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SENNFELD
Mehr Chancen, mehr Konkurrenz
In den 25 Jahren, die Thomas Falk schon in der Werkstatt der Lebenshilfe Sennfeld arbeitet, hat er schon einiges erlebt. Die Arbeit dort gefällt ihm nach wie vor.
| In den 25 Jahren, die Thomas Falk schon in der Werkstatt der Lebenshilfe Sennfeld arbeitet, hat er schon einiges erlebt. Die Arbeit dort gefällt ihm nach wie vor.
Julian Rohr
Julian Rohr
 |  aktualisiert: 04.10.2017 03:29 Uhr

Routiniert zieht Thomas Falk in der Werkstatt eine Gummidichtung nach der anderen über die Rohrverbindungsstücke aus Kunststoff. Seit 25 Jahren arbeitet er schon in der Werkstatt der Lebenshilfe in Sennfeld. Falk ist körperlich beeinträchtig: Sein linker Arm ist verkürzt, an seiner linken Hand hat er zwei Finger, an der rechten drei. In all den Jahren hat er schon sämtliche Werkstätten durchlaufen, etliche Werkstattleiter erlebt. „Ich bin gerne hier“, sagt er. Auch an diesem Nachmittag ist es wieder laut und umtriebig in der Werkstatt, doch davon lässt er sich nicht aus der Ruhe bringen. Auch nicht, als eine Gruppe von Männern in Anzügen einen Kreis um ihn bilden.

Austausch mit den Firmenvertretern

Es ist eine Delegation aus Vertretern der Industrie- und Handelskammer, Handwerkskammer, der Agentur für Arbeit und des Landratsamtes. Unter der Anleitung von Werkstattleiter Günter Scheuring werden sie durch das Areal der Lebenshilfe geführt. Ganz vorne mit dabei ist Landrat Florian Töpper. Seit einigen Jahren besucht er regelmäßig Unternehmen im Landkreis, um den Austausch mit den Firmenvertretern zu aktuellen Themen und Herausforderungen zu suchen – und die gibt es auch bei der Lebenshilfe Sennfeld.

Großer Diskussionspunkt beim Besuch des Landrats ist das neue Bundesteilhabegesetz. Nächstes Jahr tritt die zweite Stufe des Gesetzes in Kraft – damit soll der Markt für andere Arbeitgeber geöffnet werden.

Denn bisher lag das alleinige Recht, Menschen mit Behinderung zu beschäftigen, bei den offiziell anerkannten Werkstätten. Nun dürfen sie auch andere Leistungsanbieter bei sich beschäftigen. Für Menschen wie Thomas Falk heißt das ganz konkret: mehr Möglichkeiten bei der Wahl einer beruflichen Ausbildung und Beschäftigung; für die Lebenshilfe Sennfeld bedeutet es eine größere Konkurrenz am Markt.

Qualifizierungsmöglichkeiten schaffen

Den Neuerungen blickt Werkstattleiter Günter Scheuring allerdings mit Gelassenheit entgegen: „Nun gilt es Bildungsmaßnahmen für die Beschäftigten zu vertiefen und Qualifizierungsmöglichkeiten zu schaffen.“ Damit will er den Standort Sennfeld für Menschen mit Behinderung auch weiterhin attraktiv halten. Langfristiger Auftrag bleibe aber auch weiterhin, Menschen mit Behinderung für den allgemeinen „ersten“ Arbeitsmarkt auszubilden und soweit möglich zu integrieren.

Wie das konkret aussehen könnte, wird in der Holzfertigung und Schreinerei der Lebenshilfe deutlich – die zweite Station der Werkstattführung. Hier lernen die Beschäftigten den Umgang mit Werkstoffen und Maschinen kennen. „Wir stellen uns ständig die Frage: Wo steht der Mitarbeiter und wo müssen wir ihn abholen?“, sagt Andreas Roth, stellvertretender Werkstattleiter. Nur die wenigsten würden eine komplette Ausbildung schaffen.

Daher wolle man sie zukünftig in Teilbereichen ausbilden, als Unterstützung für Fachkräfte – Fachwerker nennt sich das dann. Der ist beispielsweise spezialisiert auf die Arbeit mit der Säge, Fräse oder dem Winkelschleifer. Mit einer speziellen Berufszertifizierung soll er in einzelnen Bereichen der Industrie dann Akzeptanz finden. In Nordrhein-Westfalen ist dieses Konzept bereits Realität.

In Unterfranken wäre es nur in der Kooperation mit der Handwerkskammer möglich, die die Zertifizierungen ausstellen würde. Ludwig Paul, designierter Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Unterfranken, bleibt jedoch kritisch. Er warnt davor. Die Zertifikate würden die Gefahr bergen, klassische Ausbildungsberufe zu entwerten. Unternehmen könnten dann je nach Auftragslage Fachwerker zeitweise einstellen und somit das bisherige System unterlaufen. „Niemand hat das Interesse, Berufsbilder aufzuweichen“, entgegnet allerdings Landrat Töpper. Wie es weitergeht, bleibt jedoch offen.

Für Thomas Falk jedenfalls spielt das keine Rolle. Er wird auch weiterhin gerne in der Werkstatt der Lebenshilfe Sennfeld arbeiten – so wie in den vergangenen 25 Jahren.

Stolz zeigen Anita (links) und Karin Landrat Florian Töpper das selbst gemalte Bild.
| Stolz zeigen Anita (links) und Karin Landrat Florian Töpper das selbst gemalte Bild.
 
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