
Im juristischen Streit um die Entlassung zweier leitender Mediziner an der Würzburger Uniklinik ist noch kein Ende in Sicht. Wie berichtet, war eine Ärztin mit ihrer Klage gegen die Kündigung zuletzt vor dem Würzburger Arbeitsgericht gescheitert – ihr Anwalt kündigte Berufung an. Nun ging es in einer weiteren Verhandlung um ihren Vorgesetzten.
Dem leitenden Arzt war im Februar ebenfalls gekündigt worden, auch er klagte auf Wiedereinstellung. Mit Rücksicht auf Persönlichkeitsrechte und Datenschutz können genauere Informationen zu den entlassenen Ärzten hier ebenso wenig veröffentlicht werden wie zu der betroffenen Abteilung am Uniklinikum.
Beide Kündigungen in Zusammenhang mit einer tödlich verlaufenen OP
Die Entlassung des Mediziners steht wie bei der Ärztin in Zusammenhang mit einer Operation im August 2023, an der beide beteiligt waren. Die Patientin starb. Der Mediziner soll dabei ebenfalls gravierendes Fehlverhalten gezeigt haben. Einer der Vorwürfe laut Arbeitsgericht: Auf seine Veranlassung hin sei nach Zeugenaussagen der Totenschein für die verstorbene Patientin mit "natürlicher Todesursache" ausgefüllt worden.
Damit habe er gegen eine Anweisung verstoßen, die er selbst erlassen hatte. Sie war nach Informationen dieser Redaktion sichtbar in einem Arztzimmer platziert. Danach muss bei jedem Versterben eines Patienten während der Operation oder noch am OP-Tag der Totenschein mit "ungeklärter Todesursache" ausgestellt werden. Details zu dem Vorgang führte der Vorsitzende Richter nicht aus, der Anwalt des Mediziners bezeichnete ihn als "nicht kündigungsrelevant".
Dagegen war für das Gericht allein der falsch ausgestellte Totenschein so gravierend, dass weitere konkrete Vorwürfe, die zur Kündigung des leitenden Arztes geführt hatten, in der öffentlichen Verhandlung nicht zur Sprache kamen. Das Gericht hielt sie allerdings für so "schwerwiegend", dass der Klinik eine Weiterbeschäftigung des Mediziners nicht zuzumuten sei. Er dürfte also absehbar nicht an den OP-Tisch in der Würzburger Uniklinik zurückkehren.
Arbeitsgericht spricht von "schwerwiegenden Vorwürfen": keine Weiterbeschäftigung
Was aber steckt hinter diesen weiteren "schwerwiegenden Vorwürfen"? Bei den Güteterminen im April wurde die Frage möglicher OP-Fehler aufgeworfen und ob sie vertuscht werden sollten. Beide Mediziner hatten dies schon damals bestritten. Zuletzt hatte das Arbeitsgericht im Verfahren gegen die Ärztin festgestellt, dass die Operateurin eigenmächtig am zuständigen Anästhesisten vorbei ein Medikament gespritzt und damit ihren Kompetenzbereich überschritten hatte.
Im Raum steht laut Aussagen am Arbeitsgericht auch der Vorwurf, der leitende Mediziner – er wurde zu der schwierigen Operation hinzugeholt – habe einen herausoperierten Gefäßabschnitt als mögliches Beweisstück für einen Fehler entsorgen lassen. Über seinen eigens beauftragten Medienanwalt lässt der Arzt diesen Vorwurf ebenso zurückweisen wie jegliches sonstige Fehlverhalten.
Arbeitsgericht: Uniklinik hat bei der Kündigung einen Formfehler begangen
Aber: Obwohl der Uniklinik seine Weiterbeschäftigung nicht zuzumuten ist, bleibt das Arbeitsverhältnis formal bestehen. Denn nach Auffassung des Gerichts hatte die Kündigung einen Formfehler. Dadurch ist sie unwirksam, insofern ein Teilerfolg für den klagenden Arzt.
Die Richter folgten in ihrer Entscheidung der Kritik des Betroffenen und seiner Anwälte: Die Kündigung hätte nicht allein durch den Ärztlichen Direktor erfolgen dürfen, sondern hätte einen Beschluss und eine Vollmacht durch den kompletten Klinikvorstand gebraucht. Ihm gehören neben dem Ärztlichen Direktor noch der kaufmännische Direktor, der Pflegedirektor und der Dekan der medizinischen Fakultät an.
Der Vorstand hatte laut Klinikanwalt die Entlassung zwar einstimmig beschlossen – diese Entscheidung war dem betroffenen Mediziner aber nicht mit der Kündigung zugestellt worden. Die Uniklinik hielt es für ausreichend, dass die Kündigung allein vom Ärztlichen Direktor ausgesprochen wurde. Beide Prozessparteien interpretierten hier das bayerische Uniklinika-Gesetz auf ihre eigene, unterschiedliche Art.
Man bewege sich auf "juristischem Neuland", befand der Vorsitzende Richter. Der Anwalt, der den Mediziner vor Gericht vertrat, sprach auf Nachfrage der Redaktion von einem Erfolg der Kündigungsschutzklage "in vollem Umfang". Alle ausgesprochenen Kündigungen seien für unwirksam erklärt worden.

Noch in der Verhandlung hatten die beiden Anwälte des Arztes darauf hingewiesen, dass sich bei gerichtlicher Feststellung eines Formfehlers das Verfahren in die Länge ziehen dürfte. Für einen möglichen Vergleich, wie vom Vorsitzenden Richter mehrfach angeregt, konnten sich beide Parteien nicht hinreichend annähern.
Geht die Uniklinik in Berufung oder spricht sie neue Kündigung aus?
Das Uniklinikum bot an, die Kündigung des Mediziners auf den 30. September 2024 nach hinten zu schieben. Das war der Gegenseite zu wenig. Sie brachte eine mögliche Abfindung ins Spiel, um die verbleibende Dienstzeit des leitenden Arztes bis zum Frühjahr 2028 abzudecken. Darauf wollte sich wiederum die Uniklinik nicht einlassen.
Ob sie gegen das Urteil in Berufung geht, ließ die Uniklinik auf Anfrage zunächst offen. Akzeptiert sie die Entscheidung, könnte sie nach Abschluss des Verfahrens eine neue Kündigung aussprechen. Damit begänne die arbeitsrechtliche Auseinandersetzung vermutlich von vorne. Abzuwarten bliebe, ob dann in einem neuen Verfahren die "schwerwiegenden" Vorwürfe gegen den Mediziner tatsächlich auf den Tisch kämen.
Staatsanwaltschaft ermittelt zu mehr als 20 Operationen
Unabhängig von diesen arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen laufen weiterhin die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zu gut 20 Operationen, die im Jahr 2023 von einem oder beiden betreffenden Medizinern ausgeführt wurden. Dabei soll es zu weiteren Todesfällen gekommen sein. Die Polizei wartet auf die Ergebnisse entsprechender medizinischer Gutachten. Ein anonymer Hinweisgeber hatte eine Liste mit den betreffenden Operationen angefertigt. Die beiden Ärzte bestreiten jedes schuldhafte Verhalten, für sie gilt die Unschuldsvermutung.
der Arzt hat gegen seine eigene schriftliche allgemein ausgehängte Anweisung verstoßen und damit den Versuch unternommen, ein schwerwiegendes Problem zu vertuschen - nämlich den Tod eines Menschen auf dem OP-Tisch. Solche Ausfälle kann eine Klinikleitung weder im Sinne des Vertrauens der Patient/innen noch ihres eigenen Qualitätsanspruches dulden.
Angesichts der juristischen Formalismenreiterei muss ich (als boshafter Mensch der ich bin) zugeben, ich wäre hochbefriedigt, wenn sich bei den weiteren Ermittlungen justiziable Tatbestände herausstellen würden, die den Fall "nach hinten losgehen lassen würden"...
Was da passiert ist, ist massives Fehlverhalten mit nicht wieder gut zu machenden Folgen, plus Vertuschungsmaßnahmen, dh die Angeklagten waren auch noch zu feige, dazu zu stehen. Eine rundum erbärmliche Sache.
Die rechtlichen Konsequenzen dürfen jetzt ja wohl wirklich nicht an läppischen Formalien scheitern.
Hoffentlich wird jetzt wirklich mal alles aufgedeckt.