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Zellingen
Betrug per Anruf: Wie der Clan falscher Polizisten Senioren um das Ersparte bringt
Sie geben sich am Telefon als Polizisten aus, sprechen von Notfall und Gefahr - und behaupten zu helfen. Mit welcher brutalen Masche Kriminelle auch in Unterfranken Opfer betrügen.
Vorsicht, wenn angebliche Polizisten am Telefon nach Geld fragen: Auch in Unterfranken sind Kriminelle mit Callcenter-Betrug am Werk (Symbolbild).
Foto: Julian Stratenschulte/dpa | Vorsicht, wenn angebliche Polizisten am Telefon nach Geld fragen: Auch in Unterfranken sind Kriminelle mit Callcenter-Betrug am Werk (Symbolbild).
Manfred Schweidler
 |  aktualisiert: 10.02.2024 18:23 Uhr

Keine Lüge ist dem Clan der falschen Polizisten zu brutal, Hauptsache, die Opfer können keinen klaren Gedanken mehr fassen. Wie jetzt eine entsetzte Mutter in Zellingen (Lkr. Main-Spessart). Ihr Sohn habe eine Passantin tot gefahren, teilten ihr am Telefon zuerst ein angeblicher Staatsanwalt, dann ein "Polizist" mit. Sie sollte Geld bezahlen, um ihren Sohn vor dem Gefängnis zu bewahren. Und sie zahlte: mehr als 10 000 Euro, an Betrüger.

Die Zellingerin ist kein Einzelfall. Mit dieser Art des Telefonbetrugs bringt eine Callcenter-Bande mit mafiösen Strukturen viele Betroffene um ihr Erspartes. Die Masche: Erst werden die Opfer mit Anrufen (meist aus Callcentern in der Türkei) in Angst und Schrecken versetzt. Dann bietet vor Ort ein angeblicher Polizeibeamter Hilfe - und bringt das geforderte Bargeld "in Sicherheit". Mal erzählen die Betrüger von Einbrechern oder Falschgeld, mal von kriminellem Bankpersonal.

Hohe Dunkelziffer: Viele Opfer schweigen aus Scham

Zwischen 2018 und 2020 haben Kriminelle in Bayern laut Landeskriminalamt (LKA) mit der Methode "Falsche Polizisten" in Bayern mindestens 25 Millionen Euro erbeutet, verteilt auf über 40 000 Betrugsfälle. Bundesweit waren es dem Bund deutscher Kriminalbeamter zufolge über 120 Millionen Euro. Von weit über tausend Fällen von Callcenter-Betrug im Jahr 2020 weiß die unterfränkische Polizei. Doch die Dunkelziffer ist weit höher, denn viele Opfer schweigen aus Scham.

Vor zwei Jahren trafen die Betrugsanrufe eine 89-jährige Würzburgerin, die beispielhaft ist für viele Opfer. 32 000 Euro verlor die Witwe, die Vertrauen in den angeblichen Polizisten hatte – und sich später bittere Vorwürfe über die eigene Naivität machte.

Der erste der vermeintlichen Ermittler hatte beim Anruf nach 21 Uhr eine beängstigende Nachricht: "Wir haben zwei Männer gefasst, sie wollten bei Ihnen einbrechen. Verschließen Sie alles gut!" Mit wiederholten Anrufen - über Tage und immer spätabends - brachten die Betrüger die Seniorin dazu, 32 000 Euro von der Bank zu holen. "Machen Sie sich keine Gedanken, morgen früh haben Sie Ihr Geld wieder", habe die Stimme am Telefon sie beruhigt.

Bankpersonal ist geschult und fragt nach

Das Personal an Bankschaltern ist zwar längst geschult, gezielt nachzufragen, wenn langjährige Kunden plötzlich scheinbar grundlos kommen, um ihr Konto oder Schließfach zu leeren. Manche Banken stecken das Geld sogar in spezielle Kuverts, auf die gut lesbar Hinweise und Details zu Betrugsmaschen als Warnung gedruckt sind. Doch den Nachfragen sind Grenzen gesetzt, ein Kunde kann selbst entscheiden, was er mit seinem Geld macht.

Mit dem Umschlag voller Geldscheine wurde die 89-Jährige in Würzburg zum Parkplatz eines Schnellimbisses bestellt. Ein Mann hielt neben ihr, nahm das Geld - und war wieder weg. Als Zeugin im Prozess am Landgericht Weiden in der Oberpfalz sah die Seniorin ihn jetzt wieder: Zafer K., gebürtiger Würzburger mit türkischem Pass. Er hatte sich seinen Anteil vom Geld der Witwe genommen und den Rest an Heisem Miri in der Türkei überwiesen, einem "Paten" der mafiösen Großfamilie. Sechs weitere Betroffene aus der Region Mainfranken waren Opfer von Zafer K. und des Clans geworden, insgesamt 208 000 Euro hatten sie zusammen gezahlt.

Nicht immer verlieren Opfer nur Geld

"Das war Ihr Notgroschen und trifft Sie hart, oder?", wurde die 89-jährige Zeugin aus Würzburg beim Prozess in Weiden vom Richter gefragt. "Ich verhungere deshalb nicht, aber das ist alles, was ich zusammengespart habe", war ihre Antwort. Nur für eines sei das viele Lehrgeld gut gewesen: "Beim nächsten Anrufer habe ich gleich aufgelegt."

Nicht immer verlieren die Opfer nur Geld. Würzburger Ermittler verfolgen derzeit den Prozess, der im türkischen Izmir gerade gegen 81 mutmaßliche Betrüger aus Deutschland und der Türkei, Drahtzieher des Miri-Clans, begonnen hat. Ein verzweifeltes Opfer beging laut Staatsanwaltschaft Suizid, in einem zweiten Fall sagte ein Hausarzt aus, sein über 80-jähriger Patient sei aus gesundheitlichen Gründen an den Folgen des Betrugs gestorben.

Wenn die Opfer die Täter entblößen

Der Würzburger Zafer K. wurde erwischt, weil ein gewitzter Senior Verdacht geschöpft und die echte Polizei alarmiert hatte. In Weiden wurde er nun zu acht Jahren Haft verurteilt.

Und mancher Rentner macht sich sogar einen Spaß daraus, die Betrüger an der Nase herumzuführen. Wie der Würzburger, dem am Telefon erzählt worden war, sein Bruder sei in einer Notlage. Der Bruder aber war kurz zuvor gestorben. Der Rentner hielt den Anrufer über Stunden hin, ließ ihn zappeln, bat hartnäckig um eine Kontonummer zum Überweisen. Der Anrufer bestand auf einen Abholer.

"Dann schicken Sie aber keine Frau", knurrte der Rentner irgendwann. "Warum?", fragte der verdutzte Betrüger zurück. "Weil ich Frauen nie schlagen würde, selbst, wenn sie von Betrügern geschickt werden!" Da knallte der Mann am anderen Ende der Leitung den Hörer auf.

 
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