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Würzburg
Kündigungen, Hausverbot und Ermittlungen zu OPs: Vorgänge um zwei Mediziner erschüttern die Uniklinik Würzburg
Das Uniklinikum hat zwei leitende Ärzte fristlos entlassen, sie wehren sich vor Gericht. Gleichzeitig ermittelt die Staatsanwaltschaft zu einer Reihe von weiteren Operationen.
Im Zuge von Ermittlungen wurden an der Würzburger Uniklinik auch Patientenakten beschlagnahmt, die beiden gekündigten Mediziner beteuern ihre Unschuld (Symbolbild).
Foto: Getty Images, Wolfgang Kumm/ Collage: Daniel Biscan | Im Zuge von Ermittlungen wurden an der Würzburger Uniklinik auch Patientenakten beschlagnahmt, die beiden gekündigten Mediziner beteuern ihre Unschuld (Symbolbild).
Andreas Jungbauer
,  Benjamin Stahl
,  Manfred Schweidler
 und  Susanne Schmitt
 |  aktualisiert: 26.11.2024 02:41 Uhr

Es ist ein Vorgang, der am Würzburger Universitätsklinikum ohne Beispiel ist und nicht nur deshalb in der Belegschaft hohe Wellen schlägt. Kam eine Patientin durch Fehler bei einer Operation zu Tode? Sollte die Sache vertuscht werden? Und gibt es möglicherweise weitere Fälle?

Die Vorwürfe gegen zwei Mediziner, beide in leitenden Funktionen, sind so gravierend wie die Reaktion des Klinikvorstands: Er hat beiden im Februar fristlos gekündigt sowie ein Hausverbot verhängt. Vorausgegangen sei, versichern Rechtsvertreter der Klinik vor dem Arbeitsgericht, eine intensive Prüfung der Vorgänge. Ein halbes Dutzend Insider aus dem betroffenen klinischen Bereich bestätigen dies der Redaktion.

Patientin starb bei einer Operation im August 2023

Der Streit zwischen Klinik und beiden Ärzten wird aktuell vor zwei Richtern des Würzburger Arbeitsgerichts geführt. Die Mediziner haben jeweils eine Kündigungsschutzklage eingereicht. In den beiden Verfahren geht es konkret um eine Operation im August 2023, bei der eine Patientin aus dem Raum Bad Mergentheim starb.

Die Gütetermine zu den Verfahren haben stattgefunden, brachten jedoch keine Annäherung. Die beiden Ärzte wiesen die Vorwürfe vor Gericht und im Gespräch mit der Redaktion zurück. "Wir haben uns nichts zu Schulden kommen lassen", sagte einer der entlassenen Mediziner dieser Redaktion, und: "Die Wahrheit wird ans Tageslicht kommen." Solange nichts Gegenteiliges bewiesen ist, gilt für beide die Unschuldsvermutung. Nun haben vermutlich erst einmal Gutachter das Wort.

Vor dem Arbeitsgericht ist auf der einen Seite von mutmaßlich folgenschweren Fehlern die Rede, auf der anderen von einem massiven Reputationsschaden, der den leitenden Medizinern durch das Verhalten der Uniklinik bereits entstanden sei. Trotz aller Verwerfungen verlangen beide Gekündigten ihre Wiedereinstellung.

Uniklinik hatte nach Hinweis interne Untersuchungen eingeleitet

Die Klinikleitung selbst gab sich in den Güteterminen vor dem Arbeitsgericht und auf Anfrage der Redaktion denkbar schmallippig. Ein Sprecher verweist auf die laufenden arbeitsgerichtlichen Verfahren und den Datenschutz. Nähere Auskünfte könne man nicht geben.

Dabei war es die Klinik selbst, die im Dezember eigene Untersuchungen nach dem so genannten "London Protokoll" in Gang gesetzt hat. Mit diesem Verfahren werden kritische Zwischenfälle in klinischen Bereichen auf korrekte Arbeitsweise überprüft. Dabei wurde eine Vielzahl von Mitarbeitenden zu den Operationen befragt.

Auslöser für diese Untersuchung sei ein "Hinweis an den Vorstand" gewesen, heißt es in einer Intranet-Mitteilung des Klinikums für die Beschäftigten. Sie liegt der Redaktion vor und wurde am Tag der zweiten Entlassung Ende Februar versandt. Im Ergebnis hatten die internen Befragungen zu den Kündigungen geführt.

Deren arbeitsrechtliche Grundlage ist einzig die Operation vom August 2023. In zwei öffentlichen Sitzungen vor dem Arbeitsgericht wurde der Vorgang thematisiert. Bei der Operation, so der Vorwurf, soll die verantwortliche ärztliche Kraft ihren Kompetenzbereich überschritten und einen folgenschweren Fehler begangen haben – was deren Anwalt bestreitet.

Sollten mögliche OP-Fehler vertuscht werden?

In der Auseinandersetzung geht es nicht nur um die OP als solche, sondern ebenso um deren Dokumentation. Es stehe die Frage im Raum, wieweit der zweite beteiligte Mediziner mitverantwortlich für den mutmaßlichen OP-Fehler ist und ob dieser durch einen irreführenden Eintrag im Totenschein vertuscht werden sollte. Beide entlassenen Ärzte bestreiten das energisch.

Das Arbeitsgericht hat nun zwei Termine zur ausführlichen Erörterung angesetzt. Bis dahin muss das Uniklinikum, so die Aufforderung der Richterin beim zweiten Gütetermin, Beweise für das angebliche Fehlverhalten der Mediziner liefern und gegebenenfalls konkrete Zeugen benennen.

Der Haupteingang zu den Zentren für Operative und Innere Medizin der Uniklinik Würzburg. Die Staatsanwaltschaft Würzburg ermittelt zur einer Reihe von OPs gegen zwei entlassene Ärzte.
Foto: Ulises Ruiz | Der Haupteingang zu den Zentren für Operative und Innere Medizin der Uniklinik Würzburg. Die Staatsanwaltschaft Würzburg ermittelt zur einer Reihe von OPs gegen zwei entlassene Ärzte.

Unterdessen ist es nicht bei der arbeitsrechtlichen Auseinandersetzung um die OP im vergangenen August geblieben: Wie die Staatsanwaltschaft Würzburg dieser Redaktion bestätigte, wird eine Reihe weiterer OPs untersucht. Hierzu hat die Staatsanwaltschaft Ermittlungen aufgenommen, Mitte März wurden Unterlagen beschlagnahmt, darunter Patientenakten.

Gegenstand der Ermittlungen ist – wie die Redaktion auf ausdrückliche Nachfrage erfahren hat – auch die OP vom August 2023. Die Staatsanwaltschaft habe die Kripo mit der Beschlagnahmung weiterer Unterlagen beauftragt. Auslöser der – über die Kündigung hinausgehenden – strafrechtlichen Ermittlungen war ein anonymes Hinweisschreiben vom Januar, wie das Polizeipräsidium Unterfranken auf Anfrage bestätigt.

Staatsanwaltschaft ermittelt zu einer Liste mit angeblich fehlerhaften OPs

Nach Recherchen dieser Redaktion soll es sich dabei um eine Liste mit möglicherweise fehlerhaften OPs handeln, an der die beiden Mediziner in unterschiedlicher Weise beteiligt gewesen sein sollen. Im Raum steht laut Staatsanwaltschaft der Verdacht auf fahrlässige Tötung, fahrlässige Körperverletzung und gefährliche Körperverletzung.

Insgesamt gehe man von einer Verfahrenszahl im "untersten zweistelligen Bereich" aus, heißt es von der Staatsanwaltschaft. Mutmaßlich Betroffene und Angehörige würden von der Kriminalpolizei noch kontaktiert. Wie ein Polizeisprecher erklärte, gehe es dabei um Operationen im Zeitraum von Dezember 2022 bis Dezember 2023. Mutmaßliche OP-Fehler wurden der Redaktion von mehreren Insidern bestätigt.

Zu den Ermittlungen gegen die Mediziner heißt es von der Staatsanwaltschaft Würzburg: "Derzeit besteht ein Anfangsverdacht gegen die Beschuldigten." Ob und inwieweit sich dieser erhärte, sei völlig offen.

An der Uniklinik mit ihren gut 7000 Beschäftigten haben die Vorgänge um die beiden Kündigungen jedenfalls für erhebliche Unruhe gesorgt und viele Fragen aufgeworfen. Antworten könnte es vor Gericht geben – von einer schnellen Klärung ist bei medizinrechtlichen Auseinandersetzungen allerdings nicht auszugehen.

Verdachtsberichterstattung: Warum wir keine Namen nennen

Berichterstattung ist im Hinblick auf das öffentliche Interesse auch dann erlaubt, wenn gegen Personen bislang nur Vorwürfe im Raum stehen, die noch nicht erwiesen sind. Bis dahin gilt die Unschuldsvermutung. So wie in diesem Fall. Unter den Voraussetzungen der Verdachtsberichterstattung wägt die Presse sehr sorgfältig ab, ob es geboten ist, die Betroffenen erkennbar zu machen. Denn der Verdacht kann sich am Ende erhärten – oder eben auch nicht. Wir haben deshalb darauf verzichtet, den medizinischen Fachbereich oder andere identifizierende Merkmale der beiden betroffenen Personen zu nennen.
Quelle: csc
 
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