Als Jugendlicher gehörte Andreas Pietschmann zu den Nachwuchs-Hoffnungen der Würzburger Kickers. Doch schließlich landete der Anglistik- und Romanistik-Student auf der Bühne. Heute gehört der gebürtige Würzburger zu den beliebtesten deutschen Theater- und Film-Schauspielern. Bekannt gemacht haben ihn Fernsehserien wie "GSG 9 - Ihr Einsatz ist ihr Leben", "Ku'damm 59", "Ku'damm 63" oder "Dark". Regelmäßig spielt er auch in Krimis – an diesem Sonntag (20.15 Uhr, ARD) im neuen Franken-"Tatort". Andreas Pietschmann lebt mit seiner Kollegin und Partnerin Jasmin Tabatabai und drei Kindern in Berlin. Im Interview spricht der 52-Jährige unter anderem von den Anfängen im Würzburger Theater Chambinzky, dem Reiz des Fränkischen und seinen Erfahrungen beim Homeschooling.
Andreas Pietschmann: Natürlich verfolge ich das. Ich sehe jedes Spiel. Und ich bin eigentlich Optimist vom Wesen her. Bis zuletzt habe ich gehofft, dass wir den Klassenerhalt doch noch schaffen können.
Pietschmann: Sehr lange. In der Jugend habe ich, glaube ich, bis 1988 gespielt. Anschließend dann habe ich in der ersten Mannschaft gekickt, bevor ich für ein Jahr ins Ausland ging. Nach der Rückkehr habe ich mich wieder an die Mannschaft herangekämpft. 30 Jahre ist das her. Aber ich sehe mich immer noch als Rothose. Ich schreie zuhause die Bude zusammen, wenn ein Tor fällt. Und ich leide, wenn es schwierig ist, wie jetzt.
Pietschmann: Ja, wir sind immer noch freundschaftlich verbunden. Wir waren in der Jugend gute Kumpels und sind immer gemeinsam auf seiner 80er zum Training gefahren. Und auch in der Ersten haben wir zusammengespielt. Im Laufe seiner Profijahre haben wir uns immer wieder mal getroffen, sei es in Hamburg oder auf Schalke, als er dort mit Felix Magath Trainer war.
Pietschmann: Ich hatte sicher einfach nicht genug Willen und Biss, mich so zu quälen, wie es notwendig gewesen wäre, um Profi zu werden. Da war der Bernd viel zielstrebiger und ausdauernder als ich. Mal ganz abgesehen von seiner Begabung und seiner Athletik.
Pietschmann: Das Teamplay. Theater funktioniert wie Fußball nur in der Mannschaft. Man kann den "Hamlet" nicht alleine spielen, da braucht es die Mitspieler. Aber auch die ganzen anderen Gewerke am Theater oder beim Film gehören dazu. Man erschafft gemeinsam etwas. Genauso ist es beim Fußball. Kein noch so überragender Spieler kann ein Spiel alleine gewinnen.
Pietschmann: Das ist zu verkürzt dargestellt. Ich hatte einen Unfall, der glücklicherweise glimpflich ausgegangen ist. Ich war dann noch am gleichen Abend in Würzburg im Theater. Im Gefühl, eine zweite Chance geschenkt bekommen zu haben, ist dort die Lunte ins Brennen gekommen, ist die Begeisterung fürs Schauspiel erwacht.
Pietschmann: Ich habe im Chambinzky die "Feuerzangenbowle" gesehen.
Pietschmann: Ich kannte die Leute im Chambinzky, habe dort auch gekellnert. Als es hieß, einer der Schauspieler muss aufhören, habe ich gefragt, ob ich die Rolle in der "Feuerzangenbowle" übernehmen kann. Nach einem Gespräch und ein paar Bieren hat der Regisseur Reinhard Mahlberg dann gesagt: Okay, wir versuchen es. Das war der Beginn. Später hat er mir bei der Aufnahmeprüfung für die Schauspielschule geholfen.
Pietschmann: Ja, ich war im Chambinzky bei mehreren Produktionen dabei. Im Kinderstück "Momo" zum Beispiel war ich Gigi, der Fremdenführer. Es hat wahnsinnig Spaß gemacht. Ich denke gerne an die Zeit zurück. Dem Chambinzky um Rainer Binz bin ich heute noch sehr dankbar.
Pietschmann: Ich habe noch in Würzburg die Grundschule Bechtolsheimer Hof besucht. Weil die Familie größer wurde, sind wir dann nach Estenfeld rausgezogen. Ich bin aber später weiter in der Stadt zur Schule, ins Wirsberg-Gymnasium, gegangen. Ein großer Teil der Familie, meine Eltern und drei meiner fünf Geschwister leben mit ihren Familien weiter in der Region und ich versuche, sie so oft wie möglich zu sehen.
Pietschmann: Ich weiß es nicht. Ich glaube, die "Tatort"-Macher haben mir die Rolle unabhängig davon angeboten. Ich fand Drehbuch, Rolle und Regisseur interessant und, weil die Dreharbeiten darüber hinaus nahe der alten Heimat stattfinden sollten, habe ich zugesagt. Dann habe ich angeboten, die Figur auf Fränkisch zu spielen. Das hat ihr noch eine andere Farbe gegeben, das war für mich ein zusätzlicher Reiz.
Pietschmann: Fränkisch habe ich seit der Kindheit im Ohr, auch wenn wir in der Familie keinen starken Dialekt gesprochen haben. Dieses Idiom ist in mir drin, das habe ich so viel gehört in den fränkischen Fußball-Kabinen, in vielen Kneipen...
Pietschmann: Den "Tatort" komplett mit Franken zu besetzen, hielte ich nicht für sinnvoll. Aber das Fränkische ab und zu als Farbe einzusetzen, sorgt für Authentizität, das tut dem "Tatort" gut. Dabei ist es nicht so wichtig, ob es Ober-, Mittel- oder Unterfränkisch ist, ob hier noch der Maa oder schon der Mee fließt. Aber auch in Würzburg oder Bamberg oder Nürnberg leben Menschen aus anderen Regionen und es sprechen nicht alle Fränkisch.
Pietschmann: Schön. Das war vertrautes Terrain für mich, obwohl ich in meiner Jugend gar nicht so oft dort war. In Würzburg ist man in einer verdammt schönen Stadt, aber man spürt auch, dass sie zerstört wurde und vor dem Zweiten Weltkrieg noch schöner war. In Bamberg ist das anders, dort geht man wie durch ein Museum spazieren. Es ist einfach wunderschön.
Pietschmann: Es ist schön, wenn die Leute so aufgeschlossen sind. Das war auch schon so, als wir vor fünf Jahren in Würzburg "Lommbock" gedreht haben, so richtig in der Heimat, an meinem geliebten Marktplatz - auch wenn dort ärgerlicherweise mittlerweile der Blick auf die Festung verbaut ist. Die Passanten haben sich gefreut, ein Filmteam zu erleben. Und mich hat es erinnert an Jugendzeiten, als wir im Café um die Ecke, wie heißt das gleich nochmal, nicht Sternbäck, nicht Brückenbäck…
Pietschmann: Genau. Dort haben meine Kumpels und ich nach durchfeierter Nacht frische Hörnchen gekauft und versucht, uns wieder zurechtzurücken.
Pietschmann: Wir mussten den Dreh wegen des ersten Lockdowns im März unterbrechen und konnten dann lange nicht weitermachen, weil dieser "Tatort" viel draußen im Wald spielt. Im März waren noch keine Blätter an den Bäumen, also mussten wir mit der Fortsetzung bis Ende November warten. So lange Pausen innerhalb eines Projekts sind für uns Schauspieler normalerweise nicht so angenehm. Aber Andreas Kleinert, der Regisseur, hat uns sehr feinfühlig und sehr präzise alle wieder an die Punkte geführt, an denen wir unterbrochen hatten.
Pietschmann: Jein. Als Schauspieler muss man sich ja auch in Welten hineindenken können, die das eigene Privatleben nicht bereithält. Generell gehört es auch zum Handwerk eines Schauspielers, genau trennen zu können zwischen dem privaten Leben und der Rolle, die man spielt. Ich finde das auch wichtig. Aber als Vater von drei Kindern fällt einem der Zugang zu einer solchen Figur und zu den Emotionen, die das Verschwinden eines Kindes auslöst, vielleicht etwas leichter als jemandem, der keine Kinder hat.
Pietschmann: Ja, er ist sehr aufbrausend, er hat eine große Wut in sich, wirkt wie ein großes Kind. Aber dieser Vater hat auch eine weiche, eine verletzliche Seite. Diese zu entdecken, war ein Antrieb für mich. Da ist ein interessanter Zwiespalt in diesem Mann. Man muss nicht immer den Sympathieträger spielen. Auch unangenehme Charaktere gehören zum Leben. Hauptsache, die Figur bietet interessante Facetten und Emotionen.
Pietschmann: Ob ich wirklich helfen konnte, müssen Sie meine Kinder fragen. Aber es war natürlich leichter für unsere Familie, dass meine Frau und ich wegen Corona monatelange Arbeitspausen einlegen mussten. Für andere Eltern, die ihren Beruf im Homeoffice weitermachen und parallel die Kinder betreuen und unterrichten mussten, war es viel schwieriger. Da will ich mich nicht beklagen. Auch wenn das Homeschooling schon eine ungewohnte Rolle war und ist.
Pietschmann: Ich habe nicht alle Videos gesehen, deshalb kann ich kein Urteil fällen, das allen gerecht wird. Grundsätzlich aber teile ich die Kritik nicht, die da an den Schutzmaßnahmen der Politik gegen das Coronavirus einerseits und an der Auseinandersetzung damit durch die Medien andererseits geäußert wurde. Auch die Mittel und den Stil der Aktion finde ich nicht richtig. Dass die Kollegen den Applaus von der falschen Seite, den es gab, nicht haben wollten, glaube ich ihnen. Aber ich hätte mir doch etwas mehr Reflexion und Feingefühl gewünscht angesichts einer Krise, die allen große Anstrengung abverlangt, um Menschen zu schützen, in der so viele Menschen gestorben sind und in der sich seit über einem Jahr viele mit aller Kraft dafür einsetzen, andere zu retten. Aber es bringt auch nichts, weiter aufeinander herumzuhacken. Wir kommen aus dieser Krise nur gemeinsam heraus.