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Hubland
Wohnungsbau in Würzburg: Preisexplosion, Lieferprobleme und welche Folgen Mieterinnen und Mietern drohen
Lieferschwierigkeiten durch den Ukraine-Krieg und Fachkräftemangel sowie Preissteigerungen bremsen den Wohnungsneubau. Wie die Stadtbau Würzburg darauf reagiert.
Welche Risiken und Probleme der Wohnungsneubau momentan mit sich bringt, wird auf der Baustelle der Stadtbau Würzburg deutlich. V.l. Hans Sartoris (Stadtbau), Eberhard Kurz (Architekt), Georg Müller (Stadtbau).
Foto: Thomas Obermeier | Welche Risiken und Probleme der Wohnungsneubau momentan mit sich bringt, wird auf der Baustelle der Stadtbau Würzburg deutlich. V.l. Hans Sartoris (Stadtbau), Eberhard Kurz (Architekt), Georg Müller (Stadtbau).
Christoph Sommer
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:39 Uhr

Noch geht die Arbeit gut voran. Auf der Baustelle im Hubland steht Hans Sartoris, Geschäftsführer der Würzburger Stadtbau, mit seinem Team und dem zuständigen Architekten. Bis Herbst 2024 sollen hier 112 Mietwohnungen entstehen - etwa die Hälfte davon sozial gefördert. Das momentan größte Bauprojekt der Stadtbau auf dem über 8000 Quadratmeter großen Areal sei inzwischen zu etwa 20 Prozent fertiggestellt.

Die Leitung des kommunalen Wohnungsunternehmens mache sich angesichts der Preisexplosion allerdings ernsthafte Sorgen um die Finanzierung der Fertigstellung: "Erst Corona, dann der Ukraine-Krieg und dazu kommt noch das Langzeitproblem Fachkräftemangel", zählt Stadbau-Projektleiter Georg Müller auf.

Corona, Krieg und Fachkräftemangel lassen die Preise explodieren

Spätestens seit Pandemie-Beginn steigen die Baupreise steil an. Für Februar gab das Statistische Bundesamt eine Steigerung um 14,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat an. Neben den allgemein gestiegenen Transportkosten fallen besonders die Kosten für Metallprodukte stark ins Gewicht. Doch die Preissteigerung ist nur eine Seite der Medaille. Dazu gehören akute Lieferengpässe bei vielen Materialien und Rohstoffen. "Wegen der Lockdowns in China stecken beispielsweise immer noch viele Transporte fest", erklärt Sartoris.

"Das Stahlwerk in Mariupol, das so lange in den Schlagzeilen gewesen ist, war einer der Hauptproduzenten für Bau-Stahl in Europa."
Eberhard Kurz, Architekt

Zudem seien viele Schlüsselindustrien für das Baugewerbe direkt oder indirekt von Lieferungen aus Russland und der Ukraine abhängig. "Das zerstörte Stahlwerk in Mariupol, das so lange in den Schlagzeilen stand, war einer der Hauptproduzenten für Bau-Stahl in Europa", ergänzt Eberhard Kurz. Er ist Architekt beim Würzburger Architektenbüro GKP, das die Bauleitung für das Projekt im Hubland innehat.

Verlust der Planungssicherheit

Er führt weiter aus, dass viele für den Bau essenzielle Materialien, neben Stahlprodukten vor allem Fließen, energieintensiv in Italien produziert werden. Die Verarbeitung von Stahl oder von Porzellan sei allerdings momentan durch die Abhängigkeit vom russischen Gas stark eingeschränkt. Deshalb würden die Preise dort parallel zu den Lieferzeiten ansteigen.

Allein für Stahl, das für den konventionellen Neubau unerlässlich ist, habe sich in Folge dieser Mehrfachkrisen die Lieferzeit von zehn Tagen auf bis zu zehn Wochen vervielfacht. "Wir müssen eigentlich schon direkt nach den Arbeiten am Fundament das Material für das Dach bestellen", sagt Kurz. Die Planung verkompliziere sich dadurch enorm, genauso wie die Abhängigkeit verschiedener Bauschritte.

Probleme bei der Ausschreibung

Zusammen mit dem Fachkräftemangel führen die Preise und Lieferengpässe dazu, dass Bauherren Schwierigkeiten haben, Unternehmen für die einzelnen Arbeitsschritte zu finden. Im Gegensatz zu früher - "Planung, Ausschreibung, Vergabe" - müsse man sich heute nach der Ausschreibung mit den Anbietern zusammensetzen, wie es Projektleiter Müller erklärt.

"Wenn einmal Sand im Getriebe ist, trifft es sofort das Gesamtprojekt"
Hans Sartoris, Geschäftsführer Stadtbau Würzburg

Weil die Angebote teilweise doppelt so hoch seien wie die Kalkulation der Ausschreibung, werde "konstruktiv optimiert", um gemeinsam mit den Firmen kostenreduzierende Lösungen zu finden. "Genau wie mit der Lieferbarkeit von Materialien hatten wir nie Probleme, Angebote für die Ausschreibungen zu finden", betont Sartoris, "und wenn einmal Sand im Getriebe ist, trifft es sofort das Gesamtprojekt."

Kostensteigerung in Millionenhöhe

Die Stadtbau Würzburg gibt für das gesamte Bauprojekt am Hubland eine Preissteigerung von etwa 20 Prozent an, im Vergleich zur Kalkulation vor dem Baubeginn 2019. "Uns fehlen nach dieser Kalkulation sechs Millionen Euro", rechnet Sartoris vor. Diese Lücke zu schließen, sei allerdings alles andere als einfach. Wegen fester Richtlinien und Verfahren sei eine Nachfinanzierung über Förderprogramme ebenso schwierig wie eine Finanzierung über Kapitalmärkte, an denen die Zinsen zuletzt deutlich gestiegen sind.

"Für Mieterinnen und Mieter bedeutet das einen Verlust ihrer Planungssicherheit."
Hans Sartoris, Geschäftsführer Stadtbau Würzburg

Letztlich sei auch ein Baustopp aufgrund rechtlicher Verpflichtungen zwar eine "absolute Notlösung", wie Sartoris bekräftigt, jedoch eine, über die man durchaus nachdenken müsse. Als kommunales Unternehmen könne und wolle die Stadtbau nämlich die Kosten nicht direkt auf die Mietpreise umlegen.

Folgen für Miete und soziale Förderung

Auch eine Reduzierung des Anteils sozial geförderter Wohnungen an dem Gesamtobjekt sei zwar denkbar, jedoch aufgrund zugesagter Fördermittel schwer umzusetzen. Bei zukünftigen Projekten sei das jedoch durchaus vorstellbar, weil das "Geschäftsmodell sozialer Wohnungsbau grundsätzlich gefährdet" sei. Aufgrund mangelnder Alternativen plane die Stadtbau gerade die Finanzierungslücke kurzfristig durch den Verkauf "einzelner Objekte ohne wohnungspolitische Bedeutung" zu schließen.

Gleichwohl beträfen die Unsicherheiten der globalen Lieferketten auch die zukünftigen Mieterinnen und Mieter. Wegen der Unwägbarkeiten bei der Fertigstellung sei die Stadtbau laut ihrem Geschäftsführer zu einem mehrstufigen Bewerbungsverfahren übergegangen, da feste Einzugstermine nicht zugesagt werden können.

Die langwierige Umzugsplanung – von der Einhaltung der Kündigungsfristen bis zur Suche nach Umzugsunternehmen – erschwere sich dadurch erheblich: "Für Mieterinnen und Mieter bedeutet das einen Verlust ihrer Planungssicherheit."

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  • matthiasr
    Ach kommt, lasst uns ein paar Arbeiter*innen aus der Türkei, Indien oder Pakistan einfliegen und weiterhin lieber Orchideenstudiengänge besuchen, soll doch die Welt uns retten, wenn wir ansonsten doch die Welt retten wollen...

    Wie kann man sich in einem erste Welt Land überhaupt die Hände schmutzig machen?

    #somalsehenobdiemainpostmitironieundsarkasmusumgehenkann
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