Trotz aller Warnungen: Immer wieder fallen ältere Menschen auf Enkeltrickbetrüger am Telefon herein, die ihre Hilfsbereitschaft skrupellos missbrauchen. Die Entwicklung macht der Polizei in Unterfranken Sorgen. Denn ihre Zahlen und jüngste Fälle zeigen: Die Betrüger haben - trotz guter Aufklärungsarbeit von Seniorenverbänden - immer häufiger Erfolg.
Ein aktueller Fall in Würzburg liegt nur wenige Tage zurück. Eine Seniorin hörte Entsetzliches am Telefon: Ihre Tochter habe einen tödlichen Verkehrsunfall verursacht, nun müsse für sie eine Kaution in Höhe von 100.000 Euro hinterlegt werden. Die Anruferin machte ihr Opfer konfus, die Frau ließ sich überreden, ihr Erspartes einer fremden Geldbotin zu übergeben.
Erst hinterher stellte sich heraus: Nichts daran stimmte, die Seniorin aus Lengfeld war Betrügern durch den "Enkeltrick" aufgesessen - wie davor andere Betroffene in Dettelbach (Lkr. Kitzingen), Bad Kissingen und im Main-Tauber-Kreis.
Bayerisches Landeskriminalamt: Massive Steigerung der Fälle
Die Anrufer setzen bei der perfiden Masche auf finanzielle Hilfsbereitschaft unter Verwandten und geben sich am Telefon in vielen Fällen als Polizisten aus. Mal ruft vermeintlich die Staatsanwaltschaft an. Mal melden sich scheinbar Tochter oder Sohn per SMS oder WhatsApp-Nachricht. Mal soll ein Verwandter jemanden überfahren haben - und immer geht es um das Ersparte. Den WhatsApp-Betrug erfasst das bayerische Landeskriminalamt etwa erst seit 2022. Allein im vergangenen Jahr sind im Freistaat 11.000 Fälle bekannt geworden. In etwa einem Drittel davon überwiesen die Opfer Geld, insgesamt rund acht Millionen Euro.
Die Zahl der Schockanrufe ist laut Polizeiangaben in den vergangenen fünf Jahren massiv gestiegen. Weil die verschiedenen Varianten dieser Masche aus Telefonzentralen, häufig in Osteuropa, organisiert werden, spricht man von Callcenter-Betrug. Zwar blieb in Unterfranken die Zahl der bekannt gewordenen Versuche 2022 laut Polizeisprecher Enrico Ball annähernd gleich zum Vorjahr, als 2592 Fälle registriert wurden. Doch die Täterinnen und Täter waren dreimal so erfolgreich wie 2021, als sie in 152 Fällen abkassiert hatten. Nach Angaben des Polizeipräsidiums ging es im Vorjahr um 1,4 Millionen Euro, im vergangenen Jahr wurden die Opfer bereits um über vier Millionen Euro betrogen.
Bayernweit fürchtet die Polizei, dass diese Zahl noch einmal steigen wird. Nur selten werden - wie kürzlich in Bad Kissingen - zumindest die Geldboten erwischt, weil der Angerufene misstrauisch war oder gewarnt wurde. Doch die Abholer sind oft nur für diese Gelegenheit engagiert und kennen selbst die Hintermänner nicht, die einfach weitermachen können.
Enkeltrick: eine altbekannte Masche in immer neuen Varianten
Dabei ist der Enkeltrick eine alte Masche. Der Augsburger Soziologe Christian Thiel, der zu Betrugsfällen forscht, sagt zu den Ursprüngen: "Der Legende nach hat ihn ein bekannter Betrüger zufällig entwickelt." Der Mann habe einen älteren Herrn angerufen und ihm einen billigen Teppich als hochwertig andrehen wollen. Der Senior verwechselte ihn mit seinem Enkel und gab dem Betrüger bereitwillig Geld. Seitdem, so Thiel, kursiere die Masche in immer neuen Variationen. Immer häufiger werden inzwischen Betrugsversuche über das Smartphone und Nachrichten per WhatsApp.
Grundvertrauen ausgenutzt: Täter bauen starken Druck auf
"Herauszufinden, dass der Absender nicht Enkel oder Kind ist, ginge einfach", sagt der Soziologe. Aber damit die Opfer nicht die echten Kinder oder Enkel kontaktierten, würden die Täter sehr viel Druck aufbauen. Nur warum fallen Menschen immer wieder auf die Tricks herein – trotz der Aufklärung? "Wir begegnen anderen mit einem gewissen Grundvertrauen", sagt Thiel. Das nutzten die Täter aus. "Für unsere Forschung haben wir mit Geschädigten gesprochen. Viele konnten nicht verstehen, warum sie den Trick nicht durchschaut haben."
Thiels Rat: "Wenn Ihnen etwas merkwürdig vorkommt – vor allem, wenn es um Geld geht –, sprechen Sie mit einer dritten Person oder mit der Polizei."