In Lohr erschießt am 8. September ein 14-Jähriger Deutscher einen Gleichaltrigen. Neun Tage später tötet ein 22 Jahre alter Spanier in der Würzburger Innenstadt einen 28-Jährigen mit einem Messer. In beiden Fällen nennt die Redaktion die Nationalität der Täter.
Wenn es um die Frage geht, wann Medien die Herkunft von mutmaßlichen Straftäterinnen und Straftätern nennen sollen und wann nicht, stehen sich zwei Lager gegenüber.
Das eine fordert maximale Transparenz: Informationen über (mutmaßlich) Kriminelle dürften nicht zurückgehalten werden. Oft wird diese Forderung mit dem Vorwurf kombiniert, Medien würden die Herkunft bewusst verschweigen, um die wahre Bedrohung durch Ausländer zu verschleiern. Außerdem könne jeder Bürger und jede Bürgerin die Information zur Herkunft selbst einordnen. Verschweigen sei eine Bevormundung und belaste das Vertrauen in die Medien.
Wann ist das Interesse der Bürgerinnen und Bürger berechtigt?
Das andere Lager betont, dass bei der konsequenten Nennung ein Zusammenhang zwischen Tat und Herkunft hergestellt würde, den es so meist nicht gebe. Es werde damit kein berechtigtes Interesse der Bürgerinnen und Bürger befriedigt, sondern in vielen Fällen würden Vorurteile und Rassismus geschürt und Ausländerfeindlichkeit gefördert.
Diese Sichtweise teilt die Redaktion der Main-Post und sie findet sich auch im Pressekodex, in dem der deutsche Presserat 1973 ethische Grundregeln für den Journalismus vorgelegt hat. Der Kodex wird regelmäßig aktualisiert und ist eine Selbstverpflichtung, zu der sich die Redaktion der Main-Post bekennt.
In der Leitlinie 12.1 des Pressekodex heißt es: "In der Berichterstattung über Straftaten ist darauf zu achten, dass die Erwähnung der Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu ethnischen, religiösen oder anderen Minderheiten nicht zu einer diskriminierenden Verallgemeinerung individuellen Fehlverhaltens führt. Die Zugehörigkeit soll in der Regel nicht erwähnt werden, es sei denn, es besteht ein begründetes öffentliches Interesse. Besonders ist zu beachten, dass die Erwähnung Vorurteile gegenüber Minderheiten schüren könnte."
Reine Neugier ist noch kein Grund, die Nationalität eines Straftäters zu nennen
Entscheidend ist die Feststellung, "die Zugehörigkeit soll in der Regel nicht erwähnt werden, es sei denn, es besteht ein begründetes öffentliches Interesse". Diese Passage findet sich erst seit März 2017 in der Richtlinie, als diese im Zuge der Flüchtlingsdebatte angepasst wurde.
In der Folge diskutierte auch unsere Redaktion immer wieder, wann öffentliches Interesse begründet ist. Der Presserat schreibt dazu: "Reine Neugier ist kein geeigneter Maßstab für presseethisch verantwortliche Abwägungen." Auch wenn etwa die Polizei die Herkunft veröffentlicht, heißt das nicht, dass wir sie in unseren Medien nennen, wobei dieser Widerspruch selten vorkommt, weil Behörden sich bei diesem Thema oft selbst am Pressekodex orientieren.
Bei besonders schweren Straftaten sehen wir das begründete öffentliche Interesse als gegeben
In unseren journalistischen Leitlinien machen wir transparent, auf welcher Basis wir uns für die Nennung entscheiden. Bei besonders schweren Straftaten (Mord, Totschlag, Folter, Entführung, Terrorismus, Organisierte Kriminalität) sehen wir das "begründete öffentliche Interesse" grundsätzlich als gegeben.
Das ist der Grund, weshalb wir bei den beiden aktuellen Tötungsdelikten in Lohr und Würzburg die Nationalität des deutschen, beziehungsweise des spanischen Täters nennen. Und deshalb haben wir zum Beispiel im Fall des Messerangriffs am Würzburger Barbarossaplatz geschrieben, dass der Täter aus Somalia kam.
Als im Februar 2023 in Marktheidenfeld ein Mann seine Frau getötet hat, wäre eine Nennung der Nationalität ebenfalls richtig gewesen, weil die Tat bzw. die polizeiliche Arbeit dazu teilweise in der Öffentlichkeit stattfand. Die Redaktion hat sich dagegen entscheiden, was man zurecht kritisieren kann.
Auch wenn eine Straftat aus einer Gruppe heraus begangen wird, von der ein wesentlicher Anteil durch Merkmale wie ethnische, religiöse, soziale oder nationale Herkunft verbunden ist, nennen wir diesen Zusammenhang. Das war zum Beispiel bei dem polnischen Einbrechertrio der Fall, das Anfang 2023 vor dem Landgericht in Schweinfurt stand.
Wenn ein Ausländer benannt wird, geraten alle anderen ein Stück weit unter Generalverdacht
Immer wieder befasst sich die Wissenschaft mit der Frage, ob die Einzelfallentscheidung der richtige Weg ist. Das Institut für Journalistik und Kommunikationsforschung an der Hochschule Hannover hat 2022 eine "Handreichung zur Reflexion" für Redaktionen, Polizei und Justiz veröffentlicht. Die Autorinnen und Autoren zitieren den aktuellen Stand der Medienwirkungsforschung, der keinen Zweifel daran lässt, dass die prinzipielle Nennung der Herkunft Vorurteile schürt.
"Der zentrale Wirkmechanismus besteht darin, dass Zuschauerinnen und Leser die Herkunftsinformation intuitiv, spontan und oftmals unbewusst heranziehen, um sich eine Vorstellung von der Straftat zu machen und diese moralisch zu bewerten. Dabei findet eine Übergeneralisierung statt, die das Urteil über die genannte soziale Gruppe zum Negativen verändert."
Die bloße Nennung verschleiert mehr als sie zu erklären vermag
Die Rechtswissenschaftler Professor Tobias Singelnstein vom Lehrstuhl für Kriminologie an der Goethe-Universität in Frankfurt und Christian Walburg vom Institut für Kriminalwissenschaften an der Uni Münster haben untersucht, wie sich die Nennung der Herkunft in Medienberichten zwischen 2017 und 2019 – also mit der oben erwähnten Aktualisierung des Pressekodex – verändert hat. Demnach wurden nur in 2,9 Prozent der Zeitungsberichte über Tatverdächtige Deutsche mit ihrer Nationalität benannt, während ihr Anteil an der Kriminalstatistik knapp 70 Prozent betrug. Wenn die Nationalität genannt wurde, waren es in mehr als 93 Prozent Ausländer.
Die Wissenschaftler schreiben in ihrem Papier von 2021: "Die häufigere Berichterstattung über Straftaten mit ausländischen Tatverdächtigen und die häufigere Nennung von deren Herkunft hat zu einem einseitigen Fokus auf ausländische Tatverdächtige geführt, so dass der mediale Blick nicht klarer, sondern verzerrter geworden ist. (...) Die bloße Nennung ohne weitere Einordnung und Erläuterung verschleiert mehr als sie zu erklären vermag. Sie befriedigt nicht legitime Informationsinteressen, sondern stellt falsche Zusammenhänge her."
Das erklärt, warum unsere Redaktion auch weiterhin nur in begründeten Einzelfällen die Zugehörigkeit zu einer ethnischen, religiösen oder anderen Minderheit benennen wird. Es ist der kompliziertere Weg. Aber wir nehmen ihn in Kauf, weil wir unseren Leserinnen und Lesern gut erklären können, warum der kompliziertere Weg der bessere ist.
Offensichtlich wird der Pressekodex von der MainPost anders ausgelegt. Da viele andere Medien oft schon Stunden nach einer solchen Tat Fotos und Namen der mutmaßlichen Täter präsentieren hält sich die MainPost Tage danach immer noch stark zurück „Ross und Reiter“ zu nennen! Scheinbar ist der Pressekodex hier äußerst dehnbar und die MainPost, vergessen wir nicht die Linksgrüne Ausrichtung des Blattes, scheint hier den Weg des nichtinformierens gehen zu wollen! Hier ist der mündige Bürger, der sich sehr wohl seine eigene Meinung bilden kann, dann doch wohl nicht erwünscht?
Offensichtlich haben schon mehrer Leser das erkannt und wie ich Ihr Abo gekündigt!
Mit freundlichen Grüßen
Ralf Zimmermann, Main-Post Digitales Management
https://www.mainpost.de/regional/wuerzburg/stiller-feiertag-was-halten-10-wuerzburgerinnen-und-wuerzburger-vom-tanzverbot-an-karfreitag-art-11095078