"So langsam setzt sich die Stille hier ein bisschen fest." Sarah Merabet hält inne. Sonst sind hier immer zumindest irgendwo Schritte zu hören. Jetzt liegen die Säle des Museums für Franken auf der Würzburger Festung still wie in einem Schloss, das Hals über Kopf verlassen wurde.
"Auch wenn es sonst nicht durchgehend brummt, haben wir normalerweise immerhin 4000 bis 5000 Besucher im Monat", sagt Merabet, zuständig für Pressearbeit und Marketing des Museums. "Das fühlt sich schon komisch an. Keine Gruppen, keine Schulklassen, keine Kinder."
Seit November ist wie alle anderen "Freizeiteinrichtungen" auch das Museum für Franken geschlossen. Doch ob Besucher oder nicht: Das Raumklima muss möglichst konstant bleiben. Deshalb sind die Säle weiterhin geheizt, deshalb werden täglich die Be- und Entlüfter mit Wasser befüllt. Gleich im ersten Raum steht dafür ein halbes Dutzend großer Gießkannen bereit.
Ein Rundgang durchs Museum für Franken im Lockdown hat etwas beinahe Meditatives
Die Gießkannen, ein scheinbar verlassener Staubsauger in der Kelterhalle oder eine Stehleiter neben einem Objekt wären sonst an einem Montag kein ungewöhnlicher Anblick. Der traditionelle Schließungstag wird immer schon zum Abstauben oder für kleinere Wartungen genutzt.
Einzig die Lücken in der Gemäldegalerie deuten an diesem Januarmontag darauf hin, dass etwas nicht stimmt: Hier hängen sonst die Tiepolos, die derzeit an das (natürlich auch geschlossene) Martin von Wagner Museum ausgeliehen sind. "Sonst würden wir hier Ersatz hinhängen", sagt Sarah Merabet, "aber zur Zeit. . ."
Allein im Museum: Ein Rundgang durchs Museum für Franken im Lockdown hat etwas beinahe Meditatives. Als spielte die Zeit keine Rolle mehr. Die Objekte wirken eigentümlich unbelebt. Als bräuchten sie die Aufmerksamkeit der Menschen, um gleichsam zu erwachen – vielleicht ein bisschen wie in den Hollywood-Filmen mit Ben Stiller, in "Nachts im Museum".
Anders gesagt: Säle voller Schätze, die niemand betrachten kann, sind im Grunde sinnlos. Sarah Merabet drückt es etwas freundlicher pragmatisch so aus: "Das Museum kann im Moment seine Funktion nicht erfüllen."
Was in der Leere besonders auffällt: Wie dominant manche Säle sind. Das obere Stockwerk der Echterbastion etwa, mit seinem niedrigen Gewölbe auf stämmigen Säulen. Viele Objekte hier haben es schwer, Ausstrahlung zu entwickeln. Dass das Cranach-Gemälde auch noch direkt neben der Tür zum Treppenturm hängt, etwa da, wo in Hotels die Anweisungen für den Brandfall zu lesen sind, macht es nicht leichter.
Man kann digital einiges machen, aber im Kern ist ein Museum ein analoger Ort
Am anderen Ende des Saals gleißt weißes Licht hinter den Säulen hervor. Restauratorin Brigitte Brühl hat hier einen Tisch aufgebaut. Sie nutzt die Abwesenheit der Besucher, um Bronze-Objekte aus der Merowinger-Zeit (von 500 bis 750 n.Chr.) zu untersuchen und zu fotografieren. Demnächst sollen sie als Leihgabe nach Iphofen gehen, das Knauf-Museum dort plant für das Frühjahr die Ausstellung "Als Franken fränkisch wurde".
Beim ersten Lockdown sei der Unmut über die pauschale Schließung aller Kultureinrichtungen größer gewesen, sagt die Kulturwissenschaftlerin und Kulturmanagerin Sarah Merabet. Als im Sommer wieder geöffnet war, seien die Besucher gerne und zahlreich gekommen. Inzwischen hätten sie gezwungenermaßen andere Prioritäten, als unbedingt möglichst schnell wieder ins Museum zu dürfen. Homeschooling zum Beispiel.
"Und das Museum läuft ja nicht davon. Aber auf Dauer bin ich sicher, dass die Kultur den Menschen fehlen wird." Man könne zwar digital einiges machen, sagt Merabet. "Aber im Kern ist ein Museum ein analoger Ort, ein sozialer Ort, an dem die Menschen sich austauschen wollen."
Dem Museum für Franken fehlen derzeit nicht nur die Besucher, sondern auch eine Leitung
Inzwischen sind die Museumsleute auf der Festung gelassener geworden. Und verfolgen nicht mehr jede neue Meldung zu Corona in Echtzeit: "Das Spekulieren, das dauernde Hinschauen hat nachgelassen. Aber sobald es wieder möglich ist zu öffnen, sind wir vorbereitet."
Zumal die Arbeit für das Team ja im Lockdown weitergeht. Es wird restauriert und inventarisiert, es werden Ausstellungen verschoben, neue geplant, Transporte organisiert. Letzteres ist derzeit nicht ganz so einfach. So soll demnächst der Kiliansaltar aus dem 15. Jahrhundert, eine Leihgabe aus Basel, nach zwei Jahren wieder die Heimreise antreten. Beim Einpacken muss aber unbedingt die Restauratorin aus Basel dabei sein. Eine Reise, die in der Pandemie einiges mehr an Vorbereitung erfordert als sonst.
Dem Museum fehlen derzeit übrigens nicht nur die Besucher. Direktor Erich Schneider und Stellvertreterin Claudia Lichte sind im vergangenen Jahr in den Ruhestand gegangen, die beiden Leitungsposten sind vakant. Auf Anfrage teilt das Kunstministerium dazu mit: "Das Verfahren zur Neubesetzung der Museumsleitung für das Museum für Franken soll in Kürze abgeschlossen werden." Die Besetzung des Stellverteter-Postens werde im Anschluss "durch die künftige Museumsleitung veranlasst".
Museum digital: Wie viele andere Häuser bietet auch das Museum für Franken im Lockdown unter www.museum-franken.de ein wenig Programm im Netz an, etwa einen virtuellen Besuch im Riemenschneider-Saal und Videos auf seinem Youtube-Kanal. Die Ausstellung "Engel?!" ist bis 27. Juni verlängert.