
Als Moritz von Ahn vor fünf Jahren die Rupert-Egenberger-Schule in Höchberg verließ, war für ihn klar: Er will nicht in eine Werkstätte für Menschen mit Behinderung, er will im Freien arbeiten. Und vor allem möglichst selbständig - trotz seiner Lernschwäche. Genau das kann der 23-Jährige heute tun, wenn er auf dem ehemaligen Landesgartenschaugelände am Würzburger Hubland die Anlagen pflegt und neu bepflanzt.
Moritz von Ahn ist einer von über 70 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der "Modell Integrationsgesellschaft mbH", kurz MIG. Die Firma bietet an sechs Standorten in Unterfranken Dienstleistungen im Gartenbau an. Dazu kommen noch 30 Arbeitsplätze für Mitarbeitende, die in einer Werkstätte für Menschen mit Behinderung angestellt sind, aber den Sprung in den ersten Arbeitsmarkt ausprobieren wollen, erläutert Stefan Sennefelder.

Sennefelder ist seit 2018 Ausbilder bei der MIG. Und von Beginn an begleitete der 43-Jährige den schüchternen Moritz von Ahn, der nach einem Praktikum zuerst eine Berufsqualifizierungsmaßnahme der Arbeitsagentur absolvieren musste. Dabei wird geschaut, ob ein Bewerber eine Ausbildung auf dem freien Arbeitsmarkt überhaupt schaffen kann.
Ausbildung als "Fachwerker" mit Erleichterungen je nach Handicap
Moritz von Ahn war fit genug und konnte die dreijährige Ausbildung zum Fachwerker im Gartenbau beginnen. "Fachwerker" - das ist quasi eine auf Menschen mit Handicap angepasste Gesellen-Ausbildung, erläutert Benjamin Nebes. Der 31-Jährige ist Ausbilder bei der unterfränkischen Inklusions-Firma Vinzenz, die mit 16 Mitarbeitenden ebenfalls im Gartenbau aktiv ist. Je nach Einschränkung der Azubis würden bei der Ausbildung bestimmte theoretische oder auch praktische Anforderungen vereinfacht.
Eine ganz andere Geschichte hat Markus Priebe, der bei der gemeinnützigen GmbH "wir integrieren" (WIN) arbeitet. Spezialisiert auf Dienstleistungen rund um Gebäude bietet WIN in ganz Franken, dem südlichen Bayern und Teilen Baden-Württembergs Hausmeistertätigkeiten, Reinigungsdienste und Grünanlagenpflege an. In Würzburg-Heidingsfeld ist der Firmensitz und ein Lager für alle Dienste.
Durch eine Krise als Einzelhändler komplett aus der Bahn geworfen
Markus Priebe arbeitet hier seit über fünf Jahren als Inklusionskraft. Der 46-Jährige organisiert und pflegt das Lager, gibt die benötigten Utensilien aus. Er hatte trotz einer angeborenen chronischen Erkrankung einen Schulabschluss gemacht und eine Lehre zum Einzelhändler gemacht. Viele Jahre war er erfolgreich in einem Sportgeschäft tätig.

Dann warf ein psychischer und physischer Zusammenbruch den Einzelhändler komplett aus der Bahn. Drei Jahre lang war Markus Priebe krankgeschrieben. In der Reha beschloss er, unbedingt wieder arbeiten zu wollen. Einen Job im Einzelhandel mit seinen Belastungen aber konnte sich der Würzburger nicht mehr vorstellen.
Das Angebot der WIN, im Heidingsfelder Lager zu arbeiten, habe ihn sofort gefallen, sagt der 46-Jährige heute. Zumal der Arbeitsplatz in seiner Nachbarschaft liege und er nicht mit Bus oder Bahn fahren muss. Ist im öffentlichen Nahverkehr viel los, bedeute das für ihn eine Reizüberflutung, Angst - und wird zum Problem.
Der Chef des Hausmeister-Teams war erfolgreicher Fußballtrainer
Das Hausmeisterteam von WIN wird seit kurzem von Torsten Goldbach geleitet. Der 56-Jährige hatte zuvor viele Jahre bei einem großen Dienstleister in ähnlicher Funktion gearbeitet. Und Goldbach war lange als Fußballtrainer erfolgreich - unter anderem bei den Würzburger Kickers und Greuther Fürth.
Teamgeist und das Mannschaftsgefüge würden auch in Inklusionsbetrieben eine große Rolle spielen, sagt Torsten Goldbach. In der freien Wirtschaft habe er als Führungskraft zwar mehr verdienen können, dafür würde er jetzt mit einer freundschaftlichen und familiären Atmosphäre belohnt. Es mache einfach Spaß, im Inklusionsbetrieb zu arbeiten.
Mit der Firma "MainGarten" in Marktbreit im Landkreis Kitzingen und dem Bistro Belvedere am Würzburger Hubland betreibt auch die Arbeiterwohlfahrt (AWO) Unterfranken e.V. zwei inklusive Betriebe. Für freie Inklusionsstellen gebe es meist genügend Bewerber, sagt Christoph Leuz, Betriebsleiter von "MainGarten". Schwieriger sei es da schon bei den Anleitern. Denn die müssten neben ihrer fachlichen Kompetenz auch soziales Engagement mitbringen, sagt der 32-Jährige.
Inklusionsbetriebe: Aufstiegsmöglichkeiten für Menschen mit Behinderung
Inklusionsmitarbeiter in Inklusionsfirmen verdienen den Mindestlohn. Aber sie haben die Möglichkeiten, beruflich aufzusteigen und dann auch mehr zu verdienen. Besondere Aufgabe eines Inklusionsbetriebes sei, sowohl den Kundinnen und Kunden als auch den Beschäftigten gerecht zu werden, sagt MIG-Ausbilder Stefan Sennefelder. Dabei sei die Wertschätzung besonders wichtig, ergänzt Vinzenz-Kollege Benjamin Nebes: "Wir reduzieren unsere Mitarbeiter nicht auf ihr Handicap, sondern arbeiten mit ihnen auf Augenhöhe."