
Das juristische Gutachten zur privaten Geschäftstätigkeit von Robert Scheller hat den Würzburger Kämmerer entlastet. Trotzdem bleiben Fragen: Ist sein Verhalten moralisch in Ordnung – und politisch klug? Was hat die Debatte gebracht? War die Berichterstattung nötig? Der Würzburger Wirtschaftsprofessor und Compliance-Experte Hansrudi Lenz, die Vorsitzenden der Stadtratsfraktionen, Oberbürgermeister Christian Schuchardt und Kämmerer Robert Scheller selbst geben Antworten.
CSU sieht keine moralischen Probleme
Ob Schellers Verhalten in moralischer Hinsicht richtig und politisch klug war, hat die Redaktion Vertreterinnen und Vertreter der Würzburger Politik gefragt. CSU Fraktionschef Wolfgang Roth antwortet: "Da die Projekte nie zum Nachteil, aber oft zum Vorteil der Stadt waren, wie zum Beispiel der Fahrradweg im Dürrbachtal oder die Nahversorgung im Frauenland, ist es moralisch nicht zu beanstanden."
Grünen-Fraktionsvorsitzende Sandra Vorlova antwortet: "Es ist nicht klug und birgt die Gefahr, den Anschein von falschem Umgang mit kollidierenden Interessen zu erwecken, wenn jemand als städtischer Liegenschaftsreferent mit denselben Unternehmen Verhandlungen führt, mit denen er auch privat Geschäfte macht."
FWG-FW-Fraktionschef Josef Hofmann: "Ich persönlich halte die Tätigkeit für politisch unklug"
Linken-Fraktionschefin Barbara Meyer nennt ein "Unbehagen bei vielen unserer Bürgerinnen und Bürgern angesichts der privaten Geschäftstätigkeit". Denn diese gingen davon aus, dass ein Finanz- und Liegenschaftsreferent über Insider-Informationen verfüge, die andere nicht haben.
Laut SPD-Fraktionschef Alexander Kolbow könne "man über die moralischen Komponenten geteilter Meinung sein". Die "subjektive Betrachtung derartiger Bewertungen" betont auch FWG-FW-Fraktionschef Josef Hofmann: "Ich persönlich halte die Tätigkeit für nachfragebedürftig und politisch für unklug."

Die Fraktion FDP-Bürgerforum findet das Verhalten nicht klug und die ÖDP auch nicht richtig. OB Schuchardt äußert sich nicht. Er sagt: "An dem öffentlichen Diskurs über eine nicht-rechtliche Wertung von Privatangelegenheiten eines einzelnen städtischen Beschäftigten werde ich mich als Vorgesetzter nicht beteiligen."
Seitdem die Redaktion die Immobiliengeschäfte Schellers öffentlich gemacht hat, wurde deren Legitimität in Medien, Stadtrat und der Bürgerschaft debattiert. Lediglich die CSU findet, dass diese öffentliche Diskussion unnötig war, weil "Scheller im Vorfeld umfassend in den betreffenden Gremien informiert hatte".
Alle anderen Fraktionen sehen das anders. "Die Diskussion war unvermeidlich, nachdem die ersten Hinweise publik wurden. Die Stadtgesellschaft erwartet in diesen Fällen Aufklärung", sagt zum Beispiel Joachim Spatz, Fraktionsvorsitzender FDP-Bürgerforum-Fraktion. ÖDP-Fraktionschef Raimund Binder ergänzt, dass die Debatte noch nicht beendet sein dürfe, "weil die Frage der Compliance eine elementare Frage für eine Demokratie ist, der die Menschen vertrauen."
Ausführungen im Gutachten nicht ausreichend
Der Würzburger Wirtschaftsprofessor Lenz, der sich bereits am Anfang der Debatte kritisch zur Compliance-Problematik geäußert hatte, sieht diese durch das Gutachten der Kanzlei "Baum, Reiter & Collegen" nicht vollständig geklärt, auch wenn dieses den Kämmerer juristisch entlastet. Demnach haben die Geschäfte der Düll-Gerhard-Scheller Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (DGS GbR) haben der Stadt nicht geschadet, ihm sei kein rechtliches Fehlverhalten und keine fehlende Transparenz vorzuwerfen.
Lenz hält die Ausführungen im Gutachten zu Geschäftszweck, -umfang und -führung der DGS allerdings für "unzureichend". Zum einen, weil sich die Kanzlei hauptsächlich auf Aussagen Schellers stützt. Zum Beispiel fehlen schriftliche Informationen über die Höhe der erzielten Einkünfte der DGS, protokollierte Gesellschafterbeschlüsse oder Teile des Gesellschaftervertrags.
Zum anderen sagt Lenz, dass die "juristisch wichtige Frage, ob Scheller für seine Beteiligung an der DGS eine Genehmigung gebraucht hätte, nicht eindeutig beantwortet wurde". Im Gutachten heißt es nämlich, diese Frage könne "auf Grundlage der vorliegenden Informationen nicht abschließend beurteilt werden". Die Juristen sehen "eher keine Genehmigungspflicht", weil sie davon ausgehen, dass Scheller mit der DGS keiner gewerblichen Nebenstätigkeit nachgeht, sondern lediglich sein privates Familienvermögen verwaltet.
Kritik an der Berichterstattung
Einige Leser sehen in der Berichterstattung eine Beschädigung Schellers. Der Kämmerer selbst sagte im Stadtrat, dass in ihr Fakten weggelassen wurden. Auf die Nachfrage, welche das seien, nennt er gegenüber der Redaktion zwei: Die Verhandlungen mit der Stadt über den Kauf eines Grundstücks seien nicht von seinem Schwager, sondern von seinem Schulfreund geführt worden. Das Ausgangsgrundstück für die DGS sei Erbe seiner Mutter. Ansonsten nennt der Kämmerer keine Kritikpunkte.
Die CSU-Fraktion vermisst in der Darstellung, dass die von der DGS erworbenen städtischen Grundstücke in der Zeppelinstraße "nur der Arrondierung" dienten und "für eine andere Nutzung zu klein oder nicht erschlossen" seien. Außerdem sei "zum wiederholten Mal der Anschein erweckt worden, dass es ein Fehlverhalten gegeben hätte".
Die Grünen bemängeln, dass man hätte noch ausführlicher über Schellers Sicht berichten können. Der ÖDP fehlt eine kritische Auseinandersetzung mit der Rolle des OB als Vorgesetzter Schellers. OB Schuchardt nennt auf Anfrage keine konkrete Kritik an der Berichterstattung. Über seine Pressestelle schreibt er auf eine andere Frage indes von "kriminalisierenden Anwürfen", die sich "nur unter erheblichem personellen und finanziellen Ressourceneinsatz als haltlos dokumentieren lassen".
Scheller will keine neuen Projekte in Würzburg mehr angehen
Und was hat die Debatte bislang gebracht? Als Konsequenz aus der öffentlichen Diskussion um mögliche Interessenskonflikte verkündete Scheller Ende Juli, dass er im Stadtgebiet keine neuen Investitionsprojekte mehr angehen wird. Auf aktuelle Nachfrage sagt er, dies gelte "selbstverständlich" weiterhin. Lediglich ein 2014 begonnene Projekt in der Zeppelinstraße werde noch beendet. Außerdem hat sich der Stadtrat intensiv mit dem Thema Compliance beschäftigt und will, wie im Gutachten empfohlen, ihre Richtlinien dazu nachjustieren.
Nachdem die Äußerungen der "Beteiligten" noch einmal zu Papier gebracht wurden, muss doch jetzt noch ein Redakteur die Meinung der Leser, vor allem die Kommentare auswerten.
Da kommt ein Herr Scheller dann nicht mehr so gut weg!
Das Geld für das Gutachten hätte man auf jeden Fall besser ausgeben können!
Ist vielleicht nicht juristisch fassbar, aber Anstand etc. scheint ja keine wünschenswerte Kategorie zu sein.
Und was der Experte da so äußert: das juristische Gutachten scheint ja zumindest recht windig zu sein.
Übrigens: ob er sich bereichert hat ist unerheblich.
Man muss dafür sorgen, dass es auch keinen Anschein der Befangenheit gibt.
Eine Medienschelte erscheint hier in jedem Fall unangebracht.
Meine persönliche Erfahrung mit der durchaus renommierten Kanzlei Gerhart Baum & Kollegen in Düsseldorf ist, dass es sich auch hier um ein Wirtschaftsunternehmen handelt, das seine Expertise am jeweiligen Prüfungsauftrag orientiert. Erweiterung nicht ausgeschlossen.
Wie in der Vergangenheit bei Stadtrat LaRosa und MdL Dr. Behr wird wieder und wieder aufgewärmt, damit man bis zum nächsten Aufreger nichts vergisst. Dass der Artikel am Freitag erschien und nicht Samstag lässt hoffen, dass es was Neues zu berichten gibt?
"Die Mainpost" fordert moralische Haltung und Selbstkritik ein .
Ich werf mich weg.
Es handelt sich hierbei vermutlich um den "Samstagsbrief" des Herrn Jungbauer.
Ihr Kommentar trifft den Nagel auf den Kopf!
Sachlich nicht beanstandbar!
Jetzt wird weiter gehetzt mit der Moralkeule!
Sowas von schlimm!
Einfach ein unverschämtes unmoralisches Verhalten.
Mit freundlichen Grüßen
Johannes Bullmann, MPA