
Impfen ist der Ausweg aus der Pandemie, daran gibt es aus Sicht von Virologen kaum Zweifel. Dennoch tun sich viele Menschen weiterhin schwer mit der Impfung oder lehnen sie strikt ab. Was sind ihre Motive und wie könnte die erlahmte Impfkampagne nochmal Fahrt aufnehmen? Fragen an Prof. Roland Deutsch (49), Inhaber des Lehrstuhls für Sozialpsychologie an der Universität Würzburg.
Roland Deutsch: Die Gründe sind vielfältig. Aus psychologischer Sicht kann man aber drei Hauptgruppen erkennen. Da ist zum einen Bequemlichkeit nach dem Motto "Das Impfen hat bei mir noch nicht reingepasst". Ein zweiter Grund kann sein, dass Menschen unsicher sind. Sie sind nicht grundlegend negativ gegenüber der Impfung eingestellt, haben aber immer noch den Eindruck, zu wenig darüber zu wissen. Oder sie haben Zweifel wegen möglicher Nebenwirkungen. Und eine dritte Gruppe hat eine regelrechte Gegnerschaft aus sehr speziellen Überzeugungen heraus aufgebaut. Das geht bis zu Verschwörungstheorien etwa mit der Vorstellung, dass hinter der Impfkampagne finstere Absichten stecken.
Deutsch: Das kann man zumindest bei einzelnen Gruppen erkennen. Sie vermischen die Skepsis gegenüber der Impfung mit einer Ablehnung des Establishments. Sie vermuten ein unlauteres Handeln des Staates, wogegen sie sich zur Wehr setzen.
Deutsch: Aus psychologischer Sicht ist das zumindest nicht sehr verwunderlich. Ein Teil der AfD-Bewegung stellt sich ja gerade gegen die etablierten Verhältnisse. Da gibt es natürlich Berührungspunkte zum Motiv "Ich will mich nicht vom Staat drangsalieren lassen" – etwa durch Druck zum Impfen.
Deutsch: Das müsste man für die angesprochenen Gruppen unterschiedlich betrachten. Für Leute, die sich stark gegen eine gefühlte staatliche Bevormundung wehren, wären stärkere Forderungen ein zusätzlicher Anstoß, die Gegenwehr weiter hochzufahren.
Deutsch: Das ergibt sich teils aus den Überzeugungen. Wenn jemand meint, dass es keine ernste Pandemie gibt und dass Impfungen mit schweren gesundheitlichen Risiken verbunden sind, dann liegt es nahe, dass eine Impfpflicht Widerstand auslöst. Sie würde dann als ungerechtfertigter, gefährlicher Eingriff in die körperliche Unversehrtheit empfunden.
Deutsch: Wir kennen dieses Problem aus anderen Bereichen: Menschen bevorzugen Informationsquellen und soziale Umfelder, die ihre bestehende Meinung bestätigen. Das kann im Extremfall dazu führen, dass Gruppen nicht mehr durch Argumente erreichbar sind, insbesondere durch Personen, die als Vertreter des "Systems" wahrgenommen werden. Dazu zählen Sie als Journalist eines etablierten Regionalmediums genauso wie ich als Wissenschaftler einer staatlichen Universität. Wenn man uns als Teil einer Verschwörung ansieht, werden Sie und ich diese Menschen wahrscheinlich nicht mehr erreichen. Aber nochmal: Das ist ja nicht die einzige Gruppe, mit der wir es hier zu tun haben.

Deutsch: Ich denke ja, beispielsweise, wenn man psychologisch geschickt Wahrscheinlichkeiten kommuniziert. Wie wahrscheinlich ist es zu erkranken, als Geimpfter und als Ungeimpfter? Wie hängt das mit der Gesamtzahl von Impfungen zusammen? Das ist natürlich sehr komplex. Und wir wissen, dass Menschen große Probleme damit haben, Statistiken gut zu begreifen. Deshalb sollte die Kommunikation von Risiken immer so erfolgen, dass das Verständnis bestmöglich erleichtert wird.
Deutsch: Das Verständnis von Statistiken kann auch irrational sein. Aber ja, auch andere psychologische Effekte spielen eine Rolle. Beispielsweise bewerten Menschen Handlungen und ihre Folgen moralisch viel stärker als Nicht-Handlungen und ihre Folgen. Der Fall einer aktiven Impfung mit Nebenwirkungen wiegt psychologisch stärker als nichts zu machen und krank zu werden. Daran ist dann die Natur schuld, das wird akzeptiert.
Deutsch: Wenn eine Mehrheit sagt "So ist es richtig" und entsprechende Normen setzt, dann löst das einen unangenehmen Druck auf die "Abweichler" aus. Und nicht wenige motiviert das, sich doch der Mehrheit anzuschließen.
Deutsch: Ja, das wäre denkbar für jene Gruppe, die ängstlich oder unsicher ist.
Deutsch: Menschen geben vor sich und anderen nicht gerne zu, etwas falsch gesehen zu haben. Wenn ich ein Jahr lang erklärter Impfgegner war, dann tue ich mich mit dem Abrücken schwer. Öffentlicher Druck oder eine staatliche Verordnung könnten helfen, ein solches Dilemma aufzulösen – dann kann man es auf andere schieben.
Deutsch: Ich denke, an der Oberfläche auf jeden Fall, weil die Alltagsstreitereien um den Impfstatus weg sind. In diesem Sinne könnte man eine befriedende Wirkung erwarten. Allerdings könnte bei manchen, die sich aus tiefgreifenden Überzeugungen mit der Impfung schwer tun, eine weitere Entfremdung einsetzen.
Deutsch: Nein, das ist ja nicht aus Versehen so passiert. Wir wissen aus der Psychologie: Menschen reagieren ablehnend, wenn sie in ihrer Entscheidungsfreiheit eingeschränkt werden. Das wollte die Politik mit der Kampagne nicht verstärken – nachvollziehbar, zumal es um einen Eingriff in den Körper geht, der bei vielen Menschen Befürchtungen auslöst. Die Kehrseite der Medaille ist, dass ein bestimmter Prozentsatz den Impfaufruf nicht wahrnimmt. Ich muss allerdings sagen: Wenn man nicht mit Fingern in den Ohren und Händen vor den Augen unterwegs war, dann hat man im letzten halben Jahr wirklich sehr ernste Aufrufe zum Impfen gehört.
Deutsch: Das sehe ich nicht als entweder oder. Beides kann Menschen ansprechen. Aber die Forschung zeigt: Menschen ändern eher ihr Verhalten, wenn sie unmittelbar betroffen sind. Dinge, die in der Zukunft oder geografisch weit weg liegen oder auf eine große Masse zielen, wirken meist schwächer als Dinge, die zeitlich und örtlich nah sind und Individuen betreffen. Wenn Sie einen Corona-Toten im eigenen Umfeld haben, beeinflusst Sie das vermutlich mehr als abstrakte Fallzahlen. Berichte über Einzelschicksale haben häufig eine stärkere Wirkung.
Deutsch: Man sollte vielleicht nicht bei jenen anfangen, die aus einer tiefen ideologischen Überzeugung heraus die Impfung ablehnen – die wird man am schwersten erreichen. Wenn Bequemlichkeit und Unwissenheit noch eine Rolle spielen sollten, dann liegt es auf der Hand, die Kommunikation nicht runterzufahren und vor allem lokal zu schauen, wo noch Aufklärungsbedarf ist. Das heißt: bestimmte Gruppen gezielt ansprechen, unter Berücksichtigung von Sprachbarrieren. Und natürlich für den Faktor Bequemlichkeit ganz wichtig: Es muss sichergestellt sein, dass das Impfen gut funktioniert und mit wenig Aufwand verbunden ist. Für Unentschlossene können weite Fahrwege oder das Warten auf Termine extreme Hinderungsgründe sein. Da habe ich aktuell den Eindruck, es ist Luft nach oben.
Viele der Impfverweigerer wissen wahrscheinlich ganz ganz tief in sich bereits, dass sie hier auf das falsche Pferd gesetzt haben. Doch sie wollen in Ihrer Community einfach nicht das Gesicht verlieren.
Daher denke ich, dass ein gewisser Zwang dazu führt, dass die eine "Ausrede" geliefert bekommen, nach dem Motto: "Ich wollte ja nicht, aber ich musste jetzt doch...".
Impfpflicht für Pflegekräfte: In viele europäischen Staaten wurde die bereits erfolgreich eingeführt. Und denen sind die Pflegekräfte nicht in nennenswerter Zahl davongelaufen, auch wenn die vorher damit gedroht haben. Letztlich wollten sie auch nur Ihren Job behalten.
Doch bei Uns redet man sich schwurbelig, bevor man endlich handelt.
Kommt eine Impf-Pflicht, werden sich die meisten impfen lassen, um wie gewohnt weiterleben zu können. Die, die sich dann immer noch weigern, sollte man ziehen lassen, denn Reisende sollte man nicht aufhalten.
Aber für die sollte es dann eine Triage geben.
Freilich gibt es auch im kirchlichen Bereich Impfgegner, aber die Begründung liegt da wohl woanders (oder ich versteh's nicht). Ich kenne auch welche, die nicht mehr in der Kirche zu sehen sind, seit dort auch Corona-Schutzmaßnahmen gelten - nicht aus Angst oder um Kontakte zu vermeiden.
Aber: tritt die Impfpflicht in Kraft, wird es seitens der Gruppe "Querdenker / totale Impfverweigerer / Staatsverschwörungsgläubige" Krieg geben.
Ich kenne persönlich jemanden, bei dem ich sicher bin, dass er lieber in den Knast geht statt nachzugeben.
Und er ist sicher nicht der einzige.
Wie gedenken die Ordnungsbehörden dann mit solchen aggressiven Komplettsturköpfen umzugehen?
Das Thema wird kommen, darauf können wir uns verlassen.
Aktuell bekommt man im Impfzentrum überhaupt gar keine Termine angeboten – und auch bei den Ärzten sieht es wieder mau aus. Sechs Wochen Wartezeit Minimum – und das kann durch die unsäglichen erneuten Rationierungen der Impfstoffe auch wieder länger werden.
Eine zentrale Anlaufstelle für eine Terminvergabe für Leute, die eine zeitnahe Impfung wollen – egal wo -, gibt es auch nicht.
Das ist eben alles andere als ein „niederschwelliges“ Impfangebot. Wie ältere Leute oder Menschen mit einer Sprachbarriere das alleine hinbekommen sollen, erschließt sich mir nicht.
Wenn ich will, dass sich mehr Menschen impfen lassen sollen, dann reicht es nicht, ihnen das immer wieder zu sagen. Ich muss es ihnen so leicht wie möglich machen, das Angebot anzunehmen … das hat man völlig verpennt!
Da sind Sie auf dem Holzweg!
Gerade das geozentrische Weltbild ist ein wunderbares Beispiel für den katastrophalen Einfluss des Glaubens auf die Wissenschaft.
Giordano Bruno und Galileo Galilei wussten es vor mehr als 400 Jahren durch die Anwendung wissenschaftlicher Methoden besser – und beide wurden von der Kirche wegen Häresie angeklagt (Bruno infolgedessen sogar hingerichtet).
Bei Galilei hat sich die Kirche bis in das Jahr 1992(!) Zeit gelassen, seine Thesen anzuerkennen und ihn zu rehabilitieren.
Religiöser Glaube war (und ist leider heute noch) der natürliche Feind jeglicher Wissenschaft! Und für die Ethik sieht es leider auch oft sehr finster aus …
Ist das eine Variation von Schrödingers Katze? Ist die Katze geimpft oder ungeimpft?
Es gibt eben Menschen mit Empathie für ihre Mitmenschen und es gibt Egoisten.
Wer sich ohne medizinische Indikation nicht impfen lässt gehört eindeutig zur zweiten Gruppe.
Mehr Einteilung braucht man nicht.
Ihrem Artikel: Wie Ungeimpfte noch zu erreichen sind, kann ich größtenteils zustimmen. Jedoch haben Sie Menschen außer Acht gelassen, die den Herrn Jesus Christus liebhaben. Auch wenn ein Großteil der Christen, im Einklang mit der Welt/Wissenschaft, mit diesem Thema umgeht, gibt es Kinder Gottes, die sich aus Überzeugung und Liebe zu ihrem Herrn nicht impfen werden lassen.
Ich habe Ihnen mal eine Ausführung von mir dazu angehängt.
Für Ihre Arbeit wünsche ich Ihnen viel Kraft und Gottes Segen.
Mit freundlichem Gruß
Martin Dobat
97082 Würzburg
"Barmherzigkeit will ich, nicht Opfer."
Wer pickt denn in Wirklichkeit die Rosinen?