Die Südzucker AG steckt tief in der Krise. Angetrieben durch den Preisverfall auf dem Weltmarkt erwirtschaftete der größte europäische Zuckerkonzern im Geschäftsjahr 2018/19 in seinem Kernsegment einen operativen Verlust von 239 Millionen Euro. Das hat auch Folgen für das Werk Ochsenfurt. Die Kompletterneuerung des bei einem Großbrand vor genau zwei Jahren stark beschädigten Rübenhofs wurde gestrichen, der geplante Neubau eines Verwaltungsgebäudes auf unbestimmte Zeit vertagt.
Die Förderanlagen auf dem Rübenhof sind an einigen Stellen noch immer von dem Feuer gezeichnet, das dort am Abend des 17. Juni 2017 gewütet hatte. Um für die bevorstehende Kampagne gerüstet zu sein, waren sie damals provisorisch instand gesetzt worden. Im Jahr darauf sollte der Rübenhof komplett umgebaut werden. Die trockene Logistik über Förderbänder sollte dabei einem Schwemmkanal weichen, über den die Rüben schwimmend und über Pumpen ins Waschhaus befördert werden sollten.
Das Provisorium hielt erstaunlich gut durch. Weil man zugleich die Genehmigungszeiten für den neuen Rübenhof unterschätzt hatte, entschied sich das Unternehmen, den Umbau um ein Jahr zu verschieben. Jetzt folgt das endgültige Aus für die Pläne. "Vor dem Hintergrund der aktuellen Unternehmenssituation müssen wir alle Investitionsentscheidungen auf den Prüfstand stellen", sagt dazu Konzernsprecher Dominik Risser.
8,5 Millionen Euro weniger Investitionen
Auf rund 14 Millionen Euro waren die Kosten für den Umbau des Rübenhofs veranschlagt worden.Stattdessen will Südzucker nun die bestehenden Anlagen im Lauf der nächsten drei Jahre weiter verbessern und damit Kosten von 8,5 Millionen Euro einsparen. "Die Ziele, die wir uns gesetzt haben, können wir damit sehr gut erfüllen", so Risser. Gemeint ist damit vor allem die Verbesserung der Rübenlogistik und die Erfüllung von Umweltauflagen.
Letzterem dient die neue Steinwaschanlage, die in den vergangenen Monaten neben dem Waschhaus entstand. Steine, die mit den Rüben in die Fabrik gelangen und über einen speziellen Abscheider ausgesondert werden, werden dort künftig von anhaftender Erde und Pflanzenresten befreit, bevor sie auf eine Deponie gefahren werden.
Neues Verwaltungsgebäude auf unbestimmte Zeit verschoben
Auf unbestimmte Zeit verschoben ist der Bau eines neuen Verwaltungsgebäudes. Geplant war es einige hundert Meter vom Werk entfernt in der Fabrikstraße neben dem Gelände der früheren Malzfabrik.Eigens dafür sollten der Flächennutzungsplan und der Bebauungsplan der Stadt Ochsenfurt geändert werden.
Stattdessen wird das alte Verwaltungsgebäude an der Marktbreiter Straße, das früher auch Teile der Konzern-Hauptverwaltung beherbergte, in den kommenden Monaten gründlich renoviert. Wie lange der Neubau verschoben wird, dazu könne gegenwärtig niemand etwas sagen, so Dominik Risser. "Wir müssen erst wieder im Zuckersegment Fuß fassen und Sicherheit gewinnen", sagt er.
Aus dem Tritt geraten ist Südzucker wie die übrigen europäischen Erzeuger durch den Absturz des Zucker-Weltmarktpreises auf ein Rekordtief von unter 300 Euro pro Tonne. "Zu diesem Preis kann niemand auf der Welt wirtschaftlich produzieren", so Dominik Risser. In Europa gelten Preise um 450 Euro als ökonomische Untergrenze.
Überangebot auf dem Weltmarkt
Seit dem Ende der Zuckermarktordnung im Jahr 2017 sei der europäische Zuckermarkt der am wenigsten regulierte der Welt und reagiere entsprechend sensibel auf weltweite Angebotsschwankungen. Für den jüngsten Preisverfall wird vor allem das Erzeugerland Indien verantwortlich gemacht, das zur Stützung der heimischen Landwirtschaft die Erzeugung von Rohrzucker hoch subventioniert und das Überangebot von mehreren Millionen Tonnen auf dem Weltmarkt platziert hat. "Die Folgen dieser Entwicklung werden nun direkt in unseren Vorgarten geschoben", sagt Risser.
Südzucker hatte sich von langer Hand auf das Ende der Zuckermarktordnung vorbereitet, unter anderem mit einem Effizienzprogramm für die eigenen Standorte und die Diversifizierung des Geschäfts auf die Sparten Tiefkühlpizza, Stärke, Ethanol und Fruchtzubereitungen. Im abgelaufenen Geschäftsjahr gelang es dem Konzern dadurch, trotz des Einbruchs beim Zucker, der knapp 40 Prozent am Umsatz ausmacht, noch ein knapp positives Gesamtergebnis von 27 Millionen Euro zu schreiben, nach 445 Millionen im Vorjahr.
Preisverfall nicht vorhergesehen
"Die Diversifizierungsstrategie hat sich bestätigt", folgert Dominik Risser daraus. Dass der Zuckerpreis auf ein "desaströses" Niveau abstürzt, habe man hingegen nicht vorhergesehen. Statt der ursprünglich beabsichtigten Internationalisierung will sich Südzucker deshalb in den kommenden Jahrenn ganz auf Europa konzentrieren und den Markt durch die Schließung von fünf Werken - je zwei in Deutschland und Frankreich sowie eines in Polen - ab dem kommenden Jahr um insgesamt 700 000 Tonnen entlasten.
Wie lange die Preiskrise andauern wird, darüber wagt der Konzernsprecher nicht zu spekulieren. In der Branche rechne man aber damit, dass Indien seine kostenintensive Subventionspolitik nicht mehr lange durchhalten kann. Gegenwärtig gehe man davon aus, dass sich die Preise ab Oktober wieder leicht erholen.
Die Zuckerfabrik in Och hat keine Zukunft.
Deshalb lieber jetzt ein Aus mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende.
Die freiwerdenden Flächen bieten ungeahnte Entwicklungsmöglichkeiten. An Konzepten für ein Danach muss jetzt gearbeitet werden.
Für Ochsenfurt und die umliegenden Gemeinden heißt das, die Stadt und das Umland darf zwar die Lasten tragen, aber es kommt kein roter Cent in den Steuersack.
Wann endlich wacht Ochsenfurt auf und setzt nicht mehr auf die dahinsiechende Zuckerindustrie.