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Würzburg
Trotz Arbeitskräftemangel: Warum Menschen mit Behinderung auf dem ersten Arbeitsmarkt schwer einen Job bekommen
Sie arbeiten in Werkstätten oder sind arbeitslos. Inklusion im Betrieb gelingt nur für wenige Menschen mit Behinderung. Wie die Lage und die Förderung in Unterfranken sind.
Die meisten Menschen mit einer Behinderung arbeiten in einer speziellen Einrichtung - wie den Mainfränkischen Werkstätten in Würzburg. Einige könnten eigentlich auch auf dem ersten Arbeitsmarkt Fuß fassen.
Foto: Silvia Gralla | Die meisten Menschen mit einer Behinderung arbeiten in einer speziellen Einrichtung - wie den Mainfränkischen Werkstätten in Würzburg. Einige könnten eigentlich auch auf dem ersten Arbeitsmarkt Fuß fassen.
Folker Quack
 |  aktualisiert: 26.07.2024 02:44 Uhr

Steigen mit dem Fachkräftemangel die Chancen für behinderte Menschen, im ersten Arbeitsmarkt Fuß zu fassen? Thomas Bannasch, Vorsitzender der bayerischen Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) Selbsthilfe, sagt: Jetzt, wo man Bedarf am Arbeitsmarkt habe, entdecke man das Potenzial. Die Bayerischen Bezirke widmeten sich in Würzburg jetzt einen ganzen Tag lang dem Thema, denn als Träger der Eingliederungshilfe kommt ihnen eine wichtige Rolle zu.

In der Inklusion am Arbeitsplatz sieht der Präsident des Bayerischen Bezirketags, Franz Löffler, eine Chance für die ganze Gesellschaft: Sie könne Kreativität fördern und ein faires und gerechteres Arbeitsumfeld schaffen.

Wie wird Inklusion gefördert und wie ist die Lage mit der Eingliederung in Unterfranken? Ein Überblick.

Wie groß ist das Potenzial von Menschen mit Behinderung für die Wirtschaft?

Im Juni 2024 waren in Bayern über 25.000 Menschen mit einer Schwerbehinderung arbeitslos gemeldet. Im Arbeitsamtsbezirk Würzburg waren es 845 Menschen, im Bereich Schweinfurt 879. In ganz Unterfranken sind nach Angaben des Bezirks 3792 Menschen in einer der Werkstätten für Menschen mit Behinderung tätig. 

Thomas Bannasch, Vorsitzender der bayerischen Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) Selbsthilfe, sagt, es sei schwer, behinderte Menschen mit geeigneter Qualifikation zu finden. Das liege auch daran, dass Schule und Ausbildung von Jugendlichen mit und ohne Behinderung in Bayern noch immer strikt getrennt verlaufen. Wer völlig getrennt Schule und Ausbildung absolviere, finde sich dann schwerer im Beruf auf dem ersten Arbeitsmarkt zurecht.

Warum schaffen es nicht mehr Menschen mit Handicap auf den ersten Arbeitsmarkt?

Viele Unternehmen wollen keine Menschen mit Behinderung einstellen und zahlen lieber die dann fällige Ausgleichsabgabe. Es seien immer die gleichen Firmen, die konstant lieber die Ausgleichsabgabe bezahlt, sagt Markus Schmitz, Vorsitzender der Geschäftsführung der Regionaldirektion Bayern der Bundesagentur für Arbeit.  

Für die Menschen mit Behinderung ist der Schritt in den ersten Arbeitsmarkt mit einigen Risiken verbunden. Sie verlieren ihr Rentenprivileg: In den Werkstätten für Menschen mit Behinderung können Beschäftigte nach 20 Jahren offiziell in Rente gehen, im ersten Arbeitsmarkt erst nach 45 Arbeitsjahren. Dazu gibt es in den Werkstätten eine Betreuung, aber keine Leistungspflicht wie im ersten Arbeitsmarkt. Dafür müssen Werkstätten keinen Mindestlohn bezahlen.

Was ist die Ausgleichsabgabe und wer muss sie bezahlen?

Arbeitgeber ab 20 Mitarbeitern müssen je nach Betriebsgröße eine Ausgleichsabgabe von bis zu 360 Euro im Monat bezahlen, wenn sie keine oder zu wenig Menschen mit Behinderung anstellen.  Ab 1. März 2025 wird die Abgabe auf bis zu 720 Euro im Monat erhöht. In Bayern haben Unternehmen im vergangenen Jahr 54 Millionen Euro Ausgleichsabgabe bezahlt. 

Trotz Arbeitskräftemangel: Warum Menschen mit Behinderung auf dem ersten Arbeitsmarkt schwer einen Job bekommen

Welche Hilfe und Fördergelder gibt es für Arbeitgeber?

Die IHK Würzburg-Schweinfurt verweist auf die 2022 geschaffenen einheitlichen Ansprechstellen für Arbeitgeber (EAA), die kostenfrei zum Thema Beschäftigung von schwerbehinderten Menschen beraten. Projektpartner sind IHK, Bezirk Unterfranken, Inklusionsamt, Agentur für Arbeit, Jobcenter, Handwerkskammer und der Integrations-Fachdienst (IFD), EAA-Ansprechstellen gibt es in Würzburg, Schweinfurt und Aschaffenburg.

2014 wurde in Bayern das Projekt "Begleiteter Übergang aus der Werkstatt auf den allgemeinen Arbeitsmarkt" (BÜWA) ins Leben gerufen. Außerdem gibt es die "unterstützte Beschäftigung" (UB). Das Motto: "erst platzieren, dann qualifizieren". Während der zwei- bis dreijährigen Qualifizierungsphase werden Lohn- und andere Kosten erstattet. Ein Coach begleitet die Zeit, in der geprüft wird, unter welchen Bedingungen (z.B. Technischen Hilfen, Weiterbildung, Minderleistungsausgleich) der Mitarbeiter weiter beschäftigt werden kann. Im Gegensatz zu allen anderen Förderinstrumenten dürfen die Teilnehmer hier nicht aus einer Werkstätte für behinderte Menschen kommen - sehr wohl aber von einer Förderschule. 

Das Budget für Arbeit ist ein Lohnkostenzuschuss für Arbeitgeber, die einen schwerbehinderten Menschen einstellen. Er kann bis zu 75 Prozent betragen und wird von den Bezirken finanziert.  Aktuell sind in Bayern 86 Menschen mit Behinderung über das Budget für Arbeit im ersten Arbeitsmarkt tätig, in Unterfranken laut Bezirk 14 Arbeitnehmer. Voraussetzung ist eine Zugangsberechtigung zu einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung. 

Welche Hilfe und Förderung gibt es für junge Menschen mit Behinderung? 

Seit 2020 gibt es das Budget für Ausbildung: Jungen Menschen mit Behinderungen sollen dadurch die Chance auf eine Ausbildung im ersten Arbeitsmarkt bekommen. Das Budget läuft über die Arbeitsagenturen, erstattet wird die Ausbildungsvergütung, einschließlich Arbeitgeberanteil an der Gesamtsozialversicherung und Unfallversicherung. 

Dazu erhalten die Auszubildenden eine Anleitung und Begleitung am Ausbildungsplatz und in der Berufsschule, Fahrtkosten werden gezahlt. Voraussetzung ist eine Zugangsberechtigung zu einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung. Beantragt wurde es in den Arbeitsagenturen Würzburg und Schweinfurt noch nie.

 
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