Im Bundestag wurde beschlossen, dass das Wahlrecht für die Europawahl von 18 auf 16 Jahre gesenkt wird. Das bisherige Alter ab 18 Jahren habe viele Menschen vom aktiven Wahlrecht ausgeschlossen, "die an zahlreichen Stellen in der Gesellschaft Verantwortung übernehmen und sich in den politischen Prozess einbringen können und wollen", heißt es in dem Gesetzestext. In einigen Bundesländern dürfen 16-Jährige bereits bei Landtagswahlen und Kommunalwahlen abstimmen. In Bayern nicht. Was sagen zehn Würzburgerinnen und Würzburger dazu?
Joscha Obrusnik (19), Schüler aus Gerbrunn
"Meiner Meinung nach sollte das Wahlalter nicht herabgesetzt werden, weil man mit 16 noch nicht so ein gutes Gespür für Politik hat. Man ist gerade durch die Eltern leicht beeinflussbar. Ich denke auch, dass viele 16-Jährige die Wahlen nicht ernst nehmen und vielleicht sogar aus Spaß Rechts- oder Linksextrem wählen."
Dr. Barbara Uleer (47), Zahnärztin aus Würzburg
"Ich halte es für nicht ganz so gut, da man doch im Laufe der Jahre noch etwas Lebenserfahrung sammelt um manche Dinge vielleicht ein bisschen differenzierter zu beurteilen. Wenn man schon Mal ins Berufsleben eingestiegen ist, weiß man, dass man manche Dinge doch nicht mehr so idealistisch betrachten kann, wie man das noch in der Jugend tat. Ich wäre mit 16 zwar zur Wahl gegangen, wäre aber auch noch von meinem Umfeld beeinflusst gewesen. Meine politische Meinung hat sich im Laufe der Jahre doch noch teilweise geändert."
Michael Frank (40), Sozialpädagoge aus Würzburg
"Ich finde es gut, dass die Wahl ab 16 ist und finde auch, dass die schulische Vorbereitung auf Themen wie Wahl und gesellschaftliche Beteiligung differenzierter sein müsste. Jugendliche mit 16 Jahren tragen schon viel Verantwortung, sei es schulisch, in Vereinstätigkeiten oder in den sozialen Medien. Dementsprechend finde ich auch, dass sie gesamtgesellschaftlich, in den Bereichen Soziales, Gesundheit und Bildung mehr gehört werden müssen. Meiner Meinung nach sollten alle Wahlen ab 16 sein, auch da die Jugendlichen gerade Themen wie der Klimawandel verstärkt betrifft."
Christl Holzinger (72), Rentnerin aus Würzburg
"16 finde ich viel zu jung. Da ist die Meinung noch ganz jugendlich und viel zu kindisch. Die Erwartungen von Kindern sind ganz anders, als die von Erwachsenen. Ich persönlich hätte es mir mit 16 auch noch nicht zugetraut, wählen zu gehen. Man ist in dem Alter auch viel weniger in die Politik involviert."
Frank Bußmann (46), Rechtsanwalt aus Würzburg
"Ich halte das objektiv für zu früh. Man kann nicht einerseits mehr Verantwortung haben wollen aber andererseits weniger Pflichten tragen. 18 Jahre hat sich als ein gutes Alter bewährt. Davor sind das zu viele Bauchentscheidungen. Es wird auch von Parteien versucht, junge Menschen zu einem bestimmten politischen Ziel zu lotsen, das aber unreflektiert übernommen wird. Ich habe das Gefühl, dass unsere Generation mehr Freude daran hatte, sich zu engagieren, sei es in der Kirche, im Sportverein oder privat. Dieses Gefühl würde der heutigen Gesellschaft ganz gut tun."
Anna Koch (20), Studentin aus Würzburg
"Ich finde die Senkung des Wahlalters gut, gerade da Umweltthemen die jüngeren Leute betreffen. Dementsprechend sollten sie auch ein Mitspracherecht haben. Außerdem finde ich das Wahlalter aufgrund des demografischen Wandels nicht verhältnismäßig und dass jüngere Leute über ihre Zukunft nicht wirklich mitbestimmen dürfen. Ich verstehe aber auch wenn Leute dagegen sind, da manche 16- Jährige wahrscheinlich einfach die Meinung von ihren Eltern vertreten. Ich persönlich wäre auch mit 16 schon zur Wahl gegangen."
Michael Heindl (56), Fabrikarbeiter aus Hammelburg
"Ich halte davon gar nichts. Die jungen Leute haben keine Perspektive und werden am einfachsten beeinflusst. Dadurch sind genau die Grünen, die jetzt an der Macht sind, das auch weiterhin. Die jungen Leute wissen noch gar nicht, um was es eigentlich geht. Wenn man sie anguckt, werden die doch nur von Social Media zusammengeballert. Was wir früher erlebt haben, kennen die gar nicht mehr. Wir wussten damals noch was wir werden wollen, die Jugend heute möchte nur noch nichts machen und Geld dafür bekommen."
Leonie Kirchner (22), Studentin von Politik und Gesellschaft aus Würzburg
"Einerseits kann ich nachvollziehen, dass man das Wahlalter runtersetzen möchte, weil einfach die Bevölkerung immer älter wird und man dadurch die Wahlschichtung etwas ausgleichen würde. Was das richtige Alter ist, ist schwer abzuschätzen und hängt von der Bildung ab. An sich bin ich für das Herabsenken, da sich dadurch auch junge Menschen mehr für Politik interessieren. Ich selbst studiere auch Politik und Gesellschaft. Es sollte aber mit Bildungsmaßnahmen am Verständnis und Interesse für Wahlen und Politik gearbeitet werden. Zumindest das Interesse an Politik der Jugend würde sich aber vielleicht durch ein gesenktes Wahlalter verstärken."
Yichen Bai (23), Student aus Würzburg
"Wahrscheinlich ist meine Meinung zu konservativ. Meiner Meinung nach sollte die Altersbegrenzung höher sein. Das europäische Wahlsystem und auch das deutsche Wahlsystem sind sehr komplex. Selbst ich, als Student von Political and Social Studies, blicke da noch nicht ganz durch. Junge Personen haben oft unseriöse Quellen wie Social Media und viele wahrscheinlich keine ausgereifte persönliche Meinung dazu und werden leichter beeinflusst."
Barbara Lohoff (59), Dolmetscherin und Gästeführerin aus Rimpar
"Meine Meinung ist zweigeteilt. Mir fällt auf, dass die junge Generation heute politischer ist und zum Beispiel mit Fridays for Future auch Verantwortung übernimmt. Ich finde trotzdem 16 sehr jung, nicht jeder ist in dem Alter so reif. Als ich 16 war, war ich noch ein Kind, ich merke aber auch, dass viele Jugendlichen reifer sind als ich damals. Im Ergebnis bin ich eher dagegen."
Ich würde mir wünschen, dass in unseren Parlamenten mehr Menschen vertreten wären, die wissen was ehrliche Arbeit, gesunder Menschenverstand und gesellschaftlicher Anstand sind.
Sehr gerne dürften das auch Fabrikarbeiter*innen sein.
Wir Wirtschaft/Recht-Leistungskursler haben gaudihalber und aus einer diffusen Protesthaltung gegen das von uns als verstaubt empfundene etablierte System überwiegend Extremisten gewählt. Wenn unsere "Wahlentscheidungen" damals symptomatisch für das gesamte Bundesgebiet gewesen wären, hätte es wohl eine große Koalition aus DKP und NPD gegeben.
Ganz so extrem wird es heute zwar nicht mehr werden, aber die Möglichkeit, dass viele 16-jährige sich von emotionalen oder unausgereiften politischen Überlegungen leiten lassen ist hoch.
Im Westen werden viele Jungwähler wohl den Grünen ihre Stimmen geben, aber im Osten liegt derzeit bei den jungen Stimmberechtigten eine ziemlich rechte Partei ganz vorne in der Gunst.
In Sachsen-Anhalt kam die AfD bei den U-24-Wählern auf ein Viertel der Stimmen; in der Gruppe der 25 bis 34-Jährigen sogar auf 28 Prozent.
https://wahlen.u18.org/wahlergebnisse/bundestagswahl-2021
Und auch spezifisch in Sachsen-Anhalt nicht in Panik verfallen.
"16,4 Prozent der Teilnehmenden haben ihr Kreuz bei der CDU gemacht, die SPD erhielt 16 Prozent der Stimmen, wie der Kinder- und Jugendring Sachsen-Anhalt mitteilte. Dahinter folgten Die Linke (11,8 Prozent) und die FDP (11,2 Prozent). Für die Grünen stimmten 10,9 Prozent der Jugendlichen, die AfD kam auf 10,8 Prozent."
https://www.mdr.de/nachrichten/deutschland/wahlen/bundestagswahl/u-achtzehn-wahl-cdu-vor-spd-100.html