In der Weihnachtsgeschichte spielen Engel eine wichtige Rolle: Über dem Stall in Bethlehem jubeln sie nach Jesu Geburt. Und den Hirten auf dem Feld verkünden sie die frohe Botschaft. Das Wort "Engel" kommt denn auch vom griechischen "Angelos", dem Boten. Die himmlischen Wesen schlagen als geflügelte Boten die Brücke zwischen Himmel und Erde, zwischen Gott und den Menschen. Und zu Weihnachten verkünden sie Frieden und Freude. Ihre Botschaft lautet: "Euch, allen Menschen, der ganzen Welt, ist der Retter geboren."
Engel begleiten viele Menschen von Kindesbeinen an. Sie begegnen uns in Kunst, Literatur, Poesie, Musik und als Schmuck und Dekoration."Sie beschützen uns und überbringen Botschaften, sie schmücken Poesiealben und Kinderbücher, sie schweben am Weihnachtsbaum und bevölkern himmlische Lieder", sagt Veronika Genslein, eine von drei Kuratorinnen der Engel-Ausstellung, die eigentlich gerade im Museum für Franken auf der Festung Marienberg in Würzburg zu sehen wäre. Da die Museen wegen Corona mindestens bis 10. Januar 2021 geschlossen sind, findet die Schau nur online statt.
"Der bekannteste Engel ist der Verkündigungsengel", sagt die Kuturwissenschaftlerin Sarah Merabet. Der dürfe in keiner festlich geschmückten Weihnachtskrippe fehlen, jeder kenne ihn. Gabriel heißt dieser Erzengel, der in der Bibel Maria die Geburt Jesu angekündigt hat – in göttlichem Auftrag. "Ein Erzengel ist ein Engel mit einer führenden Stellung innerhalb der Engelsschar", sagt Merabet. Der Bibel nach gibt es sieben, aber nur drei haben Namen: Gabriel, Michael und Raffael.
Wer wissen möchte, wie viele Engel es gibt, erhält in einer Handschrift Hildegard von Bingens aus dem 12. Jahrhundert einen Überblick: Die Darstellung zeigt nach alter Tradition die neun Chöre der Engel, kreisförmig angeordnet in Reihen um die strahlend weiße Mitte, die Gott symbolisiert. "Cherubim und Seraphim sind Gott am nächsten", erklärt Veronika Genslein. Throne, Fürsten, Mächte, Gewalten und Herrschaften sind in der Darstellung auch Engel, Hildegard von Bingen ordnet sie den fünf menschlichen Sinnen zu. "Erzengel und Engel wirken auf den Menschen ein und haben Begegnungen mit Menschen."
Der Glaube an Engel gehört zu den ältesten Mythen überhaupt: "Gott hat seinen Engeln befohlen, dich zu beschützen, wohin du auch gehst. Sie werden dich auf Händen tragen, damit du nicht über Steine stolperst." So heißt es in Psalm 91, der oft als Taufspruch verwendet wird. Etwa dreihundert Mal, so haben Theologen gezählt, begegnen uns Engel in der Bibel. "Sie erleichtern die Verbindung zwischen Gott und den Menschen", sagt Paul Weismantel, Domvikar und Leiter des Referats Geistliches Leben. "Immer wenn Gott den Menschen eine wichtige Botschaft mitteilen will, setzt er Engel ein."
Engel bei der Arbeit in der Himmelswerkstatt
Alle 300 Stücke, die jetzt in der Ausstellung im Museum für Franken zu sehen wären (und online zu sehen sind), stammen aus der Privatsammlung von Gudrun Wirths aus Marktbreit (Lkr. Kitzingen), die seit 35 Jahren Christbaumschmuck und alles rund um Weihnachten sammelt. Angefangen hat ihre Leidenschaft für Engel mit einem Kinderbilderbuch: "Die Himmelswerkstatt" von Erich Heinemann aus dem Jahr 1952. "Petrus und der Weihnachtsmann beaufsichtigen da die Engel im Himmelsschloss bei ihrer Arbeit", sagt Gabriele Wirths über das Buch aus ihren Kindertagen. Die niedlich gezeichneten Engelchen stellen in der Geschichte Spielzeug für Kinder her. "Dieses Büchlein fängt auf wunderbare Weise die stimmungsvolle Adventszeit ein", sagt die Sammlerin. "Und sowohl der Weihnachtsmann als auch das Christkind sind dabei."
Eines ihrer Lieblingsstücke ist ein Schwebeengel aus dem Erzgebirge: "Ich habe lange darauf gespart", sagt die Marktbreiterin, die wohl eine der größten privaten Weihnachtsschmuck-Sammlungen im Lande besitzt. Seit über zwei Jahrzehnten sammelt die ehemalige stellvertretende Museumsbeauftragte der Stadt Marktbreit Weihnachtliches. Die Schwebeengel, die im Erzgebirge eine 500 Jahre lange Tradition haben, wurden an der Decke aufgehängt. Der Engel in der Ausstellung hat ein markantes Gesicht, trägt ein enganliegendes hellblaues Gewand, weit ausgebreitete Flügel und eine goldene Krone. "Er hängt normalerweise das ganze Jahr bei mir im Wohnzimmer", sagt Wirths. Schwebeengel waren auch Teil der Weihnachtskrippen, die damals in Mode kamen. "Zum Krippenspiel ließ man sie als lebensgroße Figuren von der Decke schweben."
Erst im 19. Jahrhundert wurden die Engel weiblicher und bekamen rundere Gesichter und aufwendigere Kleider. "Engel werden ab dieser Zeit meist als weibliche, liebliche Wesen mit langem, oft blondem Haar dargestellt", erklärt Genslein. Die Massenproduktion und Vermarktung im 20. Jahrhundert hätte diese Darstellungsart immer weiter auf die Spitze getrieben. "Die Vorstellung, wie Engel aussehen, hat sich in der Menschheitsgeschichte oft verändert", so Genslein. Meistens aber wurden Engel als geflügelte Wesen dargestellt. Die Flügel symbolisieren die Verbindung von Himmel und Erde.
Unikate sind auch zwei Weihnachtsbäume aus dem 18. Jahrhundert, gefertigt aus echten Gänsefedern. Die Federn wurden später grün eingefärbt und sehen so täuschend echt aus. "Es sind die ersten künstlichen Weihnachtsbäume überhaupt", erklärt Kuratorin Veronika Genslein. In der Ausstellung sind die Bäume reich mit Oblaten geschmückt, an der Spitze darf ein Engel nicht fehlen. Heute sind die künstlichen Weihnachtsbäume, die nicht nur in den USA und Kanada, sondern auch in Ländern ohne Tannen verbreitet sind, eher aus Kunststoff, aber auch aus Metall hergestellt.
Hilfe in Krisen- und Notzeiten
Die Ausstellung zeigt: Gerade in Krisen- und Notzeiten sehnten sich die Menschen schon immer die Engel herbei. Der Glaube an Engel sei durchaus legitim, sagt der Domvikar. So gehöre für viele Menschen ein Gute-Nacht-Gebet an den Schutzengel zum abendlichen Ritual. "Schutzengel sind stark, sie haben große Kräfte und sie übersteigen uns", so Weismantel.
Vor etwa 200 Jahren sei es populär geworden, sich ein Engelsbild ins Wohn- oder Schlafzimmer zu hängen, sagt Kuratorin Genslein: "Diese etwas kitschigen Bilder konnten zu dieser Zeit preisgünstig in Massenproduktion hergestellt werden. So konnte sich endlich fast jeder diesen Wandschmuck leisten." Solche Bilder fände man noch auf Flohmärkten oder im Internet.
Bemerkenswert: Boten zwischen der göttlichen und der menschlichen Welt kommen in fast allen Religionen und Kulten vor. "Den Erzengel Michael gibt es nicht nur im Christentum, sondern auch im Judentum und im Islam", sagt Sarah Merabet. Auf Türkisch heißen die vier Erzengel übrigens Cebrail, Azrail, Mikail und Israfil. Zusammen ergeben sie das Akronym CAMI, was Moschee heißt.
Auch zwischen Engeln und Musik besteht eine lange Beziehung. "Schon im Alten Testament kommen die Engelschöre vor", erläutert Weismantel. "Sie singen ohne Zeit und Raum und preisen Gott in der Höhe." In jüngster Zeit besangen Rock -und Popstars wie Robbie Williams, Madonna oder Jimi Hendrix die "Angel". Und sogar von Rammstein gibt es einen Song zum Thema, allerdings kommt Sänger Till Lindemann zu dem Schluss: "Gott weiß, ich will kein Engel sein." 27 Songs über die himmlischen Boten haben die Macher der Ausstellung in einer Spotify-Playlist zusammengestellt, sozusagen als bleibende Erinnerung an die Schau.
In ganz Europa und weltweit umgab man sich gerne mit lieblichen Schutzengeln, die als anmutige Gestalten den Menschen von der Geburt bis zum Tod begleiten. Engel galten und gelten als schützende Weggefährten. Darum verschenkt man sie zu wichtigen Ereignissen im Leben: zur Geburt, Taufe, Kommunion, Konfirmation oder Hochzeit und auch bei Krankheit oder Todesfall. Wie wichtig Schutzengel für die Menschen sind, sehe man heute noch, sagt Genslein: "Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa glauben etwa zwei Drittel aller Deutschen an Schutzengel." Weniger Menschen gaben an, an Gott zu glauben. Die klaren Aufgaben der Engel machen sie vielleicht "greifbarer". Der Gedanke, von freundlichen Wesen umgeben und beschützt zu werden, ist tröstlich. Nicht nur zur Weihnachtszeit.
Die Ausstellung "Engel" im Museum für Franken in Würzburg, geplant bis 11. April, ist Corona-bedingt geschlossen. Aktuell kann man auf Facebook,Instagram und YouTube einen Blick in die Ausstellung und hinter die Kulissen werfen. Infos: museum-franken.de