
Deutschland soll bis 2045 klimaneutral sein. Das bedeutet, dass allein im Gebäudesektor, in dem zahlreiche Handwerkerinnern und Handwerker tätig sind, die Emissionen von aktuell jährlich etwa 118 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten auf null sinken müssen. Um das zu erreichen, braucht man Fachkräfte. Doch genau diese fehlen überall. Bremst der Fachkräftemangel den Klimaschutz in Unterfranken aus? Die Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Wie viele Handwerkerinnen und Handwerker fehlen in Unterfranken?
Deutschlandweit fehlen laut dem Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) mindestens 250.000 qualifizierte Fachkräfte im Handwerk. Bricht man diese Zahl auf Unterfranken herunter, sind das mindestens 3900 Handwerkerinnen und Handwerker.
Ob tatsächlich so viele Fachkräfte in der Region fehlen, lässt sich nicht herausfinden. Doch Fakt ist: Der Mangel ist real und wird jedes Jahr größer. Mittlerweile bleibt laut der Handwerkskammer für Unterfranken jedes Jahr ein Drittel der ausgeschriebenen Ausbildungsplätze im unterfränkischen Handwerk unbesetzt. Das sind über 1000 Stellen.
Was sind die Gründe für den Handwerkermangel?
Einer der Gründe für den Fachkräftemangel im Handwerk ist der fehlende Nachwuchs. Das bestätigt sich immer wieder, egal, mit wem aus der Branche man spricht. "Wir haben das Problem, dass wir zu wenig Auszubildende kriegen", sagt beispielsweise Karl Böhner, Obermeister der Bauinnung Schweinfurt und Haßbergkreis sowie Geschäftsführer der Firma Böhner Bau aus Grettstadt (Lkr. Schweinfurt). Der Mangel betreffe nicht nur seine Innung, sondern alle in der Region. "Und es wird zunehmend schwieriger, da die Regierung und die Medien lange die Meinung vertreten haben, dass jeder studieren muss."
Neben den Auszubildenden fehlen auch Gesellinnen und Gesellen. "Wir suchen alle Mitarbeiter, aber am freien Arbeitsmarkt ist eigentlich nichts mehr zu bekommen", sagt Böhner. Ein Punkt, der mittlerweile viele Firmen betrifft, nicht nur im Handwerk. Denn der Arbeitsmarkt hat sich von einem Arbeitgeber- hin zu einem Arbeitnehmermarkt entwickelt. Das bedeutet: Es gibt mehr freie Stellen als es erwerbsfähige Menschen gibt. Haupttreiber dieser Entwicklung ist der demografische Wandel.
Auf was müssen sich Kundinnen und Kunden einstellen?
Wer aktuell einen Handwerksbetrieb beauftragen möchte, um das Dach zu sanieren, eine Solaranlage zu installieren oder ein neues Haus zu bauen, muss sich auf eine teilweise lange Wartezeit einstellen. Viele Betriebe sind bereits bis ins Frühjahr 2023 ausgelastet. Das bedeutet in den meisten Fällen: Ein Projekt planen geht zwar, doch der Baustellenbetrieb beginnt frühestens in einem Jahr.
Hinzu kommt: Wer bei Sanierung und Co. auf staatliche Unterstützung hofft, muss Glück haben. So waren beispielsweise die Fördergelder der KfW-Bank für energieeffiziente Neubauten noch am Tag der Neuauflage im April ausgeschöpft.
Können so die Ziele zur Eindämmung des Klimawandels erreicht werden?
Harald Schütz ist ehemaliger Obermeister der Kitzinger Innung für Spengler-, Sanitär- und Heizungstechnik sowie Geschäftsführer der Harald Schütz Heizungsbau & Sanitär GmbH in Kleinlangheim (Lkr. Kitzingen). Für ihn ist klar: "Nein, die Ziele können wir nicht erreichen." Beispielsweise fehle es derzeit an Speicherkapazitäten, um in Zukunft alle Heizungen und Autos elektrisch zu betreiben. Zudem sei fraglich, ob die Stromkabel und -netze bis dahin überhaupt dafür ausgelegt seien, um zum Beispiel fünf Autos in einer Straße gleichzeitig an Schnellladestationen aufzutanken.
Karl Böhner, der Obermeister der Bauinnung Schweinfurt und Haßbergkreis, ist zwar der Meinung, das vom Prinzip her alles machbar sei. Doch auch er sieht Probleme bei der Zielerreichung. So nehme die Bürokratie bei Förderungen und Genehmigungsverfahren zu anstatt ab. Hinzu komme, dass die Kieswerke um Schweinfurt in zwei bis drei Jahren ihre Rohstoffe zukaufen müssten, sofern kein neues Abbaugebiet in der Region genehmigt werde. "Und dann kommen die Schwerlasttransporte aus Thüringen oder von noch weiter weg", sagt Böhner. "Das ist nicht besonders umweltfreundlich."
Welche Lösungen gibt es?
"Die Attraktivität des Handwerks wird noch immer unterschätzt", sagt Christopher Hauk, Leiter des Kompetenzzentrums für Energietechnik der Handwerkskammer für Unterfranken. Das betreffe gerade die Handwerksbereiche für den Klimaschutz wie Elektrotechnik oder Sanitär, Heizung und Klima (SHK). Dabei seien gerade diese abwechslungsreich, spannend und fordernd, wie Hauk aus eigener Erfahrung weiß. "Ich sehe hier gute Möglichkeiten, beispielsweise auch Studienabbrecherinnen und -abbrecher fürs Handwerk einzufangen."
Zudem sieht Hauk Potenzial bei der Zuwanderung von Fachkräften und bei der Veränderung des Arbeitsmarkts. Wenn in einem Handwerksbereich Stellen wegfallen sollten, könnten diese Fachkräfte möglicherweise in eine andere Handwerksbranche wechseln.
Egal, wen man noch fragt, die Antwort ist immer die gleiche: Es müssen mehr Menschen für einen Job im Handwerk begeistert werden. "Ich weiß nicht, ob die Politik das beeinflussen kann", sagt der ehemalige Kitzinger SHK-Obermeister Harald Schütz. "Doch das Handwerk sollte mehr wertgeschätzt werden."