Nahezu kein Tag vergeht derzeit ohne eine Meldung der unterfränkischen Polizei über Telefonbetrüger. Mit gefälschten Anrufen versetzen die Täter meist Seniorinnen und Senioren in Panik. Ihr Ziel: Sie setzen auf die Hilfsbereitschaft der alten Menschen für Angehörige, um ihnen ihr lebenslang Erspartes zu klauen – oft mit Erfolg. Besonders mies dabei: Die Anrufer geben sich als Polizist, Staatsanwalt oder Richter aus. Wie der Trick funktioniert und was man als Betroffener oder Angehöriger gegen die Masche mit den Fake-Anrufen machen kann, erklärt im Interview Polizeihauptkommissar Enrico Ball. Der 46-Jährige ist Pressesprecher des Polizeipräsidiums Unterfranken und betreut auch Präventionskampagnen zum Thema Telefonbetrug.
Enrico Ball: Das ist gerade der perfide Trick: Die Betrüger lassen mit technischen Tricks die gefälschte Nummer 110 erscheinen und missbrauchen dadurch das Vertrauen der Bürger in die Polizei. Also Vorsicht, wenn diese Nummer auf Ihrem Display erscheint, sind Betrüger am Apparat! Die Polizei ruft nie mit 110 an – schon gar nicht mit einer Vorwahl davor.
Ball: Und er kommt dann auch bei der echten Polizei an. Aber wenn umgekehrt die Polizei beim Bürger anruft, ist die ganz normale Telefonnummer des anrufenden Beamten zu sehen. Oft fordern die Betrüger auch dazu auf, die 110 anzurufen. Hier aber Vorsicht: Erst auflegen, dann die 110 wählen, sonst hat man einen Komplizen des Betrügers am Telefon.
Ball: Die echte Polizei weist Sie niemals an, Geld oder Schmuck zu Hause zur Abholung bereitzulegen oder an Abholer zu übergeben. Wenn Sie das hören, ist es ein echtes Warnsignal, dass Gauner am Telefon sind. Legen Sie auf! Wählen Sie von sich aus die 110 und fragen bei der echten Polizei, ob es einen echten Einsatz gibt oder Verwandte in Not sind. Übergeben Sie keine Geldbeträge an Fremde! Die Polizei holt bei Ihnen keine Wertsachen ab.
Ball: Oft steigt der Puls der Angerufenen ja schon, wenn sie die 110 sehen. Zuerst hören sie ein Schluchzen am anderen Ende der Leitung, und dann zum Beispiel: 'Mama? Ich hab‘ einen totgefahren.' Dann ist eine angebliche Polizistin am Telefon, die etwas von einem totgefahrenen Radfahrer erzählt. Nun müsse die Tochter oder der Enkel Kaution zahlen, um freigelassen zu werden. Oder man erzählt, es stehe ein Einbruch bevor und man müsse das zuhause lagernde Geld des Angerufenen vor den Dieben in Sicherheit bringen.
Ball: Die Täter lassen ihnen keine Zeit dafür, halten sie mit ständigen oder fortlaufenden Anrufen unter Kontrolle. Sie fordern sogar, das Handy heimlich anzulassen, wenn sie die Opfer drängen, ihr Erspartes von der Bank zu holen. So kriegen sie heimlich mit, wenn die inzwischen gut geschulten Bankmitarbeiter misstrauisch werden. Dann tauchen sie bei der Geldübergabe gar nicht auf, um nicht von der Polizei erwischt zu werden.
Ball: Der ist leider seit Jahrzehnten erfolgreich. Auch da sind alte Menschen das Ziel. Der Anruf beginnt dann mit den Worten 'Rate mal, wer dran ist?' oder ähnlichen Formulierungen. Dann schlüpft der Betrüger in die Rolle der Person, die sein Opfer erraten zu haben glaubt. Anschließend wird eine Notsituation vorgegaukelt und der Geldabholer geschickt.
Ball: Wir registrieren, wie die Betrüger planmäßig ganze Regionen abgrasen und dabei offenbar im Telefonverzeichnis auf altmodische Vornamen achten, die sie hoffen lassen, auf einen älteren Menschen zu stoßen. Bei solchen Fischzügen kommt binnen eines Tages schnell eine Beute in Höhe von einer halben Million Euro zusammen. Und von vielen Fällen erfahren wir bei der echten Polizei gar nichts, weil die Opfer sich schämen, bei uns Anzeige zu erstatten.
Ball: Nein, die sind erfinderisch, manche behaupten auch, sie wären Staatsanwalt, Richter, Arzt oder Bankmitarbeiter – alles Berufe, die Vertrauen schaffen, aber niemals bei älteren Menschen die Übergabe von Bargeld an unbekannte Geldboten verlangen würden.
Ball: Am Donnerstag startet eine Kampagne dazu in Schulen in Unterfranken. Denn auch schon die Schüler der 5. und 6. Klassen können mithelfen. Wir informieren über die miesen Tricks und appellieren ausdrücklich: Erzähle deiner Oma, deinem Opa, deinen Eltern und älteren Verwandten von den Maschen. Sie sollen auflegen. Dann sollen sie zur Sicherheit den Enkel, der angeblich in Not ist, zurückrufen – aber unter dessen bekannter Nummer. Dadurch können sie sich vergewissern und geraten nicht in Gefahr, ihr mühsam Erspartes zu verlieren.
Ball: Richtig, diese Anrufe können auch psychische Folgen für die Betroffenen haben. Die Opfer sind beschämt, hereingelegt worden zu sein. Manche ziehen sich völlig zurück. Wir wissen sogar aus einem Prozess von 2021 von zwei Todesfällen: In einem Fall gehen Ermittler vom Selbstmord eines Rentners als Folge des Vermögensverlusts aus. In einem zweiten Fall – gegen einen geschnappten Geldabholer – sagte statt dem Opfer dessen Hausarzt im Zeugenstand aus. Dieser gab an, der weit über 80-jährige Mann sei aus gesundheitlichen Gründen an den Folgen des Betrugs verstorben.
Ball: Das Polizeipräsidium Unterfranken hat bereits 2020 die Präventionskampagne 'Leg‘ auf!' gestartet. Unser Ziel ist es, ältere Menschen über dieses Phänomen zu informieren, zu sensibilisieren und Verhaltenstipps zu geben – damit immer weniger von ihnen darauf reinfallen.
Ball: Die Polizei Unterfranken hat eine Art Notplan für Angerufene entworfen, einen Sticker, der auf das Telefon geklebt werden kann, um so an das richtige Verhalten – nämlich "aufzulegen" – zu denken. Damit wenden wir uns auch an Schüler: 'Gebt euren Großeltern diesen Flyer und klebe mit ihnen den Sticker auf deren Telefon! Schützt Oma und Opa vor den Betrügern!'
Weitere Informationen der Polizei zum Thema Telefon-Betrug erhalten Sie unter: www.polizei-beratung.de
Informationen zur Kampagne der unterfränkischen Polizei "Ich schütze Oma & Opa" finden Sie hier: https://www.polizei.bayern.de/schuetzen-und-vorbeugen/senioren/030860/index.html
Erstens: alle Einträge im Telefonbuch und elektronischen Medien über den Telefonanbieter löschen lassen. Die Betrüger suchen ganz gezielt nach kurzen Telefonnummern. Auf dem Land gibts Orte da sind noch dreistellige Nummern vergeben. In solchen Fällen weiß doch jeder das die Nummer schon seit 50 Jahren existiert.
Zweitens: an jeden neuen IP Telefonanschluss vor allem wenn ein Router dazwischen hängt, lässt sich ganz einfach eine ankommende Rufsperre einrichten, z.b. für die 110 oder für ganze Rufnummerblöcke, indem ich z.b. eine Auslandsvorwahl auf die Speerliste setze.