
Es klingt simpel: Sechs Minuten gehen und wissen, wie fit man ist. In der Medizin ist dieser Test ein Klassiker, um die körperliche Leistungsfähigkeit eines Menschen zu beurteilen. Ein Team der Uniklinik Würzburg hat nun erstmals Normwerte dazu erstellt: "Wir wollten wissen: Wie fit ist die Allgemeinbevölkerung? Wie weit kann ein gesunder Mensch normalerweise in sechs Minuten gehen?", sagt PD Dr. Caroline Morbach, Kardiologin am Deutschen Zentrum für Herzinsuffizienz (DZHI).
Anhand der festgelegten Werte könnten nun alle ihre eigene Leistung im Vergleich zur Normalbevölkerung einordnen, sagt die Ärztin. Im Interview erklärt sie, wie fit die Würzburger sind - und welchen Einfluss das Geschlecht hat.
Dr. Caroline Morbach: Ich habe knapp 700 Meter geschafft. Im Vergleich mit meiner Altersgruppe war das ganz in Ordnung.
Morbach: Unsere Teilnehmer stammen aus der sogenannten Staab-Studie, einem Kooperationsprojekt zwischen DZHI und dem Institut für Klinische Epidemiologie und Biometrie. Sie bilden eine repräsentative Stichprobe der Einwohner Würzburgs. Wir haben zunächst eine Subgruppe von gesunden Menschen definiert: Studienteilnehmer, die keine Herz-Kreislauf-Erkrankung hatten und keine Risikofaktoren. Also keinen hohen Blutdruck, kein Übergewicht, keinen Diabetes, keine erhöhten Blutfette, Nichtraucher. Von der Leistung dieser "Gesunden" haben wir für jede Altersgruppe die Normwerte abgeleitet und darauf basierend einen Online-Rechner erstellt.

Morbach: In diesen Rechner kann man sein Alter, seine Körpergröße und seine gelaufene Gehstrecke eingeben und bekommt die eigene Leistung in Relation zu den Normwerten angezeigt. Es lässt sich also ablesen, ob man so weit gelaufen ist, wie ein gesunder Mensch in dieser Altersgruppe laufen sollte – oder ob man schlechter oder besser war. Kurz gesagt, man erhält eine objektive Einschätzung, wie gut man körperlich belastbar ist. Wer keine 100 Prozent erreicht, könnte das als Anlass nehmen und seine körperliche Leistungsfähigkeit trainieren. Und wer in der Norm liegt oder sogar etwas besser ist, bekommt eine Bestätigung.
- Hier finden Sie den Online-Rechner zum Ausprobieren: www.6mwt.org/calculator
Morbach: Ein Einflussfaktor ist natürlich das Alter. Jüngere Menschen können in sechs Minuten weiter laufen als ältere. Daneben ist die Körpergröße entscheidend: Größere Menschen mit längeren Beinen schaffen in dieser Zeit eine längere Gehstrecke als kleine Menschen.
Morbach: Das war für mich eine der Überraschungen: Das Geschlecht allein hatte keinen Einfluss auf die Gehstrecke. Trotzdem haben Männer im Schnitt eine weitere Distanz als Frauen zurückgelegt – aber das lag schlicht an der Körpergröße. Was wir noch gesehen haben: Wer einen höheren Blutdruck oder höheres Gewicht hat, schafft in der Regel nur eine kürzere Gehstrecke. Und es gibt einen Knick in der Altersbelastbarkeit, ab 55 Jahren geht die Leistungsfähigkeit etwas zurück. Vielleicht ist das ein Hinweis darauf, dass man ab diesem Alter mehr auf seine körperliche Fitness achten sollte.
Morbach: Das liegt vermutlich daran, was man misst. Wenn man an die Leistungsgrenze geht, dann hat das Geschlecht wahrscheinlich einen Einfluss. Der Sechs-Minuten-Gehtest misst aber eben nicht die absolute Leistungsgrenze – sondern er spiegelt eher die Alltagsfitness wider.
Morbach: Beim Test sollen die Teilnehmer sechs Minuten lang so schnell gehen, wie sie können – also nicht rennen. Anders als Joggen oder Radfahren, ist das den meisten Menschen gut möglich. Man kommt dabei ins Schwitzen und atmet schneller, es ist körperlich anstrengend, aber man verausgabt sich nicht maximal. In der Regel befindet man sich beim zügigen Gehen im sogenannten aeroben Trainingsbereich. Wichtig ist, dass man sich bei unserem Test die Kraft einteilt und nicht schon in der ersten Minute zu schnell loslegt. Sonst können sechs Minuten lang werden.

Morbach: Die Gehstrecke der Teilnehmer lag im Mittel bei 549 Meter - mit einer Spanne von 306 bis 834 Meter.
Morbach: Entsprechend unserer Ergebnisse sollte eine 1,70 Meter große Person in den sechs Minuten mit 40 Jahren 593 Meter, mit 60 Jahren 570 Meter und mit 80 Jahren 469 Meter weit laufen.
Morbach: Wir wollen den Online-Rechner leichter nutzbar machen, indem wir ihn mit Kollegen vom Institut für Klinische Epidemiologie und Biometrie in eine App bringen. Damit könnten zum Beispiel Patienten mit Herzinsuffizienz regelmäßig selbstständig ihre Leistungsfähigkeit messen und die Daten im Idealfall an ein telemedizinisches Zentrum melden. So ließe sich möglicherweise die Versorgung von chronisch kranken Menschen verbessern. Und niedergelassene Mediziner können den Test nutzen, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie gut ihr Patient im Alltag belastbar ist.
Morbach: Sicher hilft es, die körperliche Belastung zu erhöhen und das Ausdauertraining zu intensivieren. Für den Anfang lohnt es sich, jeden Tag eine halbe Stunde zügig zu gehen, eventuell das Körpergewicht zu optimieren und auf eine gesunde Ernährung zu achten. Übrigens: Es gibt bei dem Test einen gewissen Lerneffekt, beim zweiten oder dritten Mal schafft man mehr. Und die Motivation spielt eine Rolle. Wenn Freunde am Streckenrand anfeuern, kommt man weiter.