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Würzburg
Was ist richtig? Was ist wichtig? Warum Journalismus nicht völlig neutral und rein objektiv sein kann
Regelmäßig kritisieren Leser, die Main-Post würde nicht objektiv oder neutral berichten. Chefredakteur Ivo Knahn erklärt, warum das stimmen kann - aber kein Problem ist.   
Was bedeutet ausgewogene Berichterstattung für Redaktionen? Zum Beispiel, dass unterschiedliche Meinungen gehört werden.
Foto: Illustration Ivana Biscan | Was bedeutet ausgewogene Berichterstattung für Redaktionen? Zum Beispiel, dass unterschiedliche Meinungen gehört werden.
Ivo Knahn
Ivo Knahn
 |  aktualisiert: 12.11.2023 02:42 Uhr

Objektivität und Neutralität - wenn Leserinnen und Leser die Redaktion kritisieren, vermischen sich diese beiden Begriffe häufig. Dabei bedeuten sie nicht dasselbe. "Neutral" heißt, auf keiner Seite zu stehen, keine Partei zu ergreifen. "Objektiv" heißt zunächst, dass eine Wahrnehmung ein verlässliches Bild der Umwelt liefert.

Es ist eine der ersten Lektionen in der journalistischen Ausbildung, dass man sich Objektivität nur annähern, sie aber nie zu hundert Prozent erfüllen kann. Professor Klaus Meier, der an der Katholischen Universität Eichstätt Journalismus lehrt, unterscheidet beim Thema Objektivität zwei Fragen: Was ist richtig? Und: Was ist wichtig? 

Spätestens bei der Frage "Was ist wichtig?" sind Journalisten nicht objektiv

Zweifelsfrei müssen Journalisten und Journalistinnen bei der Frage, was richtig ist, sicherstellen, dass die Fakten in ihren Beiträgen objektiv stimmen, also jeder Überprüfung standhalten. Spätestens bei der Frage "Was ist wichtig?" sind sie nicht völlig objektiv.

Worüber berichten wir? Mit wem sprechen wir? Welche Stimmen bekommen welchen Raum? Und vor allem: Wie ist all das einzuordnen und was bedeutet es für die Menschen?

Diese Entscheidungen sind immer auch subjektiv geprägt, also aus der persönlichen Erfahrungswelt. Professor Klaus Meier sagt: "Bei der Frage, was wichtig ist, können sich Journalisten Objektivität nur annähern. Journalismus hat dafür über Jahrzehnte hinweg ganz bestimmte Regeln entwickelt - nämlich seine professionellen Arbeitsweisen. Dazu gehört es möglichst viele zu Wort kommen zu lassen und ausgewogen zu berichten."

Das bedeutet nicht, dass alle Stimmen im gleichen Maße oder ohne Einordnung zu Wort kommen. Vor allem dann nicht, wenn jemand Unsinn erzählt. Der amerikanische Journalist Jonathan Foster hat das auf den Punkt gebracht: "Wenn jemand sagt, dass es regnet, und ein anderer, dass es trocken ist, ist es nicht Aufgabe von Journalisten, beide zu zitieren. Es ist ihre Aufgabe, aus dem Fenster zu schauen und herauszufinden, was wahr ist."

Journalismus-Professor Klaus Meier sagt: "Es geht eher um Fairness als um Neutralität"

Professor Klaus Meier sieht auch bei der Forderung nach Neutralität eine zu hohe Erwartungshaltung an Journalismus. Er sagt: "Es geht eher um Fairness als um Neutralität." Damit wählt Meier einen Begriff, der in den journalistischen Leitlinien der Main-Post eine zentrale Rolle spielt.

In den "Regeln für einen fairen Qualitätsjournalismus" bekennen wir uns zur Achtung vor der Wahrheit sowie zu ausgewogener Recherche und Berichterstattung. Dabei arbeiten wir frei und unabhängig, also ohne politische oder wirtschaftliche Einflussnahme. Leserinnen und Leser müssen sich darauf verlassen können, dass die wesentlichen Aspekte und die wesentlichen Stimmen zu einem Thema in der Berichterstattung berücksichtigt werden. Was wesentlich ist und was nicht, darüber kann man schon wieder diskutieren - was wir auch immer wieder tun.

Dank unterschiedlicher Menschen in der Redaktion gibt es unterschiedliche, manchmal gegensätzliche Einschätzungen, die am Ende zu einer ausgewogenen Berichterstattung beitragen. Im Übrigen gehört es zum Handwerkszeug guter Journalisten, auch dann fair und ausgewogen zu berichten, wenn man persönlich eine Meinung zum Thema hat. Eine Journalistin, die CSU wählt, kann also unvoreingenommen vom Parteitag der SPD berichten. Ist ein Journalist durch persönliche Umstände über die Maße von einem Thema betroffen, sollte er dies transparent machen oder das Thema nicht übernehmen.

Persönliche Meinung von Journalisten darf sichtbar werden, sollte aber als solche erkennbar sein  

Im Journalismus darf auch die persönliche Meinung des Autors oder der Autorin sichtbar werden. Das kann dem Publikum dabei helfen, sich selbst eine Meinung zu bilden - sei es durch Zustimmung oder durch Widerspruch zur veröffentlichten Meinung. Meinungsbeiträge müssen aber deutlich gekennzeichnet sein, etwa als "Kommentar", "Standpunkt" oder eben "Meinung". 

Bei Reaktionen aus der Leserschaft wird spürbar, dass nicht alle Leserinnen und Lesern zwischen unterschiedlichen journalistischen Darstellungsformen differenzieren. 

Ein einzelner Beitrag kann unausgewogen sein - aber ist es deshalb die ganze Main-Post?

Bei der Diskussion um Objektivität und Neutralität spielen die unterschiedlichen Textgattungen eine wesentliche Rolle. Reportagen etwa können gerade durch das subjektive Erleben des Reporters und der Reporterin spannend und erhellend sein. Nachrichten und Berichte haben einen viel höheren Anspruch an Objektivität. Die Fakten müssen immer stimmen, aber die Auswahl der Fakten orientiert sich bei der Reportage stark am persönlichen Erleben. Zwei Reportagen vom selben Ereignis können deshalb recht unterschiedlich sein. Wenn aber ehrere  Journalisten von diesem Ereignis rein nachrichtlich berichten, sollten die Unterschiede höchstens minimal sein.

Regelmäßig wird unsere Redaktion aufgrund einzelner Beiträge in eine politische Ecke gestellt. Mal sind wir "linksgrünversifft", mal "Steigbügelhalter der CSU", mal "FDP-freundlich". Diese vielfältige Kritik macht uns zuversichtlich, dass wir unterm Strich ausgewogen berichten. Unsere Kritikerinnen und Kritiker bitten wir, unseren Journalismus nicht an einzelnen Beiträgen zu bewerten, sondern über einen längeren Zeitraum. Ein einzelner Beitrag kann fehlerhaft sein - dann korrigieren wir das transparent. Ein einzelner Beitrag kann auch unausgewogen sein - aber ist es deshalb die ganze Main-Post? 

Es kann sogar wichtig sein, dass Journalismus nicht neutral ist

Journalismus-Professor Klaus Meier warnt Redaktionen übrigens vor zu vielen Meinungsbeiträgen, besonders auf digitalen Kanälen: "Man erwartet bei Journalismus nicht in erster Linie Meinung. Die gibt es heute überall. Von Journalismus werden vor allem Recherche und Fakten erwartet." Und dennoch macht Meier deutlich, wie wichtig es sogar sein kann, dass Journalismus nicht neutral ist: "Man kann  nicht neutral sein, wenn grundlegende Werte missachtet werden. Wo Demokratie in Gefahr gerät, muss Journalismus einspringen. Denn Demokratie und Journalismus sind zwei Seiten einer Medaille." 

 
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  • Andreas Gerner
    Alles ok?
    Besserung ist also nicht nötig?

    Kann man wohl auch anders sehen !

    Ein Lichtblick:

    Nachdem in reihenweise "Berichten" (nach der Definition oben eher "Kommentare" oder "Meinungen" zur sog. "Letzten Generation" deren Mitglieder immer wieder verherrlichend als "Klimaaktivisten" oder "Klimaschützer" gelobt wurden(und ich mich mehrfach beschwerte), unterblieb dies kürzlich nach den unsäglichen Schmierereien an der Fassade der Uni Würzburg. Da wurden die neutral "als Mitglieder der..." bezeichnet.

    Endlich.

    Denn Klimaschützer und Klimaaktivisten sind diese Täter nicht.
    Deren Zerstörungen, Blockaden, Nötigungen usw. sparen keine Emissionen. Sie verursachen welche (Polizeieinsätze, Reinigung, lange Umwege bei Stau, Reparaturen...).

    Nachweislich sind diese Täter also Klimasünder.

    Es geht also.
    Wenn man auf Faktenverdrehung hinweist, besteht die Chance, dass dies unterbleibt.

    Bin nur gespannt ob das nun gelebt wird oder ein Ausrutscher/eine Eintagsfliege war.
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  • Heike Pauline Grauf
    Den Beitrag möchte ich sehen, in dem die Main Post als "Steigbügelhalter der CSU" bezeichnet wurde! Das würde ja bedeuten, dass die CSU nicht mehr im Sattel sitzt, und das ist absurd. Die CSU reitet vielmehr ein totes Pferd, das inzwischen linksgrünversiffte Leichengerüche ausstösst. Aber das macht nichts. Je toter das Pferd, desto größer der Profit. Denn wie wir jeden Tag er'leben' können, besteht unsere Welt aus grausigen Leichenbergen, die von der Presse wunderbar vermarktet werden. Crime sells. Und Sex natürlich. Am besten beides unappetitlich ineinander verwurstelt. Wen interessieren noch Parteien? Es gibt ja keine mehr. "FDP-freundlich", die Main Post? Die Main Post muss, eine Vermutung, diskret anzeigenkundenfreundlich sein, aber was hat das mit frei und demokratisch zu tun? Den Kapitalismus interessieren keine Parteien, er hat das Monopol.
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  • Heike Pauline Grauf
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  • Rainer Gaiß
    Wir besetzen alle großen Themen in der Region mit eigenen Mitarbeitern. Wenn Sie ein Thema im Kopf haben, wo das nicht der Fall war oder ist, schreiben Sie gern an die Redaktion.
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  • Martin Deeg
    Siehe vorangegangene Mail.
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  • Martin Deeg
    Bitte bleiben Sie beim Thema.
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  • Martin Deeg
    Ich halte diesen "Chef-Brief" für eine gefällige Ansammlung von Phrasen und Allgemeinplätzen und werde dies infolge auch begründen (wenn mich die Moderation lässt!) .

    Natürlich darf auch das übliche "Argument" nicht fehlen, dass "unterm Strich ausgewogen berichtet" wird, wenn man sowohl als "linksgrünversifft" als auch als CSU-Hofberichterstatter kritisiert wird. Also "Kritik" von allen Seiten erfolgt. Falsch!
    Eine Schlingerfahrt über die gesamte Fahrbahn bedeutet nicht, dass der Fahrer besonders "sicher" ist - sondern dass er objektiv (!) keinerlei Kontrolle hat und mal dorthin driftet mal dahin.

    M.E. - und ich beobachte die Mainpost seit 20 Jahren - wird hier schlicht die fehlende Distanz zu seit Jahrzehnten dominanten CSU-Netzwerken dadurch kaschiert, dass bspw. der Grünen Jugend ab und zu eine besondere Plattform geboten wird, die über den Informationsgehalt des Themas hinausgeht...
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