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Würzburg
Noch Studium oder schon Arbeit? Medizinstudierende demonstrieren in Würzburg für bessere Behandlung im Praktischen Jahr
Medizin nicht nur in der Theorie, sondern in der Praxis lernen: Ist der Einsatz in Kliniken im Studium ein schlecht bezahlter Vollzeitjob? Bundesweit gibt es jetzt Protest.
Operation an einer Uniklinik: Bundesweit fordern Medizinstudierende an diesem Mittwoch bessere und einheitliche Standards in ihrem Praktischen Jahr (Symbolbild). 
Foto: Waltraud Grubitzsch, dpa | Operation an einer Uniklinik: Bundesweit fordern Medizinstudierende an diesem Mittwoch bessere und einheitliche Standards in ihrem Praktischen Jahr (Symbolbild). 
Andreas Jungbauer
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:26 Uhr

Wer in Deutschland Ärztin oder Arzt werden will, braucht einen langen Atem. Über sechs Jahre dauert das Medizinstudium regulär. Viele packen wegen der engen Taktung ein bis zwei Semester drauf. Nach langer Theorie müssen zum Abschluss alle Medizinstudierende dann ein Praktisches Jahr (PJ) absolvieren. Es soll auf den Berufsalltag vorbereiten und besteht derzeit aus drei Blöcken von je vier Monaten – in Innerer Medizin, Chirurgie und einem Fach nach Wahl.

Für die Allgemeinmedizin leisten die Studierenden die vier Monate abschnittsweise in Hausarztpraxen, ansonsten sind sie im PJ in Kliniken, mit normalen Wochenarbeitszeiten. Ist das nun Arbeit oder Studium? Um diese Frage dreht sich im Kern eine aktuelle Auseinandersetzung.

Ist das PJ Arbeit oder Studium? An diesem Mittwoch bundesweit Proteste angekündigt

An diesem Mittwoch demonstrieren bundesweit Medizinstudierende gegen Missstände und für ein "faires" Praktisches Jahr. In Würzburg erwartet die Fachschaft Medizin zur Kundgebung an der Uniklinik 200 bis 300 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Unterstützt wird der Protest von den Ärzteverbänden Marburger Bund und Hartmannbund.

Der Unmut der Organisatoren richtet sich gegen die aus ihrer Sicht teils prekären Bedingungen im PJ. 20 bis 35 Prozent der Studierenden leiden dabei einer Studie zufolge an Burnout, letztlich auch zu Lasten von Patienten. PJ-ler seien in den Klinikbetrieb eingebunden, sagt Fachschaftssprecher Jakob Weilbach: "Sie nehmen Blut ab, führen Patientengespräche, dokumentieren Behandlungen. Sie sind ordentlich eingespannt."

Laut Approbationsordnung dürfen Studierende im Praktischen Jahr nur 30 Tage fehlen, egal ob Urlaub oder Krankheit. "Das darf  nicht in einen Topf geworfen werden", moniert Weilbach. "Krank ist krank." Manche würden sich erkältet in die Klinik schleppen, weil sie "geplante" Fehltage teils zur Examensvorbereitung, teils zum Jobben brauchen würden. 

Von null bis zum Bafög-Höchstsatz: Finanzielle Entschädigung nicht einheitlich

Denn, das ist ein weiterer Kritikpunkt: Die monatliche Aufwandsentschädigung im PJ genüge nicht, um über die Runden zu kommen. Wenn überhaupt etwas bezahlt wird. Bundesweit reicht die Spanne von Null bis zum Bafög-Höchstsatz von 934 Euro. Noch gibt es deutschlandweit keine einheitliche Regelung.

Selbst an den neun Lehrkrankenhäusern der Uni Würzburg sind die Unterschiede groß: Die monatliche Aufwandsentschädigung reicht von 350 Euro (plus Mittagessen) im Klinikum Würzburg-Mitte über 500 Euro (plus 40 Euro Tankgutschein) im Leopoldina-Krankenhaus Schweinfurt bis zu 860 Euro im Klinikum Ansbach. Die Uniklinik selbst bezahlt den PJ-lern 500 Euro im Monat.

Praktisches Jahr als Vollzeitarbeit: Keine Zeit, um zusätzlich zu jobben 

"Wer kein Bafög bekommt oder nicht von den Eltern unterstützt wird, kann davon sein Auskommen nicht bestreiten", so die Kritik der Würzburger Fachschaft. Und für Nebenjobs bleibe angesichts der Vollzeitbeschäftigung kaum Luft. An manchen Kliniken, sagt Fachschaftsvertreter Yann Cordes, würde sogar pro Krankheitstag etwas von der Aufwandsentschädigung abgezogen.

Wer sich im PJ für das Wahlfach Allgemeinmedizin entscheidet und – wie jährlich etwa 15 Studierende der Uni Würzburg – in einer Hausarztpraxis arbeitet, kann über die Stiftung des Bayerischen Hausärzteverbandes ein Stipendium in Höhe von monatlich 600 Euro erhalten. Trotzdem hat Prof. Anne Simmenroth, eine von zwei Inhaberinnen des Lehrstuhls für Allgemeinmedizin, großes Verständnis für die Forderungen der Studierenden in Sachen Fehltage und einheitlicher Aufwandsentschädigung.

Die Demo an diesem Mittwoch findet zwar an der Würzburger Uniklinik statt - doch man kritisiere nicht vorrangig die Bedingungen am Uniklinikum, heißt es von den Medizinstudierenden. Hier seien einige Verbesserungen erreicht worden. Vielmehr gehe es um deutschlandweite Standards gerade bei Qualifikation und Betreuung im PJ. Außerdem gefordert: ein Mindestabstand von vier Wochen vom Ende des PJ bis zum dritten Staatsexamen zur Prüfungsvorbereitung.

Der Würzburger Medizin-Dekan Prof. Matthias Frosch sieht das Praktische Jahr als elementaren Teil des Medizinstudiums und steht der Aufwandsentschädigung skeptisch gegenüber.
Foto: Daniel Peter | Der Würzburger Medizin-Dekan Prof. Matthias Frosch sieht das Praktische Jahr als elementaren Teil des Medizinstudiums und steht der Aufwandsentschädigung skeptisch gegenüber.

Die Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland hat eine Online-Petition für ihr Anliegen gestartet. Diesem steht Prof. Matthias Frosch, Medizin-Dekan der Uni Würzburg und Präsident des deutschen Medizin-Fakultätentages, zurückhaltend gegenüber. Das Praktische Jahr "gehört zum Studium, es ist zu 100 Prozent Ausbildung", sagt Frosch. Die Zahlung von Aufwandsentschädigungen, häufig aus dem Forschungs- und Lehrbudget der Fakultäten, sieht er deshalb kritisch. "Da kommt eine Arbeitnehmermentalität rein, das ist nicht sachgerecht."

Würzburger Medizin-Dekan: Studierende sind Lernende

Die Studierenden seien Lernende. Und das Praktische Jahr dauere nur 48 Wochen, so der Dekan, vier Wochen seien also ohnehin frei sind. Die Begrenzung auf höchstens 30 Fehltage hält Frosch für vertretbar: "Es braucht hinreichend Zeit, um die Inhalte zu vermitteln."

Einzelne Universitäten seien hier der falsche Adressat für die gewünschten Veränderungen. Diese seien nur über die neue Approbationsordnung möglich. Dafür ist das Bundesgesundheitsministerium zuständig. Eine Reform steht kurz vor dem Abschluss.

 
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