
Seit Monaten sorgen Vorgänge um die Entlassung zweier leitender Mediziner der Uniklinik Würzburg für Schlagzeilen. Vor dem Arbeitsgericht wird der betroffenen Ärztin Kompetenzüberschreitung vorgeworfen, ihr Vorgesetzter soll die falsche Ausstellung eines Totenscheins veranlasst haben. Die Mediziner wehren sich gegen die Kündigungen und weisen alle Vorwürfe zurück.
Nur: Wer stellt eigentlich einen Totenschein aus? Wie funktioniert eine Leichenschau? Und wann wird eine Operation im Nachhinein polizeilich untersucht? Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Muss jeder Tote von einem Arzt begutachtet werden?
Ja. In Deutschland muss bei jedem Todesfall eine Leichenschau durch einen Arzt durchgeführt und darüber eine ärztliche Bescheinigung (Totenschein) ausgestellt werden. So geben es die Bestattungsgesetze und Bestattungsverordnungen der Länder vor. Die Pflicht zur Leichenschau gilt, egal ob ein Mensch im Straßenverkehr, zuhause auf dem Sofa, durch ein Verbrechen oder im Krankenhaus stirbt.
Wie funktioniert eine Leichenschau?
Aufgabe des Arztes sei es zuallererst, den Tod festzustellen, erklärt Prof. Michael Bohnert, Vorstand des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Würzburg. Zudem müsse der Arzt die Identität des Toten feststellen, woran er gestorben ist (Todesursache) und unter welchen Umständen (Todesart).
Durchgeführt werden könne die Leichenschau grundsätzlich von jedem Arzt, selbst von Ärzten, die sonst nichts mit Leichen zu tun hätten, wie etwa Augenärzten, sagt Bohnert. Bei einem Todesfall im Krankenhaus würden üblicherweise die behandelnden Mediziner auch die Leichenschau durchführen. In Fällen, in denen ein ärztlicher Kunstfehler im Raum stehe, "wird aber empfohlen, dass andere als die behandelnden Ärzte die Leichenschau" vornehmen. "Das dient prophylaktisch gegen den Vorwurf, man wolle etwas vertuschen", so Bohnert.
Wo liegt für Ärzte bei der Leichenschau die Schwierigkeit?
Die Leichenschau sei "nur ein äußeres Draufschauen auf den Leichnam", sagt der Würzburger Experte Bohnert. Das sei selbst für erfahrene Mediziner und auch wenn man sehr sorgfältig vorgehe, mit vielen Unsicherheiten behaftet. Denn als Arzt könne man den Toten zwar von Kopf bis Fuß untersuchen – andere Möglichkeiten der Diagnostik fehlten jedoch.
Bohnert erklärt die Problematik an einem Beispiel: Wenn man sich als Arzt vorstelle, ein Patient sitze wortlos im Untersuchungszimmer, man dürfe kein Blut abnehmen, keinen Ultraschall oder kein CT machen – und solle trotzdem nach einer Stunde die richtige Diagnose stellen. "Das ist praktisch unmöglich", sagt Bohnert. Nicht immer sei es deshalb einfach, anhand der Leichenschau die Todesursache und Todesart zweifelsfrei zu erkennen.
Leichter sei es, wenn man als Arzt den Patienten vorher behandelt habe, seine Erkrankungen und deren Verlauf kenne. Generell ließe sich bei der Leichenschau häufig "die eine oder andere Variante" der Todesart begründen.
Was versteht man unter Todesursache und unter Todesart?
"Die Todesursache ist der medizinische Grund für das Sterben", sagt Rechtsmediziner Bohnert. Die Todesart meint hingegen die Umstände des Todes, also ob man an den Folgen einer Erkrankung oder an den Folgen einer Gewalteinwirkung stirbt. Dabei wird zwischen den Kategorien natürlich, nichtnatürlich und ungeklärt unterschieden.
Was ist eine natürliche Todesart und was bedeutet nichtnatürlicher Tod?
Ein natürlicher Tod ist der Tod infolge einer Erkrankung, "ohne dass ein äußeres Ereignis eingewirkt hat", sagt Prof. Michael Bohnert. Wichtig ist dabei nach den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin, dass der Tod aus dem Krankheitsverlauf zu erwarten gewesen sein muss: Es dürfe keine Hinweise für ein nichtnatürliches Ereignis geben.

Ein nichtnatürlicher Tod ist laut Leitlinien hingegen die Folge eines von außen einwirkenden Ereignisses – egal ob durch fremdes oder eigenes Verschulden. Dazu gehören etwa "Selbsttötungen, Unfalltodesfälle, Tötungen durch fremde Hand, Todesfälle infolge ärztlicher Eingriffe".
Bei der Bestimmung der Todesart müsse der Arzt "lernen, in sogenannten Kausalketten zu denken", erklärt Bohnert. Diese könnten sich unter Umständen über sehr lange Zeiträume hinziehen. Dazu nennt der Würzburger Rechtsmediziner ein Beispiel: Wenn ein Mensch stolpert, die Treppe hinunterstürzt und sich ein Schädelhirntrauma zuzieht, deswegen ins Koma fällt und nach zehn Jahren im Koma an einer Lungenentzündung stirbt – dann stand am Anfang der Kausalkette der selbstverschuldete Treppensturz und am Ende die Lungenentzündung. Schuld habe niemand außer dem Gestürzten selbst "und es ist trotzdem ein gewaltsamer, ein nichtnatürlicher Tod", so Bohnert.
Wann wird im Totenschein eine ungeklärte Todesart eingetragen?
Es komme vor, sagt der Rechtsmediziner Bohnert, dass ein Arzt selbst bei sorgfältiger Durchführung der äußeren Leichenschau nicht entscheiden könne, ob es sich um eine natürliche oder nichtnatürliche Todesart handele. Solche Fälle würden dann als "ungeklärt" bezeichnet.
In welchem Fall muss ein Arzt nach der Leichenschau die Polizei benachrichtigen?
Trägt ein Arzt eine ungeklärte Todesart in den Totenschein ein, dann "zieht es polizeiliche Ermittlungen nach sich", sagt Prof. Michael Bohnert. Auch wenn der Arzt eine nichtnatürliche Todesart feststelle oder die Identität eines Toten nicht klar sei, müsse er die Polizei verständigen.
Die Staatsanwaltschaft prüfe dann, ob eine Obduktion zur Klärung von Todesart und Todesursache nötig sei oder nicht. Wird eine Obduktion angeordnet, hätten die Angehörigen das Recht, gehört zu werden – "aber sie haben kein Widerspruchsrecht".
Umgekehrt kann laut Bohnert eine Obduktion auch im Auftrag von Angehörigen vorgenommen werden, die Kosten solcher "Privat-Sektionen" müssten diese jedoch selbst tragen.
Wie häufig findet eine Obduktion statt?
In der Rechtsmedizin Würzburg werden nach Angaben des Institutsleiters Bohnert rund 350 Obduktionen pro Jahr durchgeführt. Darunter seien Fälle aus ganz Unterfranken.
Wie sicher kann der Arzt die Todesart feststellen, wenn ein Mensch im Krankenhaus stirbt?
Sterben Menschen in engem zeitlichem Zusammenhang mit einem Eingriff im Krankenhaus, kann es schwierig sein, die Todesart festzustellen. "Wenn der Tod unerwartet und plötzlich eintritt, dann sollte man die Todesart als ungeklärt bezeichnen und die Polizei verständigen", sagt Bohnert. Dann bestehe ein gewisses Aufklärungsinteresse der Öffentlichkeit und der Angehörigen.
Andererseits gilt: Wenn ein Eingriff nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführt, der Patient über die Risiken aufgeklärt wurde und mit dem Eingriff einverstanden war und dann ein solches Risiko eintritt und der Patient stirbt – dann wäre das laut Bohnert trotzdem ein natürlicher Tod.