
Auf dem neun Meter langen und sehr schmalen Boot springt plötzlich ein Fisch aus einer der drei Wannen. Genauer gesagt ein handflächengroßer Karpfen, der auf dem Boden des Bootes landet und zappelt. Schnell kommt der Obermeister der Würzburger Fischerzunft, Andreas Gugel, über das wacklige Boot angelaufen und setzt ihn vorsichtig ins Wasser. An diesem schönen Oktobertag sitzt Gugel zusammen mit seinem Sohn Renato und drei weißen Wannen, zwei davon mit Hechten und einer mit Wildkarpfen gefüllt, in dem kleinen Schelch. Sie fahren über den Main von der Löwenbrücke bis hinter die Konrad-Adenauer-Brücke und in die Nebenarme, die sonst nur neugierige Stand-up-Paddler zu sehen bekommen. Hier, wo die Fische sich besonders wohlfühlen und sich vom Stress der Schifffahrt erholen können, werden heute neue Fische aus der Zucht ausgesetzt.
70 Wildkarpfen und 400 Hechte landen im Main
Zusammen mit Kollegen der Würzburger Fischerzunft entlassen sie die Tiere in den Main. Besatz nennt man das. Insgesamt lassen sie fast 70 Wildkarpfen und 400 Hechte in die Freiheit. Denn ohne den Besatz würden innerhalb von einigen Jahren viele Fische aus dem Main verschwinden. Die Gründe dafür sind vielfältig. "Es gibt natürliche Prädatoren, wie Vögel oder Raubfische. Aber auch die Schifffahrt mit Sog und Wellenschlag oder die Schleusen sind schlecht für die Tiere. Der Laich kann abgetrieben oder trocken gelegt werden, wenn Schiffe vorbeifahren. Das stört die Reproduktion der Fische", erklärt Gugel, während er mit zwei Händen einen zappelnden Karpfen in den Main setzt.

Gugel schaut dem Fisch hinterher und sieht zufrieden aus. "Der Karpfen findet sich schnell zurecht", versichert er. Schon ist der 30 Zentimeter große Fisch verschwunden. "Den Besatz machen wir schon seit ich ein Kind bin, also schon seit mehr als 50 Jahren", merkt Gugel an, und in diesem Zeitraum sei der Main um einiges sauberer geworden. Auch heute kann man in den Nebenarmen den Grund gut erkennen.
Eine Million Euro pro Jahr in Unterfranken
Jedoch sei das nur zum Teil gut für die Bewohner des Flusses. "Dadurch kommt viel Licht an den Boden, wo die Algen wachsen." Wenn die Algen absterben, verbrauchen sie Sauerstoff. Das kann zu einem Problem für die Fische werden. Gerade hohen sommerlichen Wassertemperaturen. Den Boden könne man aber auch deshalb so gut sehen, weil die Altwasser zunehmend verlanden. Dadurch können die Fische immer weniger geeignete Laichplätze finden, um Nachkommen zu bekommen.
Der Besatz kostet die Würzburger Fischerzunft pro Jahr 40.000 Euro, der sich durch die Vergabe der Angelrechte und auch aus dem Turbinenschadenausgleich der Kraftwerksbetreiber an den Schleusen finanziert. Im gesamten Unterfranken belaufen sich die Kosten für den jährlichen Besatz nach Angaben von Gugel auf rund eine Million Euro. Jedoch meint er, dass weniger in den Besatz als vielmehr in die Struktur des Mains investiert werden sollte. "Laichplätze, Schonbereiche und auch Plätze, in denen die Fische zur Ruhe kommen, sollten stärker ausgebaut werden." Das würde die natürliche Vermehrung stärken.

Ende des Besatz? - "Das ist nicht möglich"
Zwischen sechs- und achtmal pro Jahr fahren die Mitglieder der Fischerzunft zwischen Sommerhausen und Veitsöchheim auf den Main und stocken den Bestand der Fische im Fluss auf. In enger Abstimmung mit dem Fischereiverband Unterfranken wählen sie aus, welche und wie viele Fische ausgesetzt werden. So entsteht kein Ungleichgewicht im Ökosystem. Die Tiere kommen aus einer Fischzucht aus der Region: heute von der Fischzucht Gerstner aus Volkach.
Mittlerweile sind alle Fische aus den Wannen im Main und das Vater-Sohn-Gespann macht sich mit dem Schelch auf den Rückweg. Wann braucht es denn keinen Besatz mehr? Andreas Gugel schaut ernst: "Es wäre naiv zu sagen, es sei möglich, ganz auf den Besatz zu verzichten. Letztlich müsste sich die Gewässerstruktur so stark verändern, dass keine Schifffahrt mehr möglich ist und damit undenkbar." Trotzdem findet er das nicht schlimm. Denn: "Das Problem ist nicht der Besatz, sondern das Bewusstsein. Wenn man draußen im und am Main unterwegs ist, sollte man ab und zu an die Fische denken und auch mal seinen Müll mitnehmen", mahnt Gugel.
