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WÜRZBURG
Als OB Zeitler die Bombe platzen ließ
Schlaglicht aus der Ära Zeitler: Oberbürgermeister Klaus Zeitler (rechts) 1982 bei der Übergabe einer Dokumentation des israelitischen Friedhofs, in der alle Grabmale dokumentiert sind. Direkt neben ihm der frühere Vorsteher der israelitischen Gemeinde in Würzburg David Schuster und der frühere Stadtbaurat Paul Heinrich Otte (links). Stehend der damalige Architekturstudent Rainer Schimmel, der die Dokumentation erarbeitet hat. GEORG HEUSSNER
Foto: Foto: | Schlaglicht aus der Ära Zeitler: Oberbürgermeister Klaus Zeitler (rechts) 1982 bei der Übergabe einer Dokumentation des israelitischen Friedhofs, in der alle Grabmale dokumentiert sind.
Richard Wust
 |  aktualisiert: 05.11.2015 20:44 Uhr

Es war ein Mittwoch Ende September 1989. Oberbürgermeister Klaus Zeitler hielt als festen Bestandteil seiner Öffentlichkeitsarbeit seine Wochen-Pressekonferenz. „Ewige Anbetung“ nannten die Journalisten dieses Ritual scherzhaft. Sie kamen immer zahlreich. Man konnte fragen und diskutieren.

Da zog Zeitler zwischen Routine-Informationen einen Zettel aus der Jackentasche – mit persönlichen Notizen. Der damals 60-Jährige wollte nach 21 Jahren im Amt wie aus heiterem Himmel nicht mehr kandidieren. Dabei hatte ihn seine SPD wieder als OB-Bewerber gewollt, weil er für die Partei seit Jahren ein Sieg-Garant war.

Damit hatte Zeitler mit einem Schlag die politische Landschaft revolutioniert. Zu dem Zeitpunkt stand schon fest, dass Barbara Stamm seine Hauptgegnerin in einem Wahlkampf sein würde. „Ich weigere mich gegen eine Stamm-Schlammschlacht“ , sagte er wörtlich. Denn die CSU wollte endlich einmal den OB-Sessel erobern.

Das war der Partei, die damals noch über absolute Mehrheiten im Stadtrat verfügte, bis dahin nie gelungen. Sehr viel muss damals im heutigen Alt-Oberbürgermeister vorgegangen sein. Er sprach von einer ganz persönlichen Entscheidung. Und von einem langen Entscheidungsprozess.

Verschnupfte SPD

Bei diesem Amt nach 21 Jahren auf eine Kandidatur mit guten Erfolgsaussichten zu verzichten, musste Hintergründe haben. Die wurden sehr schnell in einem Buch von Zeitler mit dem Titel „Jahrgang 1929“ vermutet, in dem er sich als Mitläufer der Nazis bekannte, nicht zur Ideologie. Er wollte seine eigene Geschichte „demütig“ aufarbeiten.

Lustig fand den Rückzug seine Würzburger SPD damals überhaupt nicht. Zwei Jahrzehnte erfolgsgewohnt mit ihrer Galionsfigur Klaus Zeitler zeigten sie sich enttäuscht über die Absage. Schnell mussten die Genossen im Herbst 89 einen neuen OB-Kandidaten finden. Sie wussten zu dem Zeitpunkt schon genau, dass man es auf der konservativen Seite mit Barbara Stamm als gewaltiges politisches Pfund zu tun hatte.

In der internen Auseinandersetzung wurde nun Zeitler von der SPD gewaltig in die Schusslinie genommen. Und so wäre er fast noch einmal bereit gewesen – doch da wollte die SPD nicht mehr und nominierte Walter Kolbow als OB-Kandidaten. Die SPD war vergrämt, wegen der „politischen Kultur“ Zeitlers.

Zeitlers Erfolg in den 80ern

Das war sie, wie damals jeder politisch Interessierte wusste, allerdings schon vorher. Denn das Verhältnis zwischen Zeitler als Oberbürgermeister und der SPD-Fraktion im Stadtrat war nie von Innigkeit geprägt. Zeitler war inhaltlich in seiner Amtszeit oft mehr bei den konservativen Lagern wie der starken CSU und den Freien Wählern zuhause. Dort fand er Mehrheiten und Erfolg, den seine Amtszeit prägte.

Eine der großen Leistungen war die Planung und Verwirklichung der Linie 5 zum Heuchelhof. In die 80er Jahre fiel auch die Verwirklichung des Müllheizkraftwerks über einen Zweckverband – eine Form der Abfallbeseitigung, die damals noch in den Anfängen steckte. Überhaupt war Zeitler schon damals sehr aufgeschlossen für die gesamte Umweltproblematik, was ihm den Spitznamen „grüner Klaus“ einbrachte.

Immerhin schaffte er es auch, seinen persönlichen Referenten Matthias Thoma als ersten Umweltreferenten der Stadt Würzburg durchzusetzen. Der damals dienstälteste Oberbürgermeister der kreisfreien Städte Bayerns saß noch ziemlich fest „im Sattel“ und hatte seine erneute Kandidatur im Juni 89 schon offiziell bekannt gegeben – ehe er es sich drei Monate später urplötzlich anders überlegte.

Mit seinem Rückzug hatte Zeitler die politische Landschaft in dieser Vorwahlkampfzeit 1989 ganz gewaltig verändert. Denn zwei Wochen später platzte im kommunalpolitischen Szenario die nächste Bombe. Der damalige Bürgermeister, Kämmerer und Liegenschaftsreferent Jürgen Weber, ein strammer CSU-Mann, witterte Morgenluft.

Als wichtiger Strippenzieher immer in der zweiten Reihe machte er den kühnen Schritt, gründete seine „Würzburger Liste“ und kündigte seine eigene OB-Kandidatur an – gegen Barbara Stamm aus der eigenen Partei, gegen Walter Kolbow und den Freien Wähler Werner Fischer.

Später zu Republikanern und WL

Gewinner bei dieser Wahl wurde dann ganz überraschend Jürgen Weber, der das konservative Lager geteilt hatte. Es war eine der schwersten Niederlagen für CSU-Frau Barbara Stamm in ihrer politischen Laufbahn, weil sie diese auch noch gegen einen „Parteifreund“ hinnehmen musste.

Was noch dazugehört: Weber und Zeitler harmonierten in den 80ern gut in der Rathausspitze. Zeitler konnte auch nach seinem Abgang als OB nicht von der Politik lassen und zeigte seine bedenkliche Gesinnung durch den Wechsel von der SPD zu den rechten Republikanern.

Dann fand er später mit dem inzwischen abgewählten und von Pia Beckman (CSU) abgelösten Oberbürgermeister Jürgen Weber zur Würzburger Liste, beide wurden als Stadträte gewählt. Zeitler machte fortan Kommunalpolitik und saß bis zum Ende der letzten Wahlperiode und inzwischen 85 Jahre alt im Würzburger Stadtrat.

 
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  • R. B.
    sagen auch, dass Zeitler zuerst gar nicht für die Linie 5 war. Während einer Informationsfahrt des Stadrats nach Freiburg kam es nachts zu einem Schulterschluss zwischen SPD und CSU. Der an der Fahrt teilnehmende damalige Kämmerer Pfeuffer signalisierte daraufhin die ernsthafte, persönliche Bemühung um die Finanzierung. Zeitler sprang erst später auf den fahrenden Zug auf. Zeitler war damals auch gegen Rasengleise, von wegen grüner Klaus. Den Namen bekam er für seine pseudogrünen Waschbetontröge.
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  • R. B.
    Zeitler hatte die Hosen voll vor dem Wahlkampf gegen Stamm. Erst als Weber das konservative Lager spaltete, witterte er Morgenluft und überlegte es sich noch einmal. Nur, da hatte die SPD längst Walter Kolbow nominiert und der war schon im Wahlkampf. Zeitler zeigte seine Loyalität zu seiner damaligen Partei SPD dann, indem er den Gegenkandidat von Kolbow - Weber - im Wahlkampf mit Aussagen wie: fähiger Mann, guter Mann, große Erfahrung usw. aufwertete und ihn protegierte. Richtig ist, dass Zeitlers Gesinnung danach klar wurde. Und als er dann um seine Pension fürchten musste, trat er schnell bei den Reps wieder aus. Erinnert sei an die Aussage des damaligen Rep-Chefs Schönhuber: "Zeitler hat sich immer angebiedert ..." Widerlich ....
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