Die Semesterferien sind zu Ende, für Studierende in Bayern geht es zurück an die Hochschulen. Wobei... zurück? Zum allergrößten Teil gilt das nur virtuell. Die Corona-Krise hat auch Universitäten und Hochschulen für angewandte Wissenschaften durchgeschüttelt und den Lehrbetrieb gewaltig verändert. Das Sommersemester lief bis auf wenige Ausnahmen wie Laborpraktika ausschließlich digital.
Digitalisierung wurde stark beschleunigt
Im Turbotempo mussten auch die Würzburger Julius-Maximilians-Universität (JMU) und die Hochschule für Angewandte Wissenschaften (FHWS) nach der vorübergehenden Corona-Schließung neue Techniken installieren und Online-Formate schaffen. Die Digitalisierung wurde damit extrem beschleunigt. Oder wie es JMU-Vizepräsidentin Ulrike Holzgrabe formuliert: "Früher haben wir über die Digitalisierung geredet. Jetzt haben wir sie gemacht."
Täglich hat sich an der Uni die Corona-Taskforce aus Präsident, dessen Büroleiter, zwei Vizepräsidentinnen und Kanzler getroffen – digital, versteht sich. Vorlesungen, Exkursionen, Praktika, Abstände bei Sporteinheiten oder Musik: Kaum ein Thema, das nicht aufgeschlagen wäre. Und voran die Frage: Reichen die Rechnerleistungen der Uni überhaupt aus, wenn sich alle Studierenden und Dozenten von daheim aus in die Vorlesungen einloggen? "Unser Rechenzentrum hat Fantastisches geleistet", lobt Holzgrabe, "die Systeme haben gehalten".
Auch deshalb geht die Hochschulleitung relativ gelassen ins Wintersemester, man habe viel dazugelernt. Zum Beispiel: Dass die digitalen Vorlesungen ein Gewinn sind, weil nicht an feste Uhrzeiten gebunden. Studenten können auf den Pause-Knopf drücken, komplizierte Passagen wiederholt anhören und: Vorlesungen besuchen, die eigentlich zeitgleich stattfinden. In der Mathematik und Informatik wurden aus diesem Grund – so heißt es aus der Fakultät – mehr Kurse belegt.
Und doch ist nicht alles Gold, was digital glänzt. Das weiß auch Bayerns Wissenschaftsminister Bernd Sibler (CSU), der sich vor wenigen Tagen mit den für die Lehre zuständigen Vizepräsidenten der bayerischen Hochschulen getroffen hat. Die Präsenzlehre, so eine Erkenntnis daraus, könne keinesfalls vollständig durch digitale Lehre ersetzt werden. Der direkte Austausch sei für Lehrende wie Studenten elementar. "Die Zukunft der Hochschullehre wird in einer klugen Kombination von Präsenz- und Onlineformaten liegen", sagt der Minister.
Probleme beim Uni-Start für die Erstsemester
Schwierig wird es für die Studienanfänger. "Erstsemester wissen noch nicht, wie die Universität funktioniert. Und das lernt man nicht am Computer", gibt Ulrike Holzgrabe zu bedenken. Für die Studierenden hat das Folgen. So sind im Sommer offenbar viele Klausuren bei den Erstsemestern nicht gut gelaufen, die Durchfallquote war höher als sonst.
"Gerade im ersten und zweiten Semester lernt man, sich im Hochschulalltag zu strukturieren", sagt Uni-Sprecherin Esther Knemeyer-Pereira. Aber ohne Anwesenheit, ohne Sozialleben vor Ort fällt dies den Einsteigern schwer. Deshalb sei vor allem für sie eine Uni-Präsenz wichtig. Wie aber ist sie zu schaffen, wenn wegen der Hygiene-Abstände etwa der größte Hörsaal am Hubland statt mit 800 nur mit 80 Plätzen, oder in der Chemie statt mit gut 300 nur mit 48 Plätzen belegt werden darf?
Die Fakultäten sind da durchaus kreativ: Die Wirtschaftswissenschaften vergeben die begrenzten Sitze im Hörsaal nach Matrikelnummern. So kommen wechselweise immer andere Studenten in den Genuss der Echt-Vorlesung – der Rest schaltet sich online zu. Andere Fakultäten wollen ebenso verfahren, also im so genannten "Hybrid-Semester" Online- und Präsenzlehre mischen.
Limitiert ist man in den Bibliotheken. Sie sind in den letzten Jahren von Ausleih- und Leseorten immer mehr zum Ort fürs Gruppenlernen geworden. Hierfür sind die Plätze nun eingeschränkt und genau bestimmt. Studierende können Zeitfenster dafür buchen. Lernguppen in unbeaufsichtigten Räumen lehnt die Uni-Leitung dagegen ab. Zu groß ist die Sorge, dass dort die Hygiene- und Abstandsregeln "vergessen" werden.
Studenten vermissen gemeinsames Lernen in der Bibliothek
Bei Studierenden sorgt dies mitunter für Unmut. Nicht wenige finden in der Bibliothek eine bessere, lärmgeschützte Lernatmosphäre im Vergleich zur eigenen WG oder Studentenheim. Doch hier stößt die Uni wegen der Abstandsregeln an Grenzen, ebenso bei den Prüfungen. Auch für das Wintersemester werde man dafür wieder große Räume wie Posthalle, VCC oder Congress Centrum anmieten – oder am Ende, wie im Sommer, wieder ein Zelt aufstellen müssen, sagt Esther Knemeyer-Pereira.
Mit einer neuen Rechtsverordnung ermöglicht der Freistaat nun zwar digitale Fernprüfungen. Dafür braucht es aber besondere technische Voraussetzungen. Deshalb bleiben Prüfungen im heimischen Arbeitszimmer nach Ansicht der Uni-Leitung im Moment die Ausnahmen.