der Strang wie ein Schlauch auf ein Abspulrad aufgezogen, damit er warm und plastisch bleibt.
Anschließend kommt eine zweite Maschine, die Schneide- und Köpfelmaschine aus dem Jahr 1958, zum Einsatz. Sie funktioniert vollmechanisch. "Zwei Motoren, das war's – ich lieb' das Ding", sagt Schenk und lacht. Wenn die Wachsstränge in die Maschine eingefädelt sind, dauert es eine weitere Stunde, bis an die 3200 Christbaumkerzen geschnitten sind und sortiert und verpackt werden können.


Bis die bis zu 80 Millimeter dicken Altarkerzen fertig sind, vergeht erheblich mehr Zeit. Sie werden auf einer anderen Zugmaschine hergestellt, aus dem Jahr 1948. In der Industrie gebe es auch für Altarkerzen Vollautomaten, sagt Schenk – "aber nicht bei mir".
Elfmal wird in der Wachswarenfabrik eine Altarkerze in die Hand genommen, ehe sie fertig ist. Zum Beispiel, um sie an das eiserne Gestell des Tunkapparats von 1945 zu hängen, von wo aus sie in den zwei Meter tiefen Behälter mit rund 90 Grad heißem Wachs getaucht wird. Es hat einen höheren Schmelzpunkt als das Kerzen-Innere und verhindert so, dass diese später beim Abbrennen tropft.


Nach dem Auskühlen geht es für viele der Oster- und Altarkerzen zum Verzieren. Ihr Weg führt zu Theresia Schenk und Michaela Kraft. Martin Schenks Mutter und seine Schwester sind Wachsbildnerinnen. Sie sitzen in einer Art Glaskasten im Herzen der Fabrik und sind, kurz vor Ostern und Kommunion, rund um die Uhr gefordert.
Allein für die Osterkerzen gibt es 30 verschiedene Motive. Unermüdlich modellieren die Wachsbildnerinnen Zahlen, Figuren und Landschaften. Theresia Schenk zeigt ein besonders aufwändiges Modell, eine Kerze mit einem Rosenkranz darauf: "Hier habe ich jede Perle einzeln geformt." Für ihre Arbeit brauche man "Geduld, Konzentration und Freude daran". Außerdem sollte man sich mit den Heiligen und kirchlicher Symbolik auskennen, ergänzt Michaela Kraft.



Wie überall im Handwerk gibt es auch bei den Wachsziehern und Wachsbildnern Nachwuchsprobleme. Schon einige Jahre konnte Martin Schenk keine Auszubildenden mehr einstellen. Betriebe in der Größe von Wachswaren Schenk, mit aktuell zwölf Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, gebe es deutschlandweit nur noch selten: "Entweder handelt es sich um industrielle Betriebe mit 100 bis 300 Leuten, oder es sind Zwei-Mann-Betriebe, die sich aufs Verzieren der Kerzen beschränkt haben."

Der gelernte Wachsziehermeister mag seine Arbeit. 1984 begann er seine Lehre im Familienbetrieb, heute führt er die Geschäfte zusammen mit seiner Schwester. "Es ist ein schöner Beruf", sagt der 56-Jährige, der auch Vorstandsmitglied der bayerischen Wachszieher-Innung ist. "Man sieht in relativ kurzer Zeit, was man gemacht hat."
Die Tage von Martin Schenk starten oft früh: Gegen 5.30 Uhr beginnt er mit dem Ziehen der Kerzen, "das kann ich allein, aber wenn der Zug fertig ist, brauche ich jede Hand". Selten verlässt er die Fabrik vor 19 Uhr, am Wochenende stehen Büroarbeiten an.

Nicht zuletzt durch die rückläufigen Aufträge von Kirchenseite setzt Martin Schenk auf ergänzende Produkte: zum Beispiel Bohnerwachs oder selbst gemischter Weihrauch, wie der "Kilian-Weihrauch" aus sieben verschiedenen Harzen – alles nach alten Rezepturen hergestellt.
Im kleinen Laden der Fabrik können Besucher ein Stück Nostalgie mit nach Hause nehmen: Dort gibt es zum Beispiel Wachsstöcke, eine Art Vorgänger von Taschenlampen. Und den Klassiker, die "Schlosskerzen", die die Schenks vor über 200 Jahren für die Beleuchtung der Würzburger Residenz ziehen durften und bis heute verkaufen.