Für große Teile der Öffentlichkeit haben die privaten Geschäfte von Würzburgs Finanzreferenten Robert Scheller "ein Geschmäckle". Für ihn selbst und Oberbürgermeister Christian Schuchardt sind sie in Ordnung. Der Stadtrat hat zur Klärung bei der Düsseldorfer Kanzlei "Baum Reiter & Collegen" ein Gutachten eingeholt, das am Donnerstag im Plenum vorgestellt wurde.
Nach einem Vorschlag von OB Schuchardt - der Stadtrat war damit einverstanden - liegen die 52 Seiten der Redaktion nun vor. Wir haben wichtige Fragen und die Antworten, die das Gutachten gibt, zusammengefasst.
Welche Geschäfte hat Robert Scheller privat getätigt?
Robert Scheller ist seit 2002 in höheren Positionen im Würzburger Rathaus tätig. Seit 2014 ist er Finanz-, Liegenschafts- und Personalreferent. Dem 51-Jährigen gehört zusammen mit seinem Schwager, dessen Kinder und einem Schulfreund die Düll-Gerhard-Scheller Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (DGS GbR). Diese entwickelt seit 2001 in Würzburg Immobilien oder Grundstücke, die sie teilweise von der Stadt, teilweise von Geschäftspartnern kaufte, mit denen der Finanz- und Liegenschaftsreferent Scheller auch dienstlich zu tun hatte.
Hat Scheller bei seinen Immobiliengeschäften gegen Gesetze verstoßen?
Die Kanzlei "Baum Reiter & Collegen" hat einen städtischen und fünf private Geschäftsvorgänge untersucht, bei denen Scheller involviert war und dabei kein "rechtswidriges Fehlverhalten" des Kämmerers festgestellt.
Er habe seine persönliche Beteiligung in der Verwaltung und im Stadtrat bekannt gemacht und dann an den entsprechenden Beschlussfassungen nicht teilgenommen - einem Interessenskonflikt sei er damit "entgegengetreten". Außerdem habe die DGS laut städtischem Rechnungsprüfungsamt zu marktüblichen Preisen gekauft.
Darf der Kämmerer Gesellschafter einer Immobilienfirma sein?
Grundsätzlich braucht jeder Beamte im Rathaus eine Genehmigung, wenn er eine Nebentätigkeit ausübt. Scheller hat diese Genehmigung nicht, weil er nach seiner Darstellung nur das Vermögen seiner Familie verwaltet - was eine rechtliche Ausnahme darstellt.
Trifft diese hier zu? Die Gutachter schreiben, sie könnten auf der "Grundlage der vorliegenden Informationen" diese Frage nicht "abschließend beantworten". Für Schellers Argumentation sprächen steuerliche Aspekte seiner Gesellschaft und, dass er nur Gesellschafter und nicht Geschäftsführer der DGS sei: "Soweit bekannt, obliegt die aktive Geschäftsführung der DGS dem Schwager und dem Schulfreund." Die Einschränkung der Kanzlei: "Inwieweit und mit welchem zeitlichen Aufwand Herr Scheller dennoch in die Unternehmensführung mit einbezogen ist, ist den Verfassern des Gutachtens nicht bekannt."
Welche Informationen hatten die Gutachter?
Die Gutachter betonen, dass sie lediglich anhand der vorliegenden Informationen urteilen, die ihnen die Stadtverwaltung und Scheller zur Verfügung gestellt haben. Neue Details könnten zu anderen Schlussfolgerungen führen.
Sie erklären, dass sie zum Beispiel nicht wissen, ob der Kämmerer Insiderwissen aus der Verwaltung für seine privaten Geschäfte genutzt hat. "Insbesondere ist nicht bekannt, ob und inwieweit weichere Faktoren, die einen Geschäftsabschluss wahrscheinlicher machen (z.B. die schlichte Kenntnis der Möglichkeit eines Erwerbs oder der bereits bestehende persönliche Kontakt zum richtigen Ansprechpartner auf Verkäuferseite, um in den vertrauensvollen Erwerbsvorgang einzusteigen), vorlagen (...)."
Die Juristen erwähnen, dass für "eine differenziertere Bewertung" nach Artikel 82 Absatz 2 Bayerischem Beamtengesetz ergänzende Informationen von Scheller eingeholt werden könnten. Danach können Dienstvorgesetzte schriftliche Auskünfte von Beamten verlangen, wenn sie in deren Nebentätigkeit Anhaltspunkte für Verletzungen von Dienstpflichten sehen. Zum Beispiel Einkommensnachweise, der komplette Gesellschaftsvertrag, oder Bilanzen. Diese lagen den Gutachtern offenbar nicht vor.
Ist der Kämmerer mit seiner privaten Geschäftstätigkeit transparent umgegangen?
Laut Gutachten hat Scheller private Geschäfte in der Verwaltung in dem Maße transparent gemacht, wie es die gesetzlichen Vorschriften verlangen. Mehr könne nicht verlangt werden. Aber: "Eine andere Bewertung könnte aufgrund besonderer Vorbildfunktion bei Bauanträgen einer privaten Gesellschaft geboten sein, in der ein Mitarbeiter der kommunalen oberen Führungsebene (Referatsleiter) Gesellschafter ist."
Wie ist der Erkenntnisstand jetzt?
Dem Kämmerer wurde in der öffentlichen Debatte nicht vorgeworfen, bei Geschäften mit seiner Immobilienfirma Rechtsverstöße wie Korruption begangen zu haben. Das Gutachten bestätigt das. Auch gegen dienstliche Pflichten habe er bei diesen Geschäften nicht verstoßen sowie dabei Compliance-Regeln eingehalten. Mit diesen sollen Interessenkonflikte von Mitarbeitern der Verwaltung vermieden werden.
Wichtige juristische Fragen beantwortet das Gutachten aber nicht. Zum Beispiel, ob es dem Liegenschaftsreferenten prinzipiell erlaubt ist, Mitbesitzer eine Immobiliengesellschaft zu sein, die in Würzburg Grundstücke kauft und bebaut.
Die Lektüre des Gutachtens zeigt außerdem die Grenzen einer rein juristischen Betrachtung in diesem Fall auf: Paragrafen und besonders Compliance-Regeln lassen keine eindeutigen, sondern interpretierbare Schlüsse zu.
Jede Stadt und Kommune sollte froh sein, einen solch fähigen Kämmerer zu haben, und eine Äußerung wie: 'da muss er durch' ist meines Erachtens grenzwertig. Juristisch betrachtet wurden vielleicht keine Persönlichkeitsrechte verletzt, aber erlauben Sie mir meinerseits die Frage: Wie moralisch ist eine solche 'Berichterstattung'?
Stadtratssitzung am 18.01. erwähnen:
"Die Einzelbewertungen zu den jeweiligen Erwerbsvorgängen gelangen zu
dem Ergebnis, dass ein persönliches Fehlverhalten von Herrn Scheller
nicht festzustellen ist."
"Anhaltspunkte für Vorteile Dritter (insb. Geschäftspartner der DGS),
die über das regelmäßige wirtschaftliche Interesse bei
Geschäftsabschluss hinausgehen, sind nicht ersichtlich."
"Gemäß dem uns bekannten Sachverhalt stellt die Beteiligung von Herrn
Scheller an der DGS Projektentwicklung GbR als Nebentätigkeit eine
genehmigungsfreie Verwaltung eigenen Vermögens dar."
Soweit ich das verstanden habe ist erst, weil da jemand (TM) genauer hingeschaut und recherchiert hat, "der Druck" groß genug geworden, daß sich Herr Scheller öffentlich dazu geäußert hat, daß er Anteilseigner einer GbR im Immobiliensektor im regionalen Umfeld ist.
Wenn ich mich nicht irre dürfte dieser Sachverhalt sehr großen Teilen der Bevölkerung, selbst der Interessierten, nicht bekannt gewesen sein.
@Frau Dr. Bötsch: Ich bin erstaunt über ihre Äußerung im Stadtrat.
Ich lehne mich jetzt etwas weiter aus dem Fenster: Selbstverständlich besteht ein erhebliches öffentliches Interesse, wenn führende Verwaltungsbeamte einer Großstadt einer Nebentätigkeit nachgehen, die in Kollision zu der bzw. den aufgetragenen Aufgaben in der Kommune stehen könnten. Herr Scheller steht mehr im "Rampenlicht". Alleine durch die Wahrnehmung einer wichtigen, öffentlichen Position. Da muß(te) er durch.
Ein OB, für den die Nebentätigkeit eines Spitzenbeamten des Rathauses keiner Genehmigung bedarf.
Ein Gutachten, das anscheinend nur nach den vom Rathaus und Herrn Scheller vorliegenden Informationen urteilt.
Juristische Dehnbarkeiten.
Anstand und Moral existieren in diesem Fall anscheinend nicht.
Unser OB kommt meines Wissens aus dem Bankensektor oder?
Traurig, dass auch bedingt durch ein solches Verhalten wieder eine Abkehr der Wähler in die falsche Richtung stattfindet.
La Rosa, Scheller, Schuchardt usw.
Transparenz, offene und ehrliche Kommunikation wären im Würzburger Rathaus wünschenswert.
Und dann noch Vertreter der Partei mit dem C im Namen.
Shame on yo
ich erwarte von einem unabhängigen und externen Gutachter eine objektive, gutachterlich korrekte Einordnung der Vorkommnisse.
Die Einordnung und Kommentierung durch die Stadträt*innen ist dann, je nach vorhandenen Fachkenntnissen wohl als mehr oder weniger subjektiv zu bezeichnen.
@Frau Göbel: Wann kommt den jetzt der Artikel über die Beratung und Beschlussfassung ?
...."Er habe seine persönliche Beteiligung in der Verwaltung und im Stadtrat bekannt gemacht und dann an den entsprechenden Beschlussfassungen nicht teilgenommen - einem Interessenskonflikt sei er damit "entgegengetreten"....
Er kann allenfalls dem persönlichen Interessenkonflikt "entgegentreten" - nicht dem etwaigen Interessenkonflikt der Verwaltungs- und Stadtratsmitglieder bzw. deren "Wohlwollen" zugunsten von Herrn Scheller.