
Was wird aus der ärztlichen Versorgung auf dem Land? Immer häufiger müssen Hausarztpraxen schließen, weil Inhaber keine Nachfolger finden. Dabei gibt es Nachwuchsmedizinerinnen wie Julia Kerzner. Die 24-Jährige aus Kleinlangheim im Landkreis Kitzingen "brennt" für die Allgemeinmedizin. Die Studentin will Hausärztin werden – auf dem Land, und zwar aus voller Überzeugung.
Eine Förderung durch den Freistaat hilft ihr dabei, schon während des Studiums Fuß zu fassen und Kontakte zu Hausärzten zu bekommen. Zuletzt erhielt die Uni Würzburg 1,2 Millionen Euro für das Programm "Beste Landpartie Allgemeinmedizin" (BeLA) in den kommenden vier Jahren.
"Brücke zwischen Ausbildung und Hausarztpraxis"
Bayerns Gesundheitsminister Judith Gerlach (CSU) spricht von einem "echten Erfolgsmodell", um die ärztliche Versorgung auf dem Land zu sichern. Angehenden Allgemeinmedizinern werde bereits während des Studiums eine "Brücke zwischen Ausbildung und Hausarztpraxis gebaut."
Julia Kerzner absolviert gerade vier Monate ihres Praktischen Jahres (PJ) in einer Volkacher Allgemeinarztpraxis – und schwärmt: "Es macht mir große Freude. Ich höre den Patienten gerne zu und erfahre viel mehr über ihre Hintergründe als in der Klinik." Auch bei den Haus- und Heimbesuchen ist sie gerne dabei.
Kerzner ist heimatverbunden, hat an der Uni Würzburg Medizin studiert. Für die beiden weiteren PJ-Abschnitte – Innere Medizin und Chirurgie – wählte sie die Kliniken in Ochsenfurt und Kitzingen. An das Studium will sie die fünfjährige Facharztausbildung für Allgemeinmedizin anschließen. Die 24-Jährige möchte in der Region bleiben, hier fühlt sie sich wohl und verwurzelt, hat Familie und Freunde.
Dass sie Hausärztin werden möchte, habe sich im Lauf des Studiums herauskristallisiert. Einen wirklich ganzheitlichen Ansatz finde sie nur in der Allgemeinmedizin, sagt Julia Kerzner. Nirgends sonst sei die Beziehung zu den Patientinnen und Patienten so intensiv, persönlich und von Dauer. Schon das vorgeschriebene Praktikum beim Hausarzt habe sie im Studium begeistert. Aber ja, räumt die 24-Jährige ein, "das Ganze ist auch Typsache."
BeLA-Programm bringt Stipendiaten Geld – vor allem aber Kontakte und Knowhow
Für die Kleinlangheimerin scheint das keine Frage, "ich habe gerne mit Menschen zu tun." Sie hat das BeLa-Förderprogramm erst spät entdeckt – für die letzten beiden Semester, also das Praktische Jahr. Über das Programm bekommt sie nun ein Jahr lang 600 Euro monatlich als Stipendium extra. Damit soll verhindert werden, dass Studierende aus finanziellen Gründen einen Bogen um die Allgemeinmedizin machen. Während nämlich Kliniken in der Regel ihren PJ-lern eine Aufwandsentschädigung bezahlen, gibt es in Hausarztpraxen normalerweise nichts.
Für noch wertvoller als das Geld hält Julia Kerzner freilich die vielen Seminare und Veranstaltungen, die sie studienbegleitend über das BeLa-Programm besuchen kann. Ob Chirurgie oder Ultraschall: Hier lernt sie in eigenen Kursen von erfahrenen Allgemeinmedizinern, bekommt Einblicke in den Alltag von niedergelassenen Ärzten, "das ist richtig gut gemacht."
Auch die wichtige Arzt-Patienten-Kommunikation wird geschult. Hinzu kommt der Austausch mit anderen BeLa-Stipendiaten ab dem ersten klinischen Semester. "Irgendwie ticken wir alle ähnlich", sagt Kerzner. Trotz der Extra-Kurse müssen sie das "normale" Medizinstudium vollumfänglich absolvieren.
Prof. Anne Simmenroth, gemeinsam mit Prof. Ildikó Gágyor Inhaberin des Lehrstuhls für Allgemeinmedizin an der Universität Würzburg, ist dankbar für das Förderprogramm. "Ich halte das für überaus sinnvoll!", sagt Simmenroth. Man habe im April 2020 mitten in der Pandemie damit begonnen. "Und wir freuen uns jetzt sehr, dass das Programm fortgesetzt wird."
Die BeLA-Studierenden machen alle Praktika im ländlichen Raum – und zwar in einer der ausgewiesenen BeLA-Regionen. In Unterfranken gibt es drei solcher Regionen, sie sind jeweils Lehrkrankenhäusern zugeordnet: "Main-Spessart" mit dem Klinikum Lohr, "Schweinfurt/Haßberge" mit dem Leopoldina-Krankenhaus und den Haßberg-Kliniken und "Ochsenfurt/Kitzingen" mit Main-Klinik und Klinik Kitzinger Land.
Alle Landkreise Unterfrankens gehören zu einer BeLA-Region. Bei Ausflügen treffen sich die Studierenden mit Landräten, Bürgermeistern und Ärztinnen und Ärzten der Region. Die Stadt Würzburg ist aus der Förderung ausgenommen – schließlich geht es um die Versorgung auf dem Land.
Seit Start des Programms 2018 haben laut Gesundheitsministerium in Unterfranken 34 Medizinstudierende daran teilgenommen. Anne Simmenroth sieht die ersten Früchte: "Wir haben bereits neun Alumni, die in der Region ihre Weiterbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin begonnen haben."
Allen an BeLA Beteiligten: viel Glück und gutes Gelingen.
(Falls noch nicht geschehen, kann man ähnliche Programme vielleicht auch in anderen Bundesländern an den Start bringen. Dort gibt es ähnliche Probleme mit der ärztlichen Versorgung in ländlichen Bereichen.)