Von außen wirkt das Haus alt und unscheinbar. Gelber Putz blättert von der Wand, die Ziegel auf dem Dach sind verwittert. Nur eine kleine Tafel neben der Eingangstür weist darauf hin, dass es sich nicht um irgendein Haus handelt. Denn hinter der unauffälligen Fassade versteckt sich ein Vermächtnis der Auber Jüdinnen und Juden: eine ehemalige Synagoge.
Seit gut einem Jahr treffen sich Ehrenamtliche regelmäßig, um das historische Gebäude zu untersuchen, Überbleibsel aus der Vergangenheit zu bergen und nach und nach zu erforschen, welche Hinweise die Synagoge auf die Geschichte jüdischen Lebens geben kann. "Es ist wie ein riesiges 3D-Puzzle", sagt Archäologe Markus Schußmann. Beruflich ist er Privatdozent an der Universität Bamberg, in seiner Freizeit gräbt er aktuell in der Auber Synagoge.
Der Fund einer gut erhaltenen Mikwe gilt als Highlight
Das Highlight in dem historischen Gebäude, das sich seit 2016 im Besitz der Stadt befindet, ist der Fund einer Mikwe – einem rituellen Tauchbad, sagt Schußmann. Diese liegt im hinteren Teil des Gebäudes und war zu Beginn der Arbeiten zum Großteil verschüttet. "Sie ist eine von den ganz wenigen komplett erhaltenen Mikwen", sagt der Archäologe. Dem Bautypus und der Siedlungsgeschichte nach stamme sie wahrscheinlich aus dem Mittelalter – und sei älter als das Gebäude, in dem sie sich heute befindet.
Wie alt sie genau ist, sei noch unklar. Doch nicht nur mit Blick auf die jüdische Geschichte sei das eine spannende Frage, sagt Schußmann. Denn sollten sich schon im 13. Jahrhundert Juden in Aub angesiedelt haben, sei dies durchaus außergewöhnlich und spreche für die Bedeutung des Ortes, der damals noch gar kein Stadtrecht besessen habe. "Wir hoffen, dass wir das genaue Alter durch Untersuchungen in der Baugrube klären können", sagt der Wissenschaftler.
Schmale Stufen führen hinab in die gut acht Meter tiefe Grube. Gemeinsam mit Georg Pfeuffer arbeitet Schußmann aktuell jeden Samstag in der Tiefe. Mal geht es darum, groben Bruchstein zu entfernen, mal darum, vorsichtig interessante Funde zu bergen. "Wir haben die Mikwe mittlerweile bis zum Tauchbecken freigelegt und sind gerade dabei, die Mauerfugen auszukratzen", sagt er. Dann solle ein digitales Modell erstellt werden – einerseits zur Dokumentation der Grabungen, andererseits, um Interessierten eine virtuelle Begegnung möglich zu machen.
Das Ritualbad war früher mit Wasser gefüllt, sei jedoch schon nicht mehr in Benutzung gewesen, bevor die Synagoge in der Zeit des Nationalsozialismus geschändet wurde, betont Schußmann. Grund dafür war vermutlich, dass Anfang des 19. Jahrhunderts solche Mikwen vom bayerischen Staat aus hygienischen Gründen verboten wurden.
Stattdessen wurden die Grube offenbar zeitweise genutzt, um Bauschutt und verschiedene Gegenstände dort zu entsorgen, später dann als Kohlenkeller. Von Holzstücken und Steinen eines früheren Lesepults über Kinderschuhe bis hin zu Elektroschrott hätten sie dort ganz verschiedene Dinge freigelegt, die heute Rückschlüsse auf die Vergangenheit ermöglichen.
Viele Details geben Aufschluss über Vergangenheit des Gebäudes
Doch die Mikwe ist nicht der einzige Fund, der das Gebäude zu etwas Besonderem macht. Denn vom Erdgeschoss bis zum Dachboden der alten Synagoge gibt es aus kulturgeschichtlicher Sicht viel zu entdecken. "Klar, es sieht erstmal katastrophal aus", sagt Schußmann mit einer Handbewegung durch den Flur. "Aber es ist im Grunde von der alten Substanz noch vieles erhalten", sagt er. Denn der Vorbesitzer, der das Gebäude jahrelang als Wohnhaus benutzte, habe kaum etwas abgerissen, sondern lediglich provisorisch neue Böden und Wände hinzugefügt.
Im Flur etwa habe er ein zeremonielles Handwaschbecken lediglich hinter einer Gipsplatte versteckt. Auch alte Malereien an den Wänden seien teils unter den Tapeten wieder zutage getreten. "Das ist schon ein Glücksfall", sagt der Archäologe.
Wie alt das Gebäude in der Neuertgasse tatsächlich ist, weiß Schußmann noch nicht. Zur Synagoge umgewidmet wurde es im 18. Jahrhundert, nachdem die Juden aus der alten Synagoge an der Hauptstraße vertrieben wurden. Damals haben etwa 20 jüdische Familien in der Stadt gewohnt. Sogar den Fußboden aus Sandstein-Platten hätten die Juden bei dem Umzug offenbar mitgenommen. "Wenn man genau hinschaut, merkt man: Der passt überhaupt nicht hierein", erklärt der Wissenschaftler. Die Ränder seien mit Ziegeln an die Form des Raumes angepasst worden.
Synagoge soll später der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden
Details wie dieses zeichnen nach und nach ein Bild von der Synagoge und ihrer Geschichte. Die wollen die Ehrenamtlichen nicht nur weiter erforschen, sondern auch der Öffentlichkeit zugänglich machen. Schon jetzt hätten einige ausgewählte kulturelle Veranstaltungen in dem besonderen Ambiente des historischen Gebäudes stattgefunden.
Langfristig solle die ehemalige Synagoge dann im Rahmen von Führungen Interessierten das Judentum in Aub näher bringen, sagt Schußmann. Dafür müsse man das Gebäude allerdings erst herrichten. "Wenn wir zeigen können, dass wir hier ein besonderes Ensemble haben, ist es leichter dafür Fördergelder zu bekommen", hofft er.
Abgeschlossen sind die Arbeiten auf dem Gelände allerdings noch lange nicht. Denn viele Fragen sind immer noch offen. An einigen Stelle könne womöglich ein Bauforscher weiterhelfen, sagt Markus Schußmann. "Auf alles werden wir aber leider keine Antworten bekommen."