Wenn Altoberbürgermeister Klaus Zeitler aus seinem Wohnzimmer in der Wohnanlage Miravilla am Hubland sieht, fällt sein Blick auf sein eigenes Haus ganz in der Nähe, in der heute seine Tochter mit ihrer Familie wohnt. Und sein Blick schweift über die Stadt, den Geschicke er als Oberhaupt der Stadtverwaltung und des Stadtrates über 20 Jahre gesteuert hat. Wenn Zeitler, dessen Frau vor drei Jahren gestorben ist, dann beginnt, mit viel Humor aus seinem Leben zu plaudern, dann mag man bei so viel geistiger Fitness und tiefgründigem Wissen gar nicht glauben, dass er an diesem Freitag 90 Jahre alt wird.
Dass die Politik wie seine Zigarre und der Cognac noch immer zu seinem Leben zählt, sieht man an den drei Zeitungen, die er noch täglich liest, die Main-Post aus seiner Geburtsstadt natürlich, die Süddeutsche und die Welt. Nur selbst politisch Einfluss zu nehmen, das hat er schon länger eingestellt. Dafür ist Zeitler aber noch viel unterwegs: beim regelmäßigen Fitnesstraining im nahen Adami-Bad "seines" Schwimmvereins, bei Kulturveranstaltungen, bei seinem alten Stammtisch im Bürgerspital. Und natürlich im Hätzfelder Döle bei der Flößerzunft, auch wenn er da 24 Stufen hochsteigen und zur Not aufs Plumpsklo gehen muss: "Da wird geplaudert, gesungen und gesoffen, und da komme ich immer gut gelaunt nach Hause", sagt er lachend.
Über sein Leben müsste Zeitler eigentlich gar nichts erzählen
Über sein Leben müsste Zeitler eigentlich gar nichts erzählen, denn er hat alles selbst in Büchern festgehalten: In "Jahrgang 1929" berichtet er über (s)eine Jugend in Deutschland, über die Endzeit der Weimarer Republik, über das Dritte Reich und die Nachkriegszeit, die er hautnah miterlebt hatte. Und mit seinem nächsten Buch "Wohlauf die Luft geht frisch und rein" hat Zeitler die "Erinnerungen eines Oberbürgermeisters" festgehalten.
Nach seinem Studium der Rechtswissenschaften und der Volkswirtschaftslehre in Würzburg, Köln und Dijon promovierte er. In die Politik kam Zeitler 1950 mit seinem Eintritt in die SPD und wurde 1956 das damals jüngste Mitglied des Würzburger Stadtrates. Zwei Jahre später führte ihn sein Weg beruflich zum DGB nach Düsseldorf, dann wurde er Rechtsrat der Stadtverwaltung Bielefeld und kam dann ins Personalreferat der Stadt München. 1968 ging für ihn ein Traum Überfüllung, wie er sagt. Nachdem Oberbürgermeister Helmuth Zimmerer in politische Schwierigkeiten geraten war, bewarb er sich als für die SPD als Oberbürgermeister und gewann dann die Stichwahl sehr knapp gegen den CSU-Kandidaten Reinhold Vöth.
Für überregionale Schlagzeilen sorgte Zeitler im Jahr 1989
Würzburg in die Zukunft zu steuern, war Zeitlers Ziel. "Er war immer seiner Zeit voraus", sagt einer, der es wissen muss: sein langjähriger Stellvertreter von der CSU Jürgen Weber, der später sein Nachfolger über die Würzburger Liste wurde. Lang ist die Liste Zeitlers erfolgreicher Initiativen über gut zwei Jahrzehnte hinweg: das Büro für Bürgerhilfe, dass Würzburg Europastadt wurde, der neue Marktplatz ohne Autos, die Entwicklung der Heuchelhofes, das Congress Centrum, das Frauenlandbad, das neue Kaufhaus am alten Schwanengelände, der neue Alte Kranen, die Landesgartenschau 1990 und nicht zuletzt die Stadtbegrünung, was ihm den Namen "Grüner Klaus" eingebracht hat. "Da bin ich heute noch stolz drauf", sagt er.
Für überregionale Schlagzeilen hat Zeitler gesorgt, als er sich 1989 gegen die Wintex-Kriegsübung der NATO auflehnte. Einen Riesenwirbel in den Medien löste Zeitler im selben Jahr aus, als er überraschend seinen Rücktritt von der anstehenden OB-Wahl ankündigte, nachdem die CSU Barbara Stamm als Herausforderin nominiert hatte. Heute lacht er darüber: "Das war eine spontane Entscheidung, aus heutiger Sicht wohl eine Eselei", sagt er. Mitgespielt haben wohl Reibereien in der SPD und die Angst, gegen eine junge Frau zu verlieren.
Von 1996 bis 2003 saß er für die für die Republikaner im Stadtrat
Heftige Kritik vor allem von seiner SPD fing sich Zeitler ein, als er den Sozialdemokraten den Rücken zuwendete und 1992 zu den Republikanern wechselte. Der Vorwurf, dass er ein Nazi geworden sei, ist für Zeitlers politischen Wegbegleiter Jürgen Weber "ein Blödsinn". Zeitler selbst hatte den Wechsel mit einem Linksruck der SPD weg von der klassischen Arbeiterpartei begründet. Ein Grund war auch, dass die SPD die Wiedervereinigung Deutschlands nicht mittragen wollte, die für Zeitler "unser größtes Glück" war. Von 1996 bis 2003 saß er für die für die Republikaner im Stadtrat. Dann wechselte er zur Würzburger Liste. 2014 schied er aus dem Stadtrat aus.
Wie sieht er den politischen Wechsel heute? "Ach, was soll man mit 90 noch bereuen? Jeder lebt in Raum und Zeit. Ein freier Mensch war ich immer. Wenn man sich mit dem Zeitgeist vermählt, ist man schnell Witwer", sagt er, zieht an seiner Zigarre und genießt schmunzelnd seinen Cognac.
Gefeiert wird am Sonntag mit seinem Sohn und seiner Tochter und geladenen Gästen im Bürgerspital.