So richtig Freude will nicht aufkommen, wenn Karl Döppert auf die Zuckerrüben schaut, die sich unter ihm vom Lkw in den Entladeschacht ergießen. Döppert ist Landwirt aus Welbhausen und einer von elf sogenannten Rübenschätzern, die während der Rübenkampagne rund um die Uhr über der Entladestation der Ochsenfurter Zuckerfabrik im Einsatz sind. Ihre Aufgabe ist es zu schätzen, wie viel Erde den Rüben anhaftet und wie hoch die Abzüge für die Landwirte deshalb sein werden. Eine Aufgabe, die viel Vertrauen voraussetzt, zumal in einem Jahr wie diesem.
Seit September läuft die Fabrik. Damals war man noch von unterdurchschnittlichen Erträgen und hohen Zuckergehalten ausgegangen. Dann kam der feucht-warme Herbst mit rund 100 Liter Regen pro Quadratmeter und die Rüben haben noch einmal kräftig zugelegt. Der Preis dafür ist der hohe Erdanteil, der in der Fabrik zu schaffen macht. Um die acht Prozent sind es gegenwärtig.
Obwohl die Aufbereitung der Erde inzwischen zum Flaschenhals in der Verarbeitungskette geworden ist, übt sich Werkleiter Stefan Mondel in Gelassenheit. Solche schmutzigen Ernten gab es immer schon. "Eigentlich ist es ein normales Jahr, wir waren nur verwöhnt von den Vorjahren", sagt Mondel.
Es gibt mehrere Ursachen dafür: Um den Zuwachs im Herbst noch zu nutzen, wurden die letzten Rüben drei Wochen später gerodet als früher. "So spät wie noch nie", sagt Klaus Ziegler, Geschäftsführer im Verband Fränkischer Zuckerrübenbauer VFZ. In normalen Jahren lagern die Rüben bis zur Abfuhr auf abgedeckten Mieten und können abtrocknen. Ein Großteil der Erde fällt dann beim Verladen einfach ab und bleibt auf dem Acker zurück. Heuer blieb die Erde feucht.
Fruchtbarer Boden geht zurück auf den Acker
In der Fabrik geht man sorgsam mit dem fruchtbaren Boden um. Ließ man den Schlamm aus der Rübenwäsche früher in einem großen Teich versumpfen, so wird er heute in großen Kammerfilterpressen entwässert und kann direkt wieder als nährstoffreicher Boden auf die Äcker gefahren werden. In Jahren wie diesen sind es riesige Mengen, die Tag für Tag abtransportiert werden müssen. Das Waschwasser wird mehrfach in den Kreislauf zurückgepumpt, bevor es in der Kläranlage biologisch gereinigt und in den Main geleitet wird.
Im vergangenen Sommer hat Südzucker in eine neue Waschanlage investiert, die auch Steine und Sand, die bei der Rübenwasche anfallen, von restlicher Erde zu befreit. "Die Steine kann man leider nicht mehr sinnvoll nutzen", sagt Werkleiter Mondel. Das Gestein stamme aus dem gesamten fränkischen Anbaugebiet und sei von so unterschiedlicher Qualität, dass eine Aufbereitung, etwa als Straßenschotter, nicht infrage komme. Die Steine, immerhin 20 bis 25 Tonnen täglich, landen auf der Deponie.
Förderanlagen werden modernisiert
Eigentlich sollte der Rübenhof bereits ganz anders aussehen. Nach einem durch Brandstiftung verursachten Großbrand im Juni 2017 hatte die Südzucker AG entschieden, den Hof komplett zu modernisieren. Statt auf Förderbändern sollten die Rüben über einen Kanal schwimmend ins Waschhaus gelangen. Weit über zehn Millionen hätte der Umbau gekostet.
Vor dem Hintergrund einer anhaltenden Preiskrise, der auch dem größten europäischen Zuckerkonzern rote Zahlen in seinem Kernsegment beschert hat, wurden die Planungen gestoppt. Stattdessen sollen die bestehenden Förderanlagen in den kommenden Jahren weiter ertüchtigt und modernisiert werden – für einen Bruchteil der ursprünglich angesetzten Kosten.
Dazu gehören auch eine Sanierung der Betonbauteile, an denen die Auswirkungen des Großbrands noch immer sichtbar sind, und ein weiterer Ausbau der Schallschutzanlagen, so Stefan Mondel. Mehrere Millionen Euro werde das Werk außerdem in den kommenden Jahren in die Modernisierung der Prozessleittechnik investieren.
Nach den Tiefstständen der beiden vorangegangenen Jahre befindet sich der Zuckerpreis in der EU seit Oktober wieder im Aufwärtstrend, sagt VFZ-Geschäftsführer Klaus Ziegler. Der Preis wird von unterdurchschnittlichen Ernten und einer verringerten Anbauflächen beflügelt. Weil die Rübenbauern seit dem Ende der EU-Zuckermarktordnung direkt nach den Verkaufserlösen von Südzucker vergütet werden, profitieren sie direkt von dieser Entwicklung, allerdings zeitverzögert, weil die meisten Abnehmer längerfristige Kaufkontrakte abgeschlossen haben.
Erste Anzeichen einer Konsolidierung
Um die Produktionsmenge zu reduzieren und den EU-Zuckermarkt zu konsolidieren, hat Südzucker beschlossen, nach dieser Kampagne fünf Werke in Europa, zwei davon in Deutschland, zu schließen. 700 000 Tonnen Zucker sollen so jährlich vom Markt genommen werden. Das soll zu einer weiteren Stabilisierung des Preisniveaus führen.
Werkleiter Stefan Mondel hofft indes, dass zumindest für die restliche Kampagne das Wetter trocken bleibt. Bis zum 10. Januar sollte die Rübenverarbeitung ursprünglich abgeschlossen sein. Wegen des hohen Erdanteils geht er inzwischen davon aus, dass die Maschinen vermutlich erst zwei bis drei Tage später abgestellt werden.