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Würzburg
Zwei Ordensfrauen über Armut: "Wenn man sich bemüht um ein einfaches Leben, braucht man wenig"
Schwester Rafaela und Schwester Hedwig haben beim Eintritt ins Kloster ihren Besitz abgegeben. 30 Euro im Monat haben sie zur Verfügung. Wie geht es ihnen damit?
Möchten sie sich etwas kaufen, was einen Monatsbetrag von 30 Euro übersteigt, müssen die Generalvikarin der Würzburger Erlöserschwestern, Schwester Hedwig Zinner (links), und Schwester Rafaela Rink (rechts) vorher immer ihre Kommunitätsleiterin fragen.
Foto: René Ruprecht | Möchten sie sich etwas kaufen, was einen Monatsbetrag von 30 Euro übersteigt, müssen die Generalvikarin der Würzburger Erlöserschwestern, Schwester Hedwig Zinner (links), und Schwester Rafaela Rink (rechts) vorher ...
Gisela Rauch
 |  aktualisiert: 11.04.2024 02:48 Uhr

Wenn Ordensfrauen ins Kloster eintreten, legen sie neben den Gelübden der Keuschheit und des Gehorsams auch das Gelübde der Armut ab. Wie zeigt sich diese selbstgewählte Armut im Klosteralltag? Was bedeutet sie? Warum ist sie für Ordensfrauen positiv besetzt? Schwester Hedwig Zinner, die Generalvikarin der Würzburger Erlöserschwestern, und Schwester Rafaela Rink beantworten viele Fragen zum Thema Armut.

Frage: Was muss eine Ordensfrau beim Eintritt an der Klosterpforte zurücklassen? Das Auto? Die Büchersammlung? Das geerbte Geld?

Schwester Rafaela: Ich bin 1988 ins Kloster eingetreten. Da hieß es tatsächlich: das Auto verkaufen und an der Bank das Konto auflösen.

Bekommt dann das Kloster den Besitz?

Schwester Hedwig: Der Besitz oder ein Erbe wird von der Gemeinschaft übernommen, wird aber nicht angetastet zu Lebzeiten und kommt erst der Gemeinschaft zugute, wenn oder falls die Schwester in ihrem Testament dies so verfügt hat. Das Testament macht die Schwester noch vor ihrem ersten Gelübde. Sie regelt dadurch, was mit ihrem Besitz nach ihrem Tod geschieht, wer bis dahin den Besitz verwaltet und was in der Zwischenzeit mit den Gewinnen passiert. Früher haben die Schwestern oft auch Wald mitgebracht oder Wohnrechte oder eine Wiese, auch das wurde testamentarisch geregelt.

Überschreiben denn die Schwestern ihren Besitz meistens dem Kloster?

Schwester Rafaela: Man muss sich das vorstellen wie einen lebenslangen Vertrag. Die Schwester gibt sich hinein in die Ordensgemeinschaft - mit allem, was sie ausmacht. Und das bedeutet auch, dass alles, was sie verdient, nicht ihr gehört, sondern dem Kloster. Umgekehrt verpflichtet sich die Kongregation, immer für die Schwester zu sorgen, besonders natürlich bei Krankheit und im Alter.

Was bedeutet das Armutsgelübde im Alltag? Angenommen, Sie sehnen sich nach einem schönen neuen Mantel, Schwester Rafaela. Können Sie sich den einfach auf Kongregationskosten kaufen?

Schwester Rafaela: Normalerweise trage ich Sachen auf, die jemand anderer nicht mehr braucht und fahre gut damit. Aber wenn im Fundus des Klosters absolut nichts verfügbar ist, dann bitte ich die Kommunitätsleiterin, ob sie mir das Geld für einen Mantel gibt. Aber ich kaufe natürlich nicht in einem superteuren Laden.

Ab welchem Betrag müssen Sie denn fragen, ob Sie es kaufen dürfen?

Schwester Hedwig und Schwester Rafaela: Für alles.

Auch kleine Beträge? Wenn Sie etwa mit einer Freundin aus Jugendzeiten einen Cappuccino trinken gehen wollen – müssen Sie da auch fragen?

Schwester Rafaela: Die meisten von uns haben ein monatliches Vorschussgeld von 30 Euro für kleinere Ausgaben. Auch diese muss ich abrechnen und belegen.

Aber die 30 Euro sind jetzt schon gedacht für kleine, private Freuden und nicht zum Beispiel für alltägliche Notwendigkeiten wie etwa Salben oder Augentropfen?

Schwester Rafaela und Schwester Hedwig: Wir haben ja einen Vorrat von Kosmetik- und Pflegeartikeln und auch von Salben und Medikamenten im "offenen Schrank"; da kann man sich bedienen. Die Kommunitätsleiterin sorgt dafür, dass alles da ist, was gebraucht wird. Das gilt auch für teure Medikamente, Pflegehilfen oder Pflegedienste für unsere vielen betagten Schwestern.

Dass Sie nur 30 Euro im Monat zur Verfügung haben, hört sich nach einer großen Beschränkung an. Was hat das für Sie - gerade am Anfang - bedeutet, mit so wenig auskommen zu müssen?

Schwester Hedwig: Ich war es nicht großartig anders gewöhnt. Das, was ich brauche, bekomme ich. Das reicht mir.

Schwester Rafaela: Ich habe mir schon immer überlegt, was im Leben wirklich notwendig ist. Und wenn man sich bemüht um ein einfaches Leben, braucht man wenig.

Schwester Hedwig: Und man muss es immer überprüfen, sich fragen: Ist vielleicht ein Teil meines Besitzes überflüssig? Kann ich von jemand anderem etwas mitbenutzen?

Schwester Rafaela: Vielleicht meine ich nur, etwas zu brauchen? Es ist wichtig, den Grund eines Bedürfnisses zu erforschen. Will ich etwas kaufen, nur als Beispiel, weil ich gerade Frust habe?

Wer auf Befriedigung seiner weltlichen Sehnsüchte verzichtet, öffnet den Raum für Gott. So sieht es Schwester Rafaela Rink, die hier ein Kreuz in ihre Hände gelegt hat. 
Foto: René Ruprecht | Wer auf Befriedigung seiner weltlichen Sehnsüchte verzichtet, öffnet den Raum für Gott. So sieht es Schwester Rafaela Rink, die hier ein Kreuz in ihre Hände gelegt hat. 
Was macht die Armut, in der Sie leben, mit einem Menschen?

Schwester Rafaela: Letztendlich geht es ums Freiwerden. Es geht darum, den Raum zu öffnen für Gott. Und da können materielle Dinge sehr wohl im Weg stehen. Gerade in der heutigen Zeit ist es sicher sehr schwierig, den Weg zu Gott zu finden, weil einem von außen so viel angeboten, so viel suggeriert wird.

Es ist nachvollziehbar, dass der Wegfall von Materiellem dazu führt, dass Räume frei werden. Aber ist man nicht erstmal auf sich zurückgeworfen, wenn man etwa auf Ablenkungen, auf Café-Besuche, selbst auf den Einkaufsbummel verzichtet? War bei Ihnen da keine Leere, die Sie in sich gespürt haben? War da gleich Gott?

Schwester Hedwig: Der Verzicht ist nicht eine bewusste Entscheidung gegen etwas, sondern eine bewusste Entscheidung für etwas. Für Gott. Dadurch, dass wir die Leere schaffen, hat Gott einen Platz.

Empfinden Sie sich selbst als arm?

Schwester Hedwig: Natürlich spürt man ab und zu, dass einem etwas abgeht. Aber mit dem Wenigen, das ich habe, bin ich zufrieden. Ich sehe mich nicht als arm. Ich kann mich an kleinen Dingen freuen, an dem Mandelbaum, der vor meinem Fenster blüht. Oder an einem gemeinsamen Ausflug.

Schwester Rafaela: Es bleiben Sehnsüchte. Eine Flugreise ins Ausland, eine Woche am Strand etwa, so etwas ist nicht möglich. Aber ich denke dann nicht an den Verzicht, sondern daran, dass ich mich bewusst für dieses Leben entschieden habe und anderes sein lasse. Viele Menschen in unserer Zeit wirken auf mich so, als wollten sie sich nicht für ein bestimmtes Leben entscheiden, sondern sich alles offenhalten. Was ist das Ende vom Lied? Dass man dasteht mit leeren Händen.

Das Mutterhaus der Erlöserschwestern in der Würzburger Innenstadt. Hier leben rund 60 Ordensfrauen. Die meisten von ihnen sind sehr betagt. 
Foto: Silvia Gralla | Das Mutterhaus der Erlöserschwestern in der Würzburger Innenstadt. Hier leben rund 60 Ordensfrauen. Die meisten von ihnen sind sehr betagt. 
Die Erlöserschwestern haben einen besonderen Bezug zur Armut. Sie setzen sich seit Gründung der Kongregation vor allem für Arme und Kranke ein. In welcher Form tun sie dies heute?

Schwester Hedwig: Wir Erlöserschwestern kümmern uns um die Armen unserer Zeit; und das sind die Geflüchteten. Wir betreiben seit 2017 eine Teilgemeinschaftsunterkunft für rund 50 besonders schutzbedürftige Geflüchtete. Das sind vor allem Frauen mit Kindern oder Schwangere. Und auch Kranke, psychisch angeschlagene Menschen, darunter auch viele Männer.

Und diese Menschen empfinden Sie als arm?

Schwester Rafaela: Das ist ein großer Unterschied. Anders als wir haben die Geflüchteten sich ihre Armut nicht ausgesucht.

 
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