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Berlin
Linke fordert Mindestlohn auch für Menschen mit Behinderung
In Werkstätten arbeiten über 320.000 Menschen mit Behinderung. Sie bekommen bisher keinen Mindestlohn. Das muss sich ändern, findet die Linke.
276534610       -  In Behindertenwerkstätten verdienen Menschen bei Weitem nicht so viel wie auf dem regulären Arbeitsmarkt. Das ist nicht gerecht, finden viele.
Foto: Daniel Karmann, dpa | In Behindertenwerkstätten verdienen Menschen bei Weitem nicht so viel wie auf dem regulären Arbeitsmarkt. Das ist nicht gerecht, finden viele.
Anna Mohl
 |  aktualisiert: 09.06.2024 02:31 Uhr

Der Mindestlohn ist in Deutschland ein wichtiges Werkzeug, um Ausbeutung zu verhindern. Doch nicht alle profitieren bisher von der Regelung. Menschen mit Behinderung, die in Werkstätten tätig sind, sind noch immer davon ausgenommen. Die Linke fordert daher nun, die Mindestlohnregelung auch auf sie auszuweiten. Parteichefin Janine Wissler nennt die bestehende Regelung einen „entwürdigenden Witz“, der auf Kosten der Mitarbeiter mit Behinderung gemacht werde. „Es ist ein Pseudo-Gehalt, das ohne Zusatzhilfen vom Amt hinten und vorne nicht zum Leben reicht“, sagt Wissler. Der Mindestlohn müsse für alle Menschen gelten. 

Wissler verweist auf die neue EU-Mindestlohnrichtlinie, die ab November von den EU-Mitgliedsstaaten umgesetzt werden soll. 50 Prozent des nationalen Durchschnittseinkommens oder 60 Prozent des durchschnittlichen mittleren Einkommens gelten als internationale Richtwerte für die Länder. Der Mindestlohn liegt in Deutschland laut Statistischem Bundesamt bei etwa 53 Prozent des Medianlohns. Anfang nächsten Jahres soll er von aktuell 12,41 Euro um 41 Cent auf 12,82 Euro steigen.

Derzeit arbeiten über 320.000 Menschen mit Behinderung in Werkstätten

In der EU-Vorschrift steht außerdem, dass auch Menschen mit Behinderungen, die in geschützten Arbeitsverhältnissen arbeiten, für gleichwertige Arbeit gleichen Lohn erhalten sollen. Diese Richtlinie müsse Deutschland einhalten, fordert Wissler. "Menschen mit Behinderung brauchen ebenfalls die Anerkennung für den Mindestlohn, die ihnen zwar die EU, aber nicht Deutschland gibt", sagt die Linke-Chefin. 

Derzeit sind über 320.000 Arbeitsplätze von Menschen mit Behinderung in Werkstätten besetzt. Dort arbeiten sie in der Fertigung, im Handwerk, im Gartenbau oder in verschiedenen Dienstleistungen. Zwischen 200 und 500 Euro monatlich verdienen sie durchschnittlich damit. Zum Vergleich: Ein regulärer Arbeitnehmer erhält beim derzeitigen Mindestlohn in einer vergleichbaren Arbeitsstelle ein Monatsbruttogehalt von 2135 Euro. 

Die Caritas hält es für wichtig, dass sich die Situation verbessert

Derzeit laufen die Gespräche zum Thema, seit Ostern gibt es einen Aktionsplan vom Bundesarbeitsministerium. Darüber, dass das Einkommen von Menschen mit Behinderung in Werkstätten steigen muss, herrscht weitgehend Einigkeit. Der Bundesverband Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie (CBP) hat einen Reformvorschlag: Er fordert einen Lohnkostenzuschuss, gekoppelt an den Mindestlohn. Dieses sogenannte "Teilhabegeld" soll demnach 15 Wochenstunden Mindestlohn betragen und bei 809 Euro liegen. Dafür würde der bisherige Grundbetrag von aktuell 126 Euro und das Arbeitsförderungsgeld von 52 Euro im Monat entfallen. Zusätzlich sollen die Arbeitenden wie bisher aus dem von der Werkstatt Erwirtschafteten einen Teil erhalten. Derzeit sind das laut Caritas durchschnittlich 178 Euro. So würde sich ein Einkommen von 987 Euro ergeben.

Den Vorschlag betrachtet Christian Germing, Vorstand der Caritas vom Kreis Coesfeld und bewandert in dem Thema, als Kompromiss zwischen den Extrempositionen: einerseits der vollen Mindestlohneinführung und andererseits einer bloßen leichten Erhöhung des Arbeitsförderungsgelds. "Dabei stünde noch immer der Rehabilitationsauftrag im Vordergrund und es gäbe einen Anreiz, auf den normalen Arbeitsmarkt zu wechseln. Gleichzeitig halten wir es für wichtig, dass es eine Verbesserung der Einkommenssituation gibt", sagt Germing. Das Ziel sei, eine Perspektive zu schaffen, in der Unabhängigkeit vom Bürgergeld möglich sei. Der Experte weiß auch: In der Summe sei der Vorschlag volkswirtschaftlich nicht viel teurer. 

 
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